
Ein Klassiker des psychogenen Todes, dessen Wirkung sich nach unseren Überzeugungen richtet. © xinhua1 under cc
Der psychogene Tod ist ein Tod, der aufgrund psychischer Ursachen eingetreten ist. Was auf der ersten Blick etwas sonderbar anmutet und vielleicht beklommen macht, ist vielen dennoch oft aus Erzählungen bekannt. Lange zusammenlebende glückliche Paare, bei denen ein Partner stirbt ziehen gar nicht so selten den baldigen Tod des anderen Partners nach sich. Ich habe so einen Fall selbst miterlebt, bei dem ein Mann recht unerwartet verstarb, knapp einen Monat zuvor, war seine Frau verstorben, der Sohn war der Ansicht, der Vater wollte seit dem einfach nicht mehr.
Bei anderen geht es schneller, manchmal dauert es keine 24 Stunden. Der Schweizer Physiker und Psychologe Gary Bruno Schmid hat solche Fälle systematisch untersucht und das Buch „Tod durch Vorstellungskraft: Das Geheimnis psychogener Todesfälle“ darüber geschrieben.
Er unterteilt die Phänomene in vier Klassen: Den Voodoo-Tod, den Tabu-Tod, den Heimweh-Tod und den Seelen-Tod.[1]
Der von außen induzierte psychogene Tod
Die beiden erstgenannten Tode kommen in verstärkten Maße durch einen äußeren Einfluss zustande. Der Voodoo-Tod dadurch, dass man sich einer mächtigen Autorität ausgeliefert fühlt und weiß, dass diese nun beginnt, einem zu schaden oder konkrete Schritte auf magisch-ritueller Ebene unternimmt, mit dem Ziel den Betroffenen zu töten.
Ähnlich der Tabu-Tod, bei dem man stirbt, weil man gegen ein Tabu der Gesellschaft verstoßen hat, das vielleicht noch mit einem Todesbann verknüpft ist.
In beiden Fällen ist eine Voraussetzung für die Wirksamkeit von Voodoo oder Tabu der feste Glaube an die Macht der Autoritäten und des Banns oder der Tabus. Auch darf der Glaube nicht als solcher erlebt werden, sondern als Gewissheit, als felsenfeste Überzeugung. Die Nähe zur Gemeinschaft ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt und dass diese sich recht geschlossen der autoritären Struktur unterwirft.
Der psychogene Tod durch innere Erwartungen
Mehr aus dem Individuum selbst kommt der Heimweh-Tod, bei dem man sich von allen wichtigen Bindungen getrennt und verbannt fühlt.
Ähnliches finden wir beim Seelen-Tod, unter dem Schmid plötzliche und unerwartete oder außergewöhnlichen Todesfälle zusammenfasst. Hier ist der Modus, dass man überzeugt ist, in einer ausweglosen Situation zu stecken. Horst Kächele, Leiter der Psychosomatik an der Universität Ulm, kennt dies von Kriegsgefangenen. Sie können mitunter ewig durchhalten, aber wenn sie die Hoffnung verlieren und sich aufgeben, sterben sie binnen weniger Tage.
Oder man sieht in seinem Leben keinen Sinn mehr, wie eingangs am Tod der Lebenspartner dargestellt. Die Sterblichkeit von Witwern, die älter als 54 Jahre waren, lag in den ersten sechs Monaten nach dem Tod der Ehefrau um 40 Prozent höher, als in der Normalbevölkerung desselben Alters.[2]
Voraussetzungen für den psychogenen Tod
Wir sehen hier ein Zusammenspiel zwischen notwendigen inneren und äußeren Faktoren, die in individueller Mischung vorliegen, mal mehr in Richtung der inneren Erwartungen, mal mehr der äußeren Struktur, wobei die Übergänge fließend sind, denn auch äußeren Autoritäten muss ich ihre Macht ja zuschreiben. Halte ich sie für Blender und Idioten, verpufft ihre Wirkung auf mich. Doch man bastelt sich seine Psyche nicht selbst, sondern über einen langen und prägenden Einfluss der ersten Jahre, verinnerlicht man die Werte, Praktiken und Betrachtungsweisen der eigenen Umgebung und merkt irgendwann nicht mehr, dass man sie verinnerlicht hat. So ist man auch bei denen, die man für mächtig hält nicht frei und unabhängig, allerdings später in der Lage frühe Urteile in Teilen zu revidieren oder eine differenziertere Position einzunehmen.
Allerdings ist unsere Gesellschaft heute in einem starken Maße heterogen. Spielt dieses Maß an Autorität da überhaupt noch eine Rolle? Heterogenität bedeutet hier allerdings nicht, dass alle ein heterogenes Weltbild haben, sondern, dass die Ansichten und Weltsichten der Bevölkerung stark unterschiedlich sind, das können wir in letzter Zeit live erleben. Und die üblichen Autoritäten abzulehnen bedeutet nicht, dass man nun seinen eigenen Weg geht, sondern es bedeutet in einer Vielzahl von Fällen, dass man sich alternative Strukturen der Ordnung und damit auch Autoritäten sucht.
Auf einmal entdecken viele in sich ein Interesse an alternativen Interpretationen des Weltgeschehens und seiner ‚wahren‘ Machtverhältnisse. Nun kann das jeder betreiben, wie er lustig ist, klar sollte sein, dass das autoritäre Potential damit nicht weg ist, sondern nur umgruppiert. Oft fürchtet man den Einfluss geheimer Bünde und Bande noch mehr und sieht sich im schlimmsten Fall im Fadenkreuz dieser oder jener Macht.
Aber, so könnte man fragen: ist das nicht doch nur ein kurioses Phänomen vergangener Tage, archaischer Kulturen und ansonsten ein Tummelfeld sonderbarer Charaktere? Hat der Voodoo-Glaube in unserer aufgeklärten Welt, von ein paar Exoten mal abgesehen, nicht längst seine Macht verloren?