panische Frau hält Hände vor den Mund

Psychoterror kann Menschen nach und nach zermürben. © antonè under cc

Psychoterror, ist Terror, der auf die Psyche abzielt und diese zerstören oder irritieren will, aber man kann darunter auch Terror verstehen, der sich psychologischer Methoden bedient. Der Begriff des Terrors oder Terrorismus ist nicht genau definiert, oft meint er eine asymmetrische Form der Kampfes, von einer Gruppe oder Organisation (seltener von Einzelpersonen oder Staaten), die in der Regel Angst, Schrecken, Verunsicherung und Destabilisierung verbreiten will, im Falle des Terrors oft, um ein politisches oder gesellschaftliches Ziel zu erreichen.

Psychoterror hat nicht immer ein Ziel. Es kann sein, dass psychische Folter das Ziel verfolgt den Willen eines Menschen zu brechen oder dass Psychoterror im Krieg die Truppen oder die Bevölkerung des erklärten Feindes, verunsichern und die „Moral“ brechen will. Es ist sehr erstaunlich, dass, wenn die Fahne erobert oder ein bedeutender Repräsentant oder Anführer einer Kriegspartei gefangen genommen oder getötet wurde, der Wille der Kämpfer oft gebrochen ist, obwohl eine Fahne nicht schießt und der Anführer oft nicht mal mitkämpft, sondern „nur“ koordiniert und führt. Irgendwo nur der Verlust eines Symbols und doch unendlich mehr. Vergleichbar mit dem Gefühl entehrt oder beschämt zu sein, materiell ist alles, wie es war, man ist auch nicht krank und doch bringen diese Gefühle Menschen dazu, dass sie unendlich getroffen sind und sich manchmal sogar umbringen.

Psychoterror gegen Einzelpersonen

Der Psychoterror gegen Einzelne kann diverse Formen annehmen oder kann als Mobbing, Cybermobbing oder eine Mischform daherkommen, etwa, wenn jemand in einer Clique oder Klasse sowohl digital, als auch analog gemobbt wird. Hier sind die Ziele oft diffus, entweder man will jemanden weg haben, weil man meint, er passe nicht in die betreffende Gruppe, oft genug ist es aber wohl eine Gruppendynamik und (manchmal) jemand, der sich aus bestimmten Gründen besonders eignet, zum Opfer gemacht zu werden. Viele Mobber verfolgen im Grunde kein konkretes Ziel sondern machen einfach mit, weil es alle machen, manchmal ohne im Einzelfall ein besonders böswilliger Mensch zu sein. Die Auswirkungen auf das Opfer sind oft fürchterlich, besonders dann, wenn sich jemand vornimmt durchzuhalten. Eine Schlacht, die man kaum gewinnen kann und bei der falscher Stolz oft zu bleibenden Schäden führt.

Bossing wird das Verhalten genannt, wenn der Chef einen Mitarbeiter mobbt, in dem er ihn missachtet oder ihm immer wieder seine vermeintlichen Unzulänglichkeiten, manchmal auch vor versammelter Mannschaft, um die Ohren haut. Der Chef ist immer in der stärkeren Position, selbst wenn man sein Recht erstreitet, ist es eine Frage der Abwägung, ob man bleibt. Wenn man es aushält, dass das Arbeitsklima oft nachhaltig geschädigt ist, kann man auch als hartnäckiger Einzelkämpfer gewinnen, aber nicht jeder ist vom Typ her dafür geeignet.

Eine analoge Situation liegt vor, wenn Vermieter ihre Mieter terrorisieren, etwa, weil sie diese zum Ausziehen bringen wollen. Oft ist das bei Großorganistionen der Fall, die zig Wohnblocks haben und sich im Zweifel potente Anwälte leisten können und diverse dirty tricks kennen, die weh tun. Wie immer beim Psychoterror ist es nicht die eine Aktion, sondern die Summe vieler kleiner Nickeligkeiten und subtiler Drohungen, die den anderen mürbe machen und schrittweise verzweifeln lassen. Nach und nach stellt sich das Gefühl ein, dass der andere nicht locker lassen wird und man wartet innerlich darauf, dass irgendwann wieder irgendwas passieren wird. In dem Moment ist man bereits zum Opfer geworden, auch wenn man es nie wollte, nun geht es darum, aus der Opferrolle schnell wieder raus zu kommen. Wie das möglichst schnell geht, haben wir in Die Opferrolle beschrieben, warum es vor allem auch Opfern schadet, sich längerfristig mit diese Rolle zu identifizieren, haben wir in Psychische Heilung aus der Sicht zweier ungleicher Geschwister sehr ausführlich dargestellt.

Auch simple Nachbarschaftsstreits zwischen Einzelpersonen können eskalieren und eine fürchterliche Eigendynamik entwickeln. Was mit einem Missverständnis oder einer Bagatelle begann, weitet sich bisweilen zu einer intensiven Fehde aus. Man grüßt sich nicht mehr, spricht nicht mehr miteinander, schaut weg und manchmal beginnt man den anderen das Leben, wo es nur geht zur Hölle zu machen, unter Nachbarn geht das. Oft ein jahrelanger Kampf, der immer absurder und verbissener geführt wird und bei dem die Phase wo einem das Blut kocht, wenn man den anderen nur sieht oder hört, in den Kampf gegen den anderen als zentraler Lebensinhalt übergeht, gerne auch mit Klagen vor Gericht und allem, was die Küche hergibt. Keiner will weichen, keiner will wegziehen oder nachgeben, denn dann hätte der andere ja gewonnen. Eine oftmals falsche Logik, wenn man mit Psychoterror konfrontiert ist.

Erstaunlich aber wahr, je näher sich die Menschen kommen, umso fürchterlicher mitunter der Psychoterror und eine neuerdings popularisierte Form ist das sogenannte Gaslighting. Dazu muss man sich gut kennen, noch besser „befreundet“ sein (der Täter ist natürlich kein echter Freund). Gaslighting funktioniert subtil. Ab und an bestätigt der „Freund“ oder eine ganze Gruppe, die (richtigen) Erinnerungen eines Menschen nicht. War man am Ende eines gemeinsames Ausflugs noch zusammen italienisch essen, so könnten die anderen sagen: „Wieso, wir waren doch beim Chinesen. Weißt du das denn nicht mehr?“ Dann ist wieder alles gut und einige Zeit später wird wieder eine richtige Erinnerung als falsch zurückgewiesen, jetzt mit der besorgten Frage, ob man in letzter Zeit vielleicht viel Stress hätte. Der Effekt ist klar, man beginnt, schleichend, aber doch ein wenig an seinem Verstand zu zweifeln, denn der Freund oder die anderen können ja nicht irre sein. Je subtiler es gemacht wird, umso besser klappt es, die Beispiele variieren, eine Geschichte finden Sie hier.

Die Empfindungen anderer infrage zu stellen und in der Weise umzuformulieren, dass man ihnen sagt, man wisse (und zwar besser als sie selbst), dass sie nicht wirklich so denken, wie sie behaupten es zu tun („Ich weiß, dass du das nicht so meinst“), wurde von Paul Watzlawick schon vor Jahrzehnten als eine Kommunikationsstruktur eingeschätzt, die, wenn sie dauern auftritt, Menschen in die Psychose treiben kann, ob das wirklich so ist, ist bis heute umstritten.

Psychoterror in phantasierten und echten Partnerschaften

Beziehungen können zu Ende gehen und das ist immer ein kleines Drama, vor allem nach langjährigem Zusammensein. Manche Menschen können so eine Trennung jedoch nicht verarbeiten und beginnen den anderen zu stalken, das heißt, sie tauchen im Leben des ehemaligen Partners immer wieder auf. Sie stehen vor dem Haus, rufen an, sind nach der Arbeit da, manchmal getrieben von der Idee, der/die andere würde noch immer dasselbe empfinden, dürfe das nur nicht zeigen. Oft ist es eine Mischung, aus Kränkung, Neid und Rache, die als Liebe verklärt wird. So beginnt die Tortur und irgendwann ist es nicht mehr wichtig, ob der/die Stalker(in) wirklich da ist, im Kopf ist der Täter immer präsent, auch denn die Abstände größer werden. Auch Promis werden von Menschen gestalkt, die ihnen ständig hinterher reisen und einfach immer wieder präsent sind, vielleicht mal Fans waren und nur zur größten Bürde geworden sind.

Doch auch in aktiven Partnerschaften kann intensiver Psychoterror eine Zutat sein. Gerne in äußerst asymmetrischen Partnerschaften, in denen ein oft narzisstischer Mann eine äußerst unterwürfige Gefährtin wählt und dieser ständig erzählt, wie mangelhaft, dumm, unwichtig und nichtsnutzig sie ist und wie froh und dankbar sie sein muss, dass wenigstens er, weil er so ein großes Herz hat, sich mit ihr abgibt. Eine Demütigung folgt auf die nächste, er der Supermann, sie die dumme Dienstmagd. Erstaunlicherweise können solche extrem asymmetrischen Beziehungen sogar eine lange Zeit funktionieren, obwohl keiner der beiden, neutral betrachtet, eigentlich einen Vorteil von der Situation hat. Narzisstische Kollusion nennt Jürg Willi diese Form der Beziehung.

In der sadistischen Kollusion, die Willi beschreibt ist das verbindende Element die wechselseitige Feindschaft. Man glaubt oft nicht, was da passiert, aber Paare schaffen es, sich damit im wahrsten Sinne bis zur goldenen Hochzeit zu quälen. „Der 30-Jährige Krieg“, kommentierte eine Frau treffend, die in einer solchen Beziehung lebt, in der sie und ihr Mann sich ständig wechselseitige Vorhaltungen machen, die in regelmäßigen entwertenden Brüllorgien ihren Höhepunkt finden. Ein Paar, das stets wie aus dem Ei gepellt auftritt, wenn es in die Öffentlichkeit geht. Jeder kleinste „Fehler“ wird dem anderen mit Genuss unter die Nase gerieben, bis dieser sich revanchiert. Willi berichtet in „Die Zweierbeziehung“ von einem Paar, bei dem der eine aufsteht, wenn der andere zu Bett geht und das nur noch über Zettel kommuniziert, auf denen steht, was für ein Idiot der andere ist und was er wieder falsch gemacht hat. So sieht das, was man technisch Nähe-Distanz-Konflikt nennt, dann manchmal in der Praxis aus. Absurd und doch in aller Skurrilität und ungeheuer leidvoll, hier ist Psychoterror das Lebensprinzip.