Seit die ARD eine Arbeit darüber in Auftrag gegeben hat, wie sie erfolgreich kommunizieren kann und dies von anderer Stelle veröffentlicht oder durchgestochen wurde, ist der Begriff des Framing in aller Munde. Frame bedeutet Rahmen und Framing meint, einen Rahmen zu setzen, einen, der einem Phänomen eine bestimmte Deutung und Richtung geben soll.
Wichtiger als die Nachricht selber, soll ihre Darbietung sein, neuerdings. Der Tagesspiegel kommentiert:
„Der methodische Ansatz – Selektieren, Strukturieren und Deuten von Begriffen zu einem bestimmten Wirkungszweck – wird von den Manual-Autoren ins „moralische Framing“ übersetzt. Fakten und Details sind da nicht primär, über allem muss die Überzeugung stehen, die Arbeit der ARD sei von moralischen Prinzipien getragen. Damit ist gleich zu Beginn der hohe Ton gesetzt, der sich wie ein strenger Geruch durchs Papier zieht. Und der Ton muss in der Kommunikation durchgehalten werden, von Interview zu Interview, von Debatte zu Debatte, nur die ständige Wiederholung entfaltet Wirkung, kann der „moralische Frame“ eine „realistische Wahrnehmungsalternative“ werden. Ganz wichtig für die Führungskraft: „Nutzen Sie nie, aber auch wirklich nie, den Frame Ihrer Gegner.““[1]
Moral oder Moralismus?
Auf Moral zu setzen, ist ein falscher Frame. Nicht methodisch, sondern begrifflich. Denn es ist nicht Moral, mit der hier gearbeitet oder an die hier appelliert wird, es sind Emotionen. Genauer, Begriffe die ein bestimmtes Gefühl auslösen und durch permanente Wiederholung zu einer Assoziationskette werden soll. Wenn es gebraucht wird, kann auch ein Gefühl des Unbehagens oder Ekels, der Dummheit oder Klugheit, der Freundschaft oder Feindschaft erzeugt werden, über semantische Muster, über Begriffe.
Das funktioniert. Eine Kette von Begriffen, wie: Entspannung, Ausatmen, Freiheit, Weite, Loslassen, Himmel weckt schon beim lesen andere Gefühle als die Begriffe: Stau, Zahnarzt, Fahrstuhl, Intensivstation, Presslufthammer, Menschenmenge. Stellen Sie sich vor, wir stellen einen an sich neutralen Begriff oder Namen in den Kontext der jeweiligen Begriffe. Für ein Wellnessprodukt ist die zweite Assoziationskette komplett ungeeignet.
Man kann im Grunde jede beliebige Kette oder jedes Netz erzeugen, durch geeignete Begriffe: Will man Kompetenz vermitteln, kann man den zu rahmenden Begriff mit Attributen wie: Wissen, Zuverlässigkeit, Erfahrung, Tradition, innovativ, kompetent verbinden. Oder Begriffe, die Zusammenhalt suggerieren: Wir, Kette, unzertrennbar, dauerhaft, gemeinsam, Kraft. Dass dabei auch Begriffe auftauchen können, die konträre Bedeutung haben, wie bei Tradition und innovativ, ist kein Widerspruch, da wir oft in Gegensatzpaare denken, wie wir von semantischen Netzen wissen.
Über diese Assoziationsmuster, so lehrte uns auch Freud, kommt man am Ende immer zu dem Problem eines Patienten. Man muss ihn sich nur ein wenig hinlegen, entspannen und dann reden lassen, durch die freie Assoziation (einfach ungezwungen zu sagen, was einem in den Sinn kommt) kommt jeder Mensch schon von selbst auf seinen zentralen Konflikt zu sprechen, einfach weil manche Assoziationsketten sich in einem bestimmten Menschen immer wieder aufdrängen, sie treten aus den scheinbar willkürlichen Assoziationen immer wieder hervor.
Moral wird in dem Framing Ansatz zum Moralismus gemacht, weil hier bestimmte Begriffe instrumentalisierend benutzt werden, was an sich klassisch unmoralisch ist. Kant mahnt uns: „Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“ Was nichts anderes heißt, als dass man andere niemals instrumentalisieren soll. Das Problem bei dem Framing Ansatz der ARD läge dann darin: Man benutzt im Grunde antiaufklärerische Mittel zur Bildung und Aufklärung.
Alles wissenschaftlich überprüft? Ein ironischer Selbstwiderspruch
Dass Framing überschätzt wird, zeigt sich an mehreren Stellen. „Auf der Ebene des moralischen Framings generieren Botschaften, so zeigt es die empirische Forschung, die größte Überzeugungskraft“[2], so heißt es in dem umstrittenen Framing-Manual. Was auch immer angebliche empirische Studien zeigen oder nicht zeigen, wer in dieser Weise argumentiert, versucht die Wirkung des Framing wissenschaftlich zu belegen und macht die Methode von den Erkenntnissen der Wissenschaft abhängig, deren hohes Renommee sich gerade darin zeigt, dass hier nach Möglichkeit kein Framing verwendet wird. Fakten und die rationalen Argumenten sollen hier entscheiden, also genau das, was die Framing Ansätze in die zweite Reihe verweisen wollen.
Kann man machen, nur sollte das vermeintlich erstklassige Verfahren nicht von dem zweitklassigen abhängig machen. Die Wissenschaft hat nachvollziehbar darzustellen, auf welche Weise etwas wirkt oder funktioniert und nicht „Vitamine“ und „gesund“ einfach nur ständig zu wiederholen.
Das verweist aber auf eine Möglichkeit, die uns Menschen jederzeit zur Verfügung steht. Nämlich sich zurück zu lehnen, tief durchzuatmen und sich die Sache genauer anzuschauen. Bei Daniel Kahneman, der uns zusammen mit Amos Tversky, über die Möglichkeiten des Framings aufgeklärt hat, finden wir diese zweite Variante als langsames Denken beschrieben. Das schnelle Denken, ist die Assoziationsmaschine, sie ist nicht nur schnell, sondern auch Kraft sparend, ruck zuck ist die Welt sortiert und man findet sich alles in allem in ihr zurecht. Das langsame Denken ist anstrengender, aber wir können den Motor durchaus anwerfen und uns die Dinge genauer vornehmen, genau das ist es, was die Wissenschaft oder die Philosophie tut.
Framing wirkt bei Unentschiedenen
Wenn uns eine Sache eigentlich egal ist und wir uns nicht so richtig aufraffen können uns näher damit zu beschäftigen und uns eine dezidierte eigene Meinung zu bilden, dann kann Framing einen durch die Assoziationsketten, -gitter oder -netze in die gewünschte Richtung schubsen. Das kann man sich wie das Modell von Banken und Sparkassen vorstellen, die irgendwann mal spitz gekriegt haben, dass eine Menge an Kleinbeträgen, die bei der Kontobewegung anfallen, etwas ist, gegen das niemand protestiert, aber Kleinvieh macht in der Summe eben auch Mist.
Ungefähr so läuft Framing, immer wieder werden Begriffe im gewünschten Kontext präsentiert, um etwas aufzuwerten oder abzuwerten, interessant oder belanglos erscheinen zu lassen. Das ist nicht der leidenschaftliche Kampf wilder Ideologie, wo es immer um alles geht, sondern emotionales Kleingeld. Hier eine Kette, dort eine Verknüpfung und da wird ein wenig angestoßen. Immer und immer wieder, die Wiederholung macht es. Von Gehirnwäsche ist da schon die Rede. Nur ist es wie bei der Frage, ob wir alle manipuliert sind: Die anderen framen auch.
Es ist ja nicht so, dass die eine Seite diese Technik zur Verfügung hätte und die andere nicht. Jeder versucht seine Frames zu platzieren und allein so relativiert sich das Spiel schon, weil wir nicht einer immer gleichen Lesart ausgesetzt sind, sondern uns im Gegenteil so viele Fakten, Daten, Frames, Deutungen, Untersuchungen um die Ohren fliegen, dass wir uns kaum entscheiden können. Aber genau dazu sind wir immer mehr gezwungen, schon beim überreichlichen Medienkonsum.
Zu diesem Gleichgewicht oder zumindest einer Relativierung der Kräfte kommt eben noch dazu, dass wir auch das langsame, gründliche Denken anschalten können, wenn es um wichtige Fragen im Leben geht. Wenn es uns wichtig ist, tun wir das auch. Sollen wir heiraten? Welchen Job soll ich annehmen, welchem Angebot den Vorrang geben? Wo und wie will ich leben? Welche Versicherungen oder Vorsorgeuntersuchungen sind sinnvoll? Wohin, in den Urlaub? Wir können auch anders, nämlich gründlich.