Ähnlich wie Kinder können auch Erwachsene in sozialen Leistungssituationen wie bei der Prüfung der Intelligenz durch einen IQ-Test nicht immer die hundertprozentige kognitive Leistung zeigen. Welche Anzeichen für Hochbegabung bei Erwachsenen gibt es darüber hinaus, wenn der Intelligenztest mit seinen Aufgaben nicht zwingend und allumfassend als Maßgabe angelegt werden kann?
Anzeichen für Hochbegabung bei Erwachsenen
Die wissenschaftliche Forschung befasst sich seit Jahrzehnten mit der Intelligenz von Menschen. Wie ist Intelligenz zu definieren? Wie gestaltet sich ihre Entwicklung über die Jahre? Welche Formen von Intelligenz gibt es? Dementsprechend existieren viele Studien zur menschlichen Intelligenz. Nachfolgend beziehen sich einige davon auf Verhaltensweisen und Eigenarten, die mit einem hohen IQ in Verbindung gebracht werden können und Anzeichen für eine Hochbegabung bei Erwachsenen sein könnten. Selbstredend besteht kein zwingender Zusammenhang zwischen diesen und einem hohen IQ.
Schwarzer Humor als Zeichen hoher Intelligenz
Eine große Vorliebe für schwarzen Humor und Sarkasmus geht mit hoher verbaler und nonverbaler Intelligenz einher, wie eine Studie der Universität Wien aufzeigen konnte. Demgegenüber scheinen kluge Erwachsene weniger Aggressivität zu besitzen und ebenso weniger in negative Stimmung zu verfallen.
Grübeln heißt Antizipieren
Grübeln, Ängste haben und sich Sorgen machen, ist zwar sehr belastend, muss aber nicht notgedrungen negativ sein. Immerhin läuft man dadurch weniger Gefahr, Risiken einzugehen. Denn Grübeln heißt auch Antizipieren von Zukünftigem. Das Ausloten von Möglichkeiten, um klug zu entscheiden. Doch einen wichtigen Unterschied gibt es dabei offenbar.
Wie Studien zeigen, kann eine höhere Ängstlichkeit unter Umständen mit einem höheren IQ einhergehen. Coplan et al. (2011) fanden, dass eine höhere Ängstlichkeit bei Patienten mit Generalisierter Angststörung mit einem höheren IQ in Verbindung steht. Wohingegen bei gesunden Probanden eine geringere Ängstlichkeit mit einem höheren IQ zusammenhängt.
»In meinem Leben habe ich unvorstellbar viele Katastrophen erlitten. Die meisten davon sind nie eingetreten.«
(Mark Twain, Schriftsteller)
Bezüglich der widersprechenden Ergebnisse zu Ängsten und einem höheren versus niedrigeren IQ könnten Copingmechanismen den Unterschied erklären. Wer im Laufe seines Lebens gelernt hat beziehungsweise von den Eltern vorgelebt bekommen hat, wie mit aufkommenden Ängsten umzugehen ist, beherrscht diese Bewältigungsmechanismen umso besser, je höher die Intelligenz ist. Wer diese Copingmechanismen sich dagegen im Laufe seiner Kindheit nicht durch entsprechende Rollenmodelle aneignen konnte, hat vermutlich mit höherem IQ und dem verstärkten Ausschmücken von Katastrophenszenarien auch stärkere Ängste, da diese ihm gerechtfertigter erscheinen.
Lieber denken!
Alle Sportunwilligen aufgepasst! Die perfekte Ausrede existiert! Es scheint so, als würden intelligente Personen sich lieber geistiger Aktivität widmen, anstatt sich sportlich zu betätigen. Ganz offenbar machen Klügere im Durchschnitt weniger Sport.
Aus demselben Grund scheinen Kluge auch unordentlicher zu sein. Scheinbar wollen sie keine Zeit für »unwichtige« Aufräumarbeiten erübrigen, stattdessen lieber über die Unwägbarkeiten des Lebens sinnieren.
So manches Mal scheint auch, die gemeinsame Zeit mit Freunden auf der Strecke zu bleiben. In Gedanken versunken folgen viele Denker lieber ihren jeweiligen Projekten und Theorien.
Ehrgeiz und Selbstkritik als Zeichen von Hochbegabung
Hochbegabte besitzen einen hohen Ehrgeiz, ihre Ziele zu verfolgen. Dementsprechend werden sie unzufriedener, wenn sie ihren kognitiven Begabungen nicht folgen können. Intelligentere Menschen haben häufig einen Job, der zu ihrer Begabung passt, und vor allem haben sie den Anspruch, ihre Talente auszuloten und einen solchen Job zu finden. Deswegen gibt es zuvor häufig Brüche im beruflichen Lebenslauf sowie eine oder mehrere komplette berufliche Umorientierungen. Die Mühe lohnt sich, denn viele intelligente Menschen sind auf lange Sicht beruflicher erfolgreicher.
Der hohe Anspruch an die berufliche Selbstverwirklichung sowie der mangelnde Wunsch, sich uneingeschränkt Autoritäten unterzuordnen, gehen oft mit beruflicher Selbstständigkeit einher. Insgesamt sind hochbegabte Erwachsene überaus kritisch mit sich selbst und den eigenen Fehlern. Einige von ihnen werden aufgrund dessen als weniger teamfähig angesehen.
Führen Hochbegabte einen Job aus, der ihren Talenten entspricht, empfinden sie diesen Job oft als nicht besonders beziehungsweise nicht wirklich bemerkenswert, wie es andere in ihrem Urteil diesem speziellen Job gegenüber tun würden. Das liegt daran, dass der Hochbegabte sich seiner besonderen Fähigkeiten weniger bewusst ist und diese als weniger außergewöhnlich einschätzt, einfach deshalb, weil er mit diesen für ihn normalen Fähigkeiten bereits geboren wurde und er eine andere Wahrnehmung nicht kennt.
Denker sind offener, aber zurückhaltend
Bereits in der Kindheit zeigen Zwillingsstudien, dass jenes Kind, welches eher Interesse am Lesen zeigt, im Vergleich zum eineiigen Geschwister tatsächlich über einen höheren IQ verfügt.
Diese Offenheit für Neues korreliert auch im späteren Erwachsenenalter mit einer höheren Intelligenz. Klügere Menschen hören, wie es scheint, ihrem Gegenüber besser zu, weil sie sich mehr zurücknehmen, anstatt von sich zu reden. Offenbar ziehen sie es vor, die Erfahrungen anderer für sich still zu überdenken, anstatt ihre eigenen Erfahrungen und Erkenntnisse vor anderen wieder und wieder auszubreiten beziehungsweise gar zur Schau zu stellen. Klugen Menschen haftet eine gewisse Demut an, denn sie wissen, dass ihr Wissen nicht das Ende der Fahnenstange ist.
Denker sind problemlöseorientierter
Einerseits wissen Denker, was sie alles nicht wissen. Andererseits geben sich intelligentere Menschen mit halbherzigen Lösungen weniger zufrieden. Sie hinterfragen mehr und suchen nach zum Teil auch untypischen Lösungen. In ihren oft unkonventionellen Lösungsansätzen sind sie von Natur aus problemlöseorientierter, während andere sich noch in Eventualitäten verstricken.
»Kein Problem kann mit der gleichen Denkweise gelöst werden, mit der es geschaffen wurde.«
(Albert Einstein, Physiker)
Hochbegabung ist vielseitig
Wer hochbegabt ist, ist es meistens nicht nur in einem Teilbereich. Oft gehen mathematisch-analytisches Geschick auch mit einer höheren Sprachbegabung einher.
Kluge sind verträglicher
Meistens scoren intelligentere Menschen auch höher auf Emotionale-Intelligenz-Scores, da sie besser die Perspektive des anderen übernehmen können. Kurzum: Wer klüger ist, bemüht sich auch, stärker emphatisch zu fühlen, weil er wahrnehmungssensitiver ist.
Kluge besitzen außerdem die Überzeugung, dass ihre Verhaltensvariante nicht die einzig richtige ist. In sozialen Situationen zeigen sie sich flexibler und sehen etwaige Meinungsverschiedenheiten nicht als selbstwertbedrohlich an.
»Kluge lernen auch von ihren Feinden.«
(Aristoteles, Philosoph)
Wer klug ist, schläft
Und zwar, wann immer es ihm passt. Vorübergehend und nur ein paar Minuten. Diese sogenannten Power Naps, die man sich gönnt, wenn der Geist eine Pause braucht, werden inzwischen auch in westlichen Gesellschaften salonfähig. Der Schlaf dient der Instandsetzung unseres Gehirns. Nach einer Mütze voll Schlaf sind wir leistungsfähiger. Erste Studienergebnisse lassen vermuten, dass es einen Zusammenhang zwischen schlechterer Schlafqualität und erhöhtem Risiko für Alzheimer geben könnte.
Alle diese aufgezählten Verhaltensweisen und Eigenarten können Anzeichen für Hochbegabung bei Erwachsenen sein. Viel wichtiger jedoch, als eine mögliche diagnostizierte oder nicht diagnostizierte Hochbegabung, ist die grundsätzliche Zufriedenheit mit dem eigenen Leben, das optimale Erspüren und Umsetzen der eigenen Fähigkeiten sowie ein respektvoller Umgang im sozialen Miteinander.
Womit füllst du deine Leere?
Viele Menschen verspüren diese innere Leere in sich. Und jedem Menschen obliegt es selbst, womit er diese innere Leere füllen möchte. Manche werden eine hingebungsvolle Mutter beziehungsweise ein engagierter Vater. Sie lieben es mit ihren Kindern spannende Unternehmungen zu machen, alte Erziehungsmuster aus früheren Generationen zu hinterfragen und für sich als Elternpaar neu auszugestalten. Aufgeschlossene Eltern sind nicht zwingend überengagiert. Oftmals nehmen sie sich auch zurück und beobachten und genießen, wie der Nachwuchs die Welt für sich erkundet und eigene kindlich unbedarfte und deshalb oft kluge Resümees zieht.
Andere lieben es, sich in ihrer Kreativität auszutoben. Diese Menschen scheinen voller Energie zu sein. Schon morgens unmittelbar nach dem Aufstehen begeben sie sich mit einer Kaffeetasse in der Hand in ihr Atelier, um einer künstlerischen Eingebung malerisch Ausdruck zu verleihen. Oder sie buchen ganze Urlaube an der Ostsee, mieten sich in einem Haus ein, um dort schreiben zu können.
Wieder andere gehen in ihrer Karriere auf. Für sie ist es erfüllend, Geschäfte zu machen, etwas aufzubauen und nachhaltig zu erschaffen.
Und manche lieben es, gemeinnützig tätig zu werden, um der Gesellschaft etwas zurückzugeben, ohne zu nehmen. Sie arbeiten in Hilfswerken, engagieren sich für den Umweltschutz oder das Wohl der Tiere.
Hast du all deine Ziele schon gefunden?
Menschen haben unterschiedliche Ziele. Wie im vorangegangen Artikel zur Hochbegabung bei Kindern bereits erwähnt, vertritt unter anderem der deutsche Neurobiologe und Autor Gerald Hüther die Auffassung, dass jedes Kind im Ursprung hochbegabt auf die Welt kommt. Man müsse ihm lediglich erlauben, die Welt spielerisch zu erkunden, anstatt es durch vorgefertigte Denkmuster zu beschneiden. Das heißt nicht, Anarchie walten zu lassen, sondern dem Kind im Denken und Handeln genügend Freiheitsgrade zum Sich selbst und die Welt kennenlernen zu erlauben. Dennoch existiert natürlich eine gewisse Struktur im gemeinschaftlichen Zusammenleben. Hüthers Ansätze haben wenig gemein mit der Laissez-faire- beziehungsweise antiautoritären Nichterziehungsauffassung, bei denen man das Kind mehr oder weniger vollständig „für sich machen lässt“ und in puncto Regulation gar nicht eingreift. Vielmehr sieht Hüther vor, das Bildungssystem zu überarbeiten und den Kindern statt Stress und Leistungsdruck die Freude am Lernen und Entdecken zurückzugeben, damit sie ihre eigene Gesinnung finden können.
Man müsste in den Grundschulen für die Kinder eine Liste mit all den Dingen aufstellen, über die die Wissenschaft keinerlei Aufklärung geben kann.
Simone Weil (1909-1943), französische Philosophin
Wer seine Leerstelle in der Seele noch nicht besetzt hat, der hat nicht nur im Kindes- und Jugendalter die Möglichkeit, sich auf die Suche zu begeben, um diesen „geschenkten, noch freien“ Platz in der Seele zu füllen.