Faschistisches Gedankengut und faschistisches Gefühlsgut
Es ist nicht nur oder vorrangig ein Denken, was die psychologischen Aspekte des Faschismus charakterisiert, sondern vor allem auch ein Fühlen. Ob das Denken nun von überragender Logik geprägt, aber eiskalt, zynisch und unempathisch ist, oder einfach gesagt, irgendein wirrer Mist, der vorne und hinten nicht zusammen passt, ist den Anhängern des Faschismus im Grunde egal.
Ihr Denken ist das einer manchmal so genannten Paläologik, in der die Träger bestimmter Merkmale, alle die gleichen Eigenschaften haben. Wenn ein unfreundlicher Mensch einen Bart und eine Brille hat, sind aufgrund der negativen Erfahrungen mit diesem, alle Bart- und Brillenträger erst mal doof und unten durch. Eine eher kindliche Sichtweise, die normalerweise, wenn man dann nette Menschen kennen lernt, die Bart und Brille tragen, nach und nach relativiert wird, aber wir kennen dieses Denken ein Stück weit aus dem eigenen Leben, wenn wir Menschen mit bestimmten Namen erst mal nicht leiden mögen und wenn wir nachdenken, warum das so ist, oft darauf stoßen, dass wir schlechte Erfahrungen mit jemandem gemacht haben, der so hieß. Wir wissen, es ist Quatsch, was kann der arme Mensch für seinen Namen, dennoch arbeitet es in uns.
Bei Faschisten bleibt das, wird sogar noch gepusht, Differenzierungen kennen sie nicht, also gilt, kennste einen, kennste alle. Angetrieben oder überlagert wird diese Sicht durch ein intensives Misstrauen, resultierend aus dem Grundgefühl, dass alles Menschen im Kern aggressiv und egozentrisch sind und wer was anderes behauptet, ist obendrein noch dämlich oder besonders gerissen. Misstrauen und Feinseligkeit dominieren beim Faschismus, verbunden mit dem elitären Gefühl, dass der anderen es nicht wert ist, sich irgendwie mit ihm abzugeben. Gerechtfertigt wird das durch Erzählungen, die oft von einer Auserwähltheit oder besonderen Nähe zur Natur künden. Die ist halt so, kennt keine Gnade und der Mensch ist ja auch nur ein Stück Natur. Das reicht vielen.
Es ist auch eher das Gefühl, was gesucht wird. Man will oben sein, Gewinner sein, auserwählt sein, selbst wenn man nur im kleinen Kreis dran glaubt, das trägt. Wenn einen die anderen für Spinner halten, schockt das nicht, das kennt man ja, man stand in aller Regel auch vorher draußen und gehörte nicht dazu, damals als ein Niemand, jetzt als einer der zur Elite gehört. Welche Variante würden Sie nehmen?
Was ist das Problem für uns?
Wir wissen auf der einen Seite nicht so ganz genau was Faschismus ist und neuerdings spielen viele mit einer Verschiebung diverser Grenzen. War das nun Faschismus oder nicht? Unsäglich oder einfach eine simple Wahrheit, vor der man die Augen nicht verschließen sollte? Wir wissen oft nicht, wie wir reagieren sollen.
Ein anderes Problem besteht darin, dass vieles am Faschismus irgendwo doch noch nachvollziehbar ist und zu unserer eigenen psychischen Grundausstattung gehört – auch, nicht nur. Wer möchte denn nicht gerne oben stehen (jedenfalls wenn die Alternative ist, ganz unten zu sein), eine gewisse Lust sich zu messen ist uns auch mit gegeben. Das Gefühl Teil einer Schicksalsgemeinschaft zu sein, ist durchaus erhebend und die Abenteuer die man in faschistischen Gruppen erleben kann, sind für manche Jugendliche Bestandteil einer Eventkultur, mit der man sich abgrenzen, rebellieren und provozieren will und wenn man Pech hat und die falschen Freunde trifft, kommt man aus der Nummer nicht mehr raus.
Für einige trifft es genau das Lebensgefühl, das sie zu dieser Zeit haben und einfach tun und lassen zu können, was man will und auf alle anderen zu pfeifen, das ist schon erhebend, gerade wenn die 16 oder 25 Jahre davor nicht gerade die besten waren und durch Gewalt, Willkür und Entwertungen geprägt wurden. Buchstäblich oft zusammengeschlagen, zu einer Einheit von Opfer und Täter, manchmal auch Intensivtäter.
Wer es mit Mythen nicht so hat: Der Rückgriff auf die Natur ist für manche ein bezwingendes Argument, auch für jene, die sich selbst als differenziert, aufgeklärt und wissenschaftlich ansehen. Die Kultur, will man sie noch einmal als Gegensatz denken, in diesem Kontext kann man es, bereitet dem Menschen oft ein Unbehagen und das tut sie deshalb, weil sie den Triebverzicht des Ego als Gegenleistung für Anerkennung und Schutz der Gemeinschaft fordert. Da erscheint manchen die Variante der Natur ursprünglicher, weniger gekünstelt, wahrer, echter und authentischer. Die möchte man sich, oft romantisch verklärt, zum Vorbild nehmen und in gewisser Weise können wir die Erlösung aus der dauernden Verantwortung, die wir im Alltag spüren, öfter mal nachvollziehen.
Auch anderes, was Faschisten mögen, ist uns nicht vollkommen fremd. Die Gefühle der Verschmelzung, der vorübergehenden Einheit sind durchaus herausragende Gefühle, das war eines der frühen Statements. Faschismus ist kein Abgrund zu einer Seite, der an den Klippen der normalen Gesellschaft lauert, viel treffender ist das Bild eines Stegs, manchmal auch nur eines Bretts, von dem man zu beiden Seiten herunter fallen kann. Habermas diagnostiziert bei seiner Rekonstruktion des nachmetaphysischen Denkens, für etwas, was erstmalig im mythischen Zeitalter auftritt:
„Die Angst gleichermaßen vor der identitätsbedrohenden Folgen der Exklusion wie der Überinklusion, dem Zerreißen des sozialen Bandes und der erstickenden Zwangsintegration bildet das Thema weit zurückreichender gattungsgeschichtlicher Erfahrungen, die in rituellen Ausdrucksformen verkapselt sind.“[3]
Auf die richtige Mischung von Nähe und Distanz kommt es an. Oft ist sie in modernen Zeiten zu weit geworden, vieles erscheint zu technisch, zu kühl, zu funktionalistisch. Lieber in einer Schicksalsgemeinschaft zusammen untergehen, als allein in dem kühlen Moloch zu funktionieren, das ist die Botschaft auch einiger Faschisten, das macht den ewigen Kampf als Motiv, und andere Formen des Extremismus überhaupt attraktiv.
Das Regelwerk, was hier vermutet wird, das man sich bewähren kann und muss, dass einer für den anderen einsteht, dass man gemeinsam siegt oder untergeht, dieses Element ist im Fasachismus mit Sicherheit heroisiert und idealisiert, aber es ist schwer, es einfach ersatzlos zu streichen, offenbar scheint es eine gewisse Konstante zu sein, die eine Sicht auf die psychologischen Aspekte des Faschismus nicht ignorieren kann.
Wir bieten zudem an Verschmelzungs-, Grenz- und Einheitserfahrungen Interessierten so gut wie gar keine alternativen Angebote mehr an. Sehr viel scheint entwertet, Geld mutiert zum letzten und einzigen Wert, die Männer werden verstärkt zu merkwürdigen Hanseln zurecht gestutzt, oft zu unrecht und übers Ziel hinaus.
Was ist das Problem des Faschismus?
Der Faschismus hat letztlich kein Ziel, es geht immer so weiter, die Version der ewig sich wiederholenden Geschichte von der Entscheidungsschlacht die gerade jetzt bevorsteht, ist irgendwann mal auserzählt. Nicht jeder, der den Faschismus in einer gewissen Phase des Sturms und Drang attraktiv fand, denkt 10 Jahre danach noch immer so. Aus manchen Organisationen kann man austreten, ein faschistischer Staat hat kein Rückfahrticket.
Selbst der Krieg nötigt zu einer gewissen Entwicklung. Man muss logistisch immer mehr dazu lernen, in ausgedehnten Feldzügen müssen die Kämpfer versorgt werden, gefangene Gegner braucht man zur Kooperation. In früheren Zeiten war man da oft wenig zimperlich, wer nicht kooperierte, den brachte man kurzerhand um, die anderen wurden versklavt, später wurde der Zwang oft gelockert. Die Kooperation brauchte auf beiden Seiten eine gewisse Verlässlichkeit, Vertrauen, es wuchsen selbst daraus Beziehungen, es wuchs in gewissen Graden vertrauen.
Echte Faschisten können das nicht, das ist nicht ihre Welt, in dieser geht der Kampf immer nur weiter. Faschistische Konzepte sind langfristig nicht erfolgreich. Es braucht keinen flammenden Appell an die Menschlichkeit, die geht Vollblutfaschisten ab, ebenso wie jenen, die aus Dummheit Faschisten sind. Dauernde Aggression ist auf lange Sicht einfach nicht erfolgreich, das besagen alle Modelle, seien sie spieltheoretischer oder anderer Art, nur wenn der eigene Untergang tatsächlich als Höhepunkt interpretiert wird – immerhin, das gibt es – ist Faschismus als Lebensmodell eine Option, ansonsten ist man Gewinner auf Abruf.
Traurig genug, dass vielen das dennoch reicht. Der Wunsch nach Einheit und Verschmelzung ist ein sehr legitimer Wunsch von Menschen, den Habermas mit dem Begriff des ‚Außeralltäglichen‘ belegt hat. Es sind die besonderen Momente im Leben, die wir so dringend brauchen, die uns motivieren ins Hamsterrad zurück zu kehren. Weil es auch den Weg heraus gibt, das grundsätzlich andere. Verschmelzung und Einheitserfahrungen sind super, manchen reicht, was sie im Stadion erfahren können, aber nicht allen.
Der Fehler des Faschismus liegt in der Idee, die Einheit regressiv herstellen zu wollen. Einheit ist auch dann hergestellt, wenn man alles zerstört, kurz und klein gekloppt und dem Erdboden gleich gemacht hat. Dann hat keiner mehr, was man selbst nicht hat, man kriegt zwar nichts Konstruktives hin, konnte aber alles was die anderen aufbauten zerstören. Ein kurzer Triumpf, der einigen dennoch wichtig ist.
Dabei hätte die andere Richtung sehr viel mehr zu bieten, inklusive Einheitserfahrungen. Die Mystik steht am anderen Ende des Spektrums und kann bestehen lassen, was ist und dennoch Einheiten vom dem, was angeblich getrennt ist, ins Bewusstsein bringen. Das passt nicht gut in unsere naturalistisch gefärbte Zeit, aber diese Erfahrungen gibt es immer wieder. Auch die Mystiker sagen, dass alles eins ist und sie sagen es, weil sie es erlebt haben und obendrein müssen sie dazu nichts zerstören. Nicht mal das Ich. Es wird eigentlich nur immer weiter ausgedehnt, wird immer luzider.
Der normale Narzisst will, dass die anderen genau so werden, wie er. Regressivere Formen des Narzissmus, die mit deutlich mehr Aggressionen angefüllt sind, wollen nicht mehr, dass die anderen werden, wie man selbst ist, sondern wollen, dass die anderen nie wieder haben sollen, was man selbst nicht haben kann. Neid, der in Hass umschlägt. Was die Welt der Lauwarmen dann doch parat hat, ist nicht unbedingt ihre Routine, sondern es sind Erfahrungen von verlässlichen und stabilen Beziehungen. Das ist es, was Faschisten sich nicht als real existierend vorstellen können.
Die Idee, dass alle Menschen im Kern schlecht, durchtrieben und aggressive Egoisten sind, ist der nächste Fehler. Die psychologischen Aspekte des Faschismus lassen erkennen, warum Menschen bisweilen so empfinden müssen. Faschisten begehen hier einen Fehler, den man verstehen kann, wenn man nie die Chance hatte anderes kennen zu lernen und der Wiederholungszwang einen weiter durchs Leben peitscht. Doch was man an der Intensität der Schicksalsgemeinschaft schätzt, wird, wenn man es schafft dem faschistischen Denken und Empfinden zu entkommen, aufgewogen, durch die größere Breite und Tiefe der Beziehungen, die möglich sind, wenn man das grundsätzliche Misstrauen überwinden konnte. Dann öffnen sich neue Horizonte, aus Scham und Neid, erwächst die Fähigkeit zur Schuld, die nur die Ouvertüre und zu komplexeren Beziehungen und völlig neuen Eindrücken sind. Der Hass, die chronifizierte Form der Wut, löst sich allmählich in Luft auf, das Erlebnis, dass es so etwas wie Vertrauen tatsächlich als reale Option im Leben gibt, wirkt irgendwann genauso selbst verstärkend und progressiv, wie sein regressives Gegenteil.
Es gibt die Möglichkeit zu kontrollierten, ritualisierten Gipfel- und Einheitserfahrungen, die man in die Gesellschaft integrieren kann und die dann auch von dieser anerkannt werden sollten, da sie eben auch über andere Wege herzustellen sind, als über die Zerstörung von allem, was man als unerreichbar empfindet.
Quellen:
- [1] Otto F. Kernberg, Ideologie Konflikt und Führung, Klett-Cotta 1998, S. 297f
- [2] Jürgen Habermas, Auch eine Geschichte der Philosophie: Band 1: Die okzidentale Konstellation von Glauben und Wissen, Suhrkamp 2019, S. 209
- [3] Jürgen Habermas, Auch eine Geschichte der Philosophie: Band 1: Die okzidentale Konstellation von Glauben und Wissen, Suhrkamp 2019, S. 260f