Fragt man Menschen, was sie sich für ihre persönliche Weiterentwicklung wünschen, dann antworten nicht wenige: Selbstbewusstsein. Sie würden gern mit mehr Selbstsicherheit im Job auftreten oder sich in ihrer Beziehung besser vom Partner abgrenzen können. Sie mögen gern weniger eifersüchtig sein, weniger Ängste und Selbstzweifel haben oder sich ganz einfach generell nicht mehr so minderwertig fühlen. Doch wie schafft man es, dass man Selbstvertrauen aufbauen kann? Vergeblich hat man sich zeitlebens bemüht, aber offenbar haben viele von uns das falsche Werkzeug zur Hand. Wir haben vier einfache Schritte erarbeitet, die man jederzeit im Kopf abrufen kann und welche die Stärkung des Selbstbewusstseins anstoßen. Diese Schritte sind vermutlich anders, als man erwarten könnte, und vielleicht könnten sie gerade deshalb das richtige Werkzeug sein.
6.200 Gedanken pro Tag
Studien zeigen, dass ein normaler Mensch durchschnittlich um die 6.200 Gedanken pro Tag hat. Manche Artikel im Netz berufen sich auf eine Häufigkeit von bis zu 60.000 Gedanken pro Tag. So oder so klingt es ganz schön viel, wenn man bedenkt, was tagtäglich über unsere Datenautobahnen flitzt. Erschreckend wirkt umso mehr, dass nur etwa 3 % dieser Gedanken im Durchschnitt wirklich positiver Natur sein sollen. Die meisten Menschen scheinen sich selbst demnach nur zu einem verschwindend geringen Anteil mit selbststärkenden und aufbauenden Gedanken zu stützen. Alle anderen Gedanken sollen eher auf wiederkehrende Ängste und Sorgen zurückzuführen sein und basieren allein auf einer negativen Grundeinstellung. Negative Gedanken können unser Vorankommen im Leben sowie das Aufbauen des Selbstvertrauens hemmen und blockieren und – so sie wiederholend sind – sogar das Risiko für Alzheimer erhöhen.
Das Gehirn als Computer
In der Psychologie wird häufig das Gleichnis von einem Gehirn mit der Funktionsweise eines Computers herangezogen. Dieser Computer wird mit bestimmten Daten gespeist und kann auch nur im Rahmen dieser Daten mentale Modelle oder Verhaltensweisen generieren. Das heißt nicht, dass er nicht durch bestimmte Schlussfolgerungen einen Mehrwert generiert. Aber auch dieses Darüber hinaus wird sich nur innerhalb eines bestimmten Rahmens bewegen. Wir wissen das ziemlich genau. Wenn seit der Kindheit unser Computer(gehirn) mit Selbst- und Fremdannahmen gespeist wurde, die uns suggerieren, nicht gut genug zu sein, werden wir nicht plötzlich aus dem Nichts Selbstvertrauen aufbauen können.
Folglich müssen wir uns umprogrammieren, indem wir uns auf das Positive fokussieren. Dieser Prozess wird uns auf Dauer hoffentlich zufriedener und selbstbewusster machen.
Leistungsgesellschaft bewertet Defizite
Wenn ich schreibe, dass unser Gehirn häufig seit der Kindheit mit negativen Annahmen über uns selbst gefüttert wurde, dann meine ich damit nicht zwangsläufig eventuelle emotionale Defizite im Elternhaus, sondern ich meine auch unsere schulische Laufbahn, den Umgang mit Gleichaltrigen etc.
Einige Beispiele für negativ eingespeiste Erfahrungen im Verlauf des Lebens wären zum Beispiel:
- Eltern, die ihre Ängste/Defizite auf die Kinder projizieren, anstatt die Kinder in ihrer Identitätsentwicklung und -annahme zu stärken
- schulische Leistungsbewertung mit dem Fokus auf Fehler und Nichtkönnen, anstatt den Fokus auf die Fähigkeiten und das Erreichte zu legen; dabei ist durch Studien gut untermauert, dass Menschen keinen Lernzuwachs durch eine Fehlerrückmeldung haben
- gesellschaftlich geprägte Rollenmodelle hinsichtlich der eigenen Selbstwirksamkeitserwartung: Studien zeigen, dass Mädchen Erfolge eher auf den Zufall und äußere Umstände projizieren, hingegen Misserfolge auf das eigene Nichtkönnen; Jungen demgegenüber projizieren Erfolge eher auf ihre Fähigkeiten und geben Misserfolgen externe Schuldzuschreibungen
- partnerschaftliche Liebe, welche eher schwächt als bestärkt; einige Studien zeigen, dass Singles durchaus selbstbestimmter und produktiver sind
Vier Schritte für Selbstvertrauen aufbauen
Irgendwo müssen wir folglich ansetzen, wenn wir unser Selbstvertrauen aufbauen wollen. Wir haben keinen Einfluss auf die gesellschaftlichen Prägungen, auch keinen Einfluss mehr auf unsere Kindheit, schon gar nicht auf unsere Partner oder den Chef. Uns bleibt also nichts anderes übrig, als bei uns selbst anzusetzen. Wie können wir dabei vorgehen?
1. Bleibe gedanklich immer bei dir.
Der erste Punkt nimmt eben genau auf den mangelnden Einfluss unsererseits auf andere Menschen Bezug. Wir können andere Menschen nicht beeinflussen oder verändern – und sollten dies auch nicht tun. Versuche demnach, den anderen nicht zu verändern, zu kontrollieren oder manipulieren. Denn du kannst niemanden verändern, aber dein Verhalten ihm gegenüber.
Du solltest auch nicht permanent im Kopf des anderen zu Hause sein. Was könnte er von dir denken? Welche Theorien hat er in Bezug auf euch? Wie verläuft sein Leben ohne dich? Das alles spielt keine Rolle. Das wirst du sowieso nie vollständig erfahren können. Selbst wenn ihr miteinander sprecht, wirst du dieses Mehr dahinter niemals zur Gänze wissen können. Also versuche es erst gar nicht und bleibe gedanklich bei dir. Was möchtest du? Was denkst du? Wie verhält sich die Situation für dich? Welche Vor- und Nachteile entstehen dir? Das Verhalten eines anderen wirst du nicht beeinflussen können, aber je mehr du dich auf dich konzentrierst, desto authentischer kannst du darauf reagieren.
2. Nur für heute.
Egal welche Gedanken und Gefühle uns plagen: die Gefühle, die Verzweiflung, das Katastrophisieren, das Aushalten – das alles vergeht. Wir können und sollten unsere Gefühle registrieren und auch ergründen, woher diese stammen. Wir sollten sie fühlen, indem wir beispielsweise weinen oder uns bei einem guten Freund aussprechen, doch dann sollten wir diese Gefühle loslassen. Den meisten von uns fällt es schwer, unser Verhalten nicht von den Gefühlen bestimmen zu lassen, aber es ist nun einmal nicht ratsam, impulsiv zu reagieren. Denn es ist niemals so schlimm, wie du es im Vorhinein antizipierst. Am nächsten Morgen sieht die Situation schon anders aus. Dieser Punkt meint jedoch nicht, dass man alle Gefühle beliebig aushalten soll, ohne etwas an seiner Situation zu ändern. Zeichnet sich fernab der Impulsivität eine Richtung ab – etwas oder jemand, der uns negativ behandelt und Unwohlsein generiert –, werden wir über kurz oder lang reagieren (müssen). Freundlich, ruhig und konsequent.
3. Die drei Gs: Geduld, Geduld, Geduld.
Wenn du gedanklich dicht bei dir bleibst und nicht darüber spekulierst, was andere von dir halten, wirst du automatisch den Fokus mehr auf dich richten und mehr Selbstvertrauen aufbauen. Weil du dich nämlich unabhängig von anderen machst. Aber erwarte bitte nicht, dass du trotz deiner Erkenntnisse von heute auf morgen alles ändern kannst. Das braucht Wochen, Monate – Geduld. Ein toskanisches Sprichwort besagt, dass die Olive nicht schneller reift, nur weil man daran zupft. Also erlaube dir zu reifen.
Akzeptiere Fehler, die du machst, oder Zeiten, in denen dein Selbstvertrauen dich in einen Irrtum führt, und schenke dir weiterhin Vertrauen. Gehe unbeirrbar weiter.
4. Suche Dir Gleichgesinnte.
Resilienzforscher sehen als einen Punkt für mehr seelische Widerstandskraft an, dass man über vertrauensvolle positive soziale Kontakte verfügt. In der heutigen Social-Media-Gesellschaft haben viele von uns eher oberflächliche Kontakte. Wer einen guten Freund/gute Freundin hat, kann sich glücklich schätzen. Wer im Laufe seinen Lebens Freundschaften aus den Augen verloren hat, der sollte sich um Kontakte mit Gleichgesinnten bemühen. Selbsthilfegruppen sind gute Anlaufstellen, um Menschen zu finden, die ähnlich ticken (z. B. Selbsthilfe bei CoDA, wenn man zu emotionaler Abhängigkeit in Beziehungen neigt).
Speise deinen Computer mit neuen Daten und warte, bis sich die Algorithmen umgestellt haben. Sei nachsichtig und friedvoll mit dir in deinen Gedanken, dann wirst du mehr Selbstvertrauen aufbauen können.