Viele Frauen schwärmen von der Sexualität mit einem narzisstisch motivierten Mann. Er weiß, die Frauen zu verführen, so heißt es, und der Sex soll überwältigend sein. Doch das anfängliche Märchen, welches durch die narzisstischen On-Off-Phasen sukzessive wiederbelebt werden kann, schwindet immer mehr aufgrund der speziellen Eigenarten, welche für die narzisstische Sexualität oft bezeichnend sind. In einer länger andauernden Beziehung mit einem Narzissten treten an die Stelle der märchenhaften Sexualität nicht selten die Untergrabung des Selbstwertes der Frau und das Münden in den Vorwurf der weiblichen Frigidität. Doch was passiert in der Zwischenzeit? Schauen wir uns an, wie es vom sexuellen Hochgefühl in die sexuelle Degradierung gehen kann.
Dass diese Form des sexuellen Zusammenspiels sich häufiger auf die Konstellation eines narzisstischen Mannes und seiner Partnerin bezieht, heißt jedoch nicht, dass es nicht auch mit umgekehrter »Rollenverteilung« bzw. unabhängig vom Geschlecht beider Partner stattfinden kann. Ungeachtet dessen beziehen wir uns in diesem Artikel auf die Sexualität eines narzisstischen Mannes.
Narzisstische Sexualität als Frage des Selbstwertes
Viele Psychologen vertreten die Ansicht, dass Menschen mit einer narzisstischen Grundstruktur eine doppelte Selbstwertregulation haben, welche zumeist mit einem Nähe-Distanz-Konflikt, der Abwertung des Gegenübers sowie gleichermaßen mit einem höheren Schamgefühl einhergeht. Der Psychologe Keith Campbell und seine Kollegen kamen in ihrer Studienzusammenschau zum narzisstischen Gameplay in der Liebe zu dem Schluss, dass ein hoher Selbstwert mit einer leidenschaftlichen, romantischen Liebe in Zusammenhang steht, wohingegen ein niedriger Selbstwert eher mit einer manischen, überspannten und getriebenen Liebe in Verbindung gebracht werden kann.
Charakteristik narzisstischer Sexualität
Narzisstische Sexualität bei Männern ist im wesentlichen durch folgende Aspekte charakterisiert:
Mangelnde Bereitschaft zur Empathie
Viele narzisstisch motivierte Charaktere besitzen eine mangelnde Bereitschaft – oder Fähigkeit – sich auf die Partnerin einzulassen. Nicht selten hat man sogar im Bett das Gefühl, nicht vollends mit dem anderen verbunden zu sein bzw. nicht wirklich an ihn herankommen zu können.
Umtriebigkeit und mangelndes Commitment
Narzisstische Charaktere gehen häufiger fremd, wie Studien zeigen. Manche von ihnen besitzen einen ganzen »Harem« in der Hinterhand. So sehr Narzissten Schwierigkeiten im reinen sexuellen Ablauf haben können, so schnell springen sie jedoch auf sexuelle Reize an. Die von Natur aus mangelnde Verbundenheit mit der Partnerin führt dazu, dass sie sich durchaus schneller und mit weniger schlechtem Gewissen auf eine neue Frau einlassen können.
Bedürfnis nach Bewunderung
Die Eigenständigkeit der Partnerin wird vom narzisstischen Mann anfangs als sehr anziehend erlebt. Wenn eine solch starke Frau ihnen Aufmerksamkeit schenkt, befriedigt dies den Wunsch nach Bewunderung bei narzisstischen Männern. Sie präsentieren sich als einzigartiger Liebhaber. Auch deshalb ist der narzisstische Sex anfangs so überwältigend, um nicht zu sagen auf Wolke-7-Niveau.
Bedürfnis nach Macht und Autonomie
Aus Studien weiß man jedoch, dass narzisstische Menschen die Eigenständigkeit des Partners und dessen Bedürfnisse über kurz oder lang als eher lästig erleben. Der Psychiater Gerhard Dammann und die Psychologin Benigna Gerisch bringen in ihrer Übersichtsarbeit zum Ausdruck, dass narzisstische Personen die Partner in ihrer Selbstständigkeit nicht wahrnehmen beziehungsweise deren Eigenständigkeit als nicht verstehbar und eben lästig empfinden. Narzisstische Personen sind leicht verletzlich, weil sie sich selbst auf der Suche nach Liebe, Unterstützung, Anerkennung und Bewunderung erleben. Wohingegen sie ihr Gegenüber als eher kritisierend, kontrollierend und einengend empfinden.
Genau das sind unter anderem die Punkte, warum es im Laufe der Beziehung mehr und mehr kriseln kann und sich diese Einfärbung durchaus auch auf die Sexualität übertragen kann. Denn sobald narzisstische Männer sich immer häufiger zurückgewiesen fühlen, nehmen sie daraufhin auch häufiger Kränkungen an der Partnerin vor. Selbstverständlich ist ein solches ich-zentriertes und ablehnendes Verhalten der Leichtigkeit im Bett nicht zuträglich.
Nähe-Distanz-Konflikt zeigt sich in narzisstischer Sexualität
Das so typische Heranziehen und Wegstoßen bei narzisstischen Menschen im Umgang mit dem Partner spiegelt sich auch in der Sexualität wider. Dementsprechend kann es nach partnerschaftlichen Off-Phasen zu einem sexuellen Hoch kommen, welches im Laufe der Beziehung schnell wieder abebben kann. Für die meisten narzisstischen Charaktere ist kaum eine emotional tiefergehende Sexualität möglich, welche durch Intimität und ein vertrauensvolles Miteinander gekennzeichnet wäre.
Sex wirkt mechanisch und pornografisch
Nicht selten haben Partnerinnen von narzisstischen Männern das Gefühl, der sexuelle Akt würde einem festgelegten Programm folgen. Zumeist wirkt er recht mechanisch und scheint durch einen gewissen körperlichen Abstand geprägt zu sein. Einige Narzissten scheinen Probleme mit Hautkontakt zu haben. Der Sex scheint nicht selten eine pornografische Einfärbung zu besitzen, was ihn nicht zuletzt auch so andersartig macht.
Sexuelle Dysfunktionen als Ausdruck der narzisstischen Sexualität?
Sexuelle Dysfunktionen treten selbstverständlich nicht nur bei narzisstischen Männern auf, können sich in dieser Gruppe aber durchaus häufen. So sind beispielsweise eine verzögerte Ejakulation oder Erektionsstörungen möglich. Nicht wenige narzisstische Charaktere schaffen es nur beim Onanieren zu kommen. Sie onanieren geradezu exzessiv oder haben beim Geschlechtsverkehr Schwierigkeiten der »Aufrechterhaltung«. So manche machen dafür die »langweilige Frau« und ihre Unfähigkeit zur sexuellen »Akrobatik« verantwortlich. Umfragen zeigen, dass viele Partnerinnen von Narzissten das Gefühl haben, ihre (zärtlichen) Berührungen würden den Mann wenig sexuell stimulieren.
Abwertung vorm Orgasmus?
Partnerinnen narzisstischer Männer berichten, dass diese sie gern beim Sex dominieren und speziell kurz vor dem Orgasmus in gewisser Weise abwerten müssen. Sei es, dass sie abwertende Bezeichnungen vornehmen oder besser zum Orgasmus kommen können, wenn sie die Frau »von hinten« nehmen. Betont sei an dieser Stelle noch einmal, dass diese Verhaltensweisen nicht zwingend oder ausschließlich in Zusammenhang mit einem narzisstischen Charakter auftreten müssen.
Weitere Charakteristiken narzisstischer Sexualität beschreiben wir im zweiten Teil unserer Reihe: Narzissmus und Sexualität zwischen Kontrolle und Grenzübertritt – Sexualität des Narzissten (2).