Vorteile und Nachteile

Hier geht es irgendwie nicht weiter, egal, wie man das Bild dreht. © Giuseppe Bognanni under cc

Man mag über die simple Verkürzung der verschlungenen Pfade des Unbewussten spotten, aber immerhin bringen all diese Ansätze den Impuls mit, dass man sein Schicksal zu einem guten Teil auch selbst in der Hand hat.

Denn das alleinige Recht auf Übertreibungen hat diese Fraktion keinesfalls für sich gepachtet, auch die ideologisch andere Seite neigt dazu, wenn sie jeden Menschen als ein Opfer des Systems identifiziert, egal ob des neoliberalen, des politischen, des gesellschaftlichen oder des familiären.

Ist die Grundaussage der einen Übertreibung: Egal worum es geht, ob Liebe, Gesundheit, soziales Ansehen, Arbeit und Reichtum, es liegt einzig und allein daran, ob du auch heftig genug willst, so lautet die der anderen Heißgelaufenen: Egal worum es geht, ob Liebe, Gesundheit, soziales Ansehen, Arbeit und Reichtum, es gibt einen der überhaupt nichts dafür kann und das bist du selbst.

Wir ahnen, dass die Wahrheit auch hier in der Mitte liegt, aber man hat als Mensch die Freiheit auch die extreme Perspektive einzunehmen, Risiken und Nebenwirkung inklusive. Die von der Variante ‚Der eiserne Wille zählt‘ ist, dass man sich zwar kurzfristig erhaben und mächtig – und selbstwirksam, wie es heute heißt – fühlt, aber es doch immer wieder Situationen gibt, an denen man sich den Kopf stößt, egal wie sehr und trotzig man will. Auf der anderen Seite ist die notorische Opferperspektive eine de facto Selbstentmachtung und immer muss jemand da sein, der einem die Matratze trägt, auf der man liegt.

Aber es ist schon so, dass selbst die komplexesten Erklärungen zwar dafür sorgen, dass man Dinge erkennen und verstehen lernt, die über das Niveau der Umprogrammierung hinaus gehen, den Schritt gehen, muss man allerdings selbst. Das verweigern dann viele, gerade auch die Intelligenten Strategiespieler und Kontrollfreaks, denen die Sache zu heiß wird, weil sie im Grübelzwang oder als Katastrophisierer meinen jeden Zug voraussehen zu müssen und zudem daran glauben, dass ein Zug im Spiel des Lebens nicht zurückgenommen werden kann. Was sie nicht wissen, ist, dass man das Leben durchaus aus Strategiespiel verstehen kann, aber eben nicht muss.

Es ist nicht ohne Ironie, dass ausgerechnet jene, denen man die simpelsten Erklärungsmuster unterstellt, am Ende jenes Vertrauen spenden können, was man braucht, um Selbstvertrauen zu gewinnen. Eine Prise von ‚Das Schicksal ist auf deiner Seite‘ reicht zumeist. Der kleine Schritt, den man gehen muss, der aber unendlich schwer sein kann, kann vor sich selbst als ganz große Sache verkauft werden. Das Heroische mag albern wirken, aber es wirkt, die permanente Selbstentmachtung allerdings auch.

Manuela Branz hat in einem sehr starken Artikel auf die Folgen dieser einseitigen Ideologie hingewiesen: Der blinde Fleck der neuen Akademikerklasse.

Schuster, bleib bei deinen Leisten

Es ist diese im Kern resignative bis depressive Grundstimmung, die auch Frau Branz beschreibt und viele blockiert. Sie illustriert, wie wir uns selbst den Weg versperren. Die familiären Hürden, die in dem Umgang mit Problemen offenbar werden, die gesellschaftlichen Zuschreibungen, mit denen man auf Menschen mit geringer Bildung, unpassender Kleidung, abweichendem Konsumverhalten abwertend reagiert und die institutionellen Zumutungen, an die wir uns viel zu schnell gewöhnt haben, werden internalisiert und vermischen sich zu einem Selbstbild was zu Depressionen oder virtuosen Formen der Selbstsabotage führen kann.

Einfach geasgt, wenn niemand einem etwas zutraut und selbst Erfolge noch kleingeredet werden, ist das nicht gut. Einige mobilisieren allen Reststolz, schalten auf ein Winner/Loser-Weltbild um, blenden die Möglichkeit Verlierer oder ‚Opfer‘ zu sein, für sich aus und setzten alles auf ein Größenselbst, das dann beständig gefüttert werden muss. Der Preis ist, dass man seine Herkunft verleugnet und manchmal auch verachtet und damit die eigenen Wurzeln. So wie man – das Unbewusste ist eben etwas komplexer – sich selbst verachtet und sich ständig durch die Entwertung anderer von der eigenen Großartigkeit überzeugen muss und das über weite Strecken sogar schaffen kann.

Gelegentliche Einbrüche der Nichtswürdigkeit inklusive, aber auch die vergehen oft wieder. Man kann sich nahezu beliebig selbst überhöhen, aber den Kopf stößt man sich letzten Endes daran, dass man es nicht im Griff hat, wie die anderen eine sehen.

Wenn wir den Braten jedoch noch mal wenden, kann es einem aber auf der anderen Seite gelingen in glücklichen Winkeln als Sonderling oder Exzentriker zu leben und ganz einfach zu einem guten Teil drauf zu pfeifen, was die anderen von einem denken. Möglich ist das aber nur, wenn es einem wirklich egal ist – nicht, wenn man so tut, als ob es einem egal sei – und das erkennt man daran, dass man es nicht mehr nötig hat, die anderen zu entwerten. Exzentriker sind dann glücklich, wenn sie anderen nichts vorschreiben, sich aber auch nichts vorschreiben lassen.

Rollenspiele, als-ob und um-zu

Zu den Möglichkeiten, durch die wir uns selbst den Weg versperren gehört aber nicht nur den angebotenen Rollen und Erwartungen nicht zu entsprechen, sondern auch, aus ihnen nicht wieder hinaus zu finden. Es gibt Rollen auf verschiedenen Organisationsniveaus der Psyche, im allgemeinsten Sinne legt eine Rolle und ihre Erwartungen uns auf bestimmte Handlungen und Denkweisen fest. Einerseits ist das strukturierend, andererseits entfremdet es uns ein wenig von uns selbst.

Dass wir Rollen erfüllen ist in gewissem Umfang nicht schlimm, solange die Individualität im Hintergrund durchschimmert und persönliche Konturen erkennbar bleiben. Geht man ganz in der Rolle auf und folgt auf eine die nächste, schimmert jedoch nichts mehr durch. Man ist ein reiner Rollenspieler und hat noch nicht zu sich gefunden, was manchmal als inauthentisch bezeichnet wird, aber man darf nicht verkennen, dass manche Menschen tatsächlich so sind und es für sie eine konstante Überforderung bedeuten würde ein Ich zu errichten, was jenseits der Rollen läge. Eine Ich-Schwäche im Hintergrund.

Manche Rollenbilder sind jedoch sehr festgefahren. Wenn ein Mann eine Partnerin fürs Leben möchte, ist das relativ klar und einsichtig, aber statt den direkten Weg zu gehen und sich eine Partnerin zu suchen, haben manche die fixe Idee, sie müssten erst ein entsprechendes Bankkonto haben oder ein tolles Auto, sonst müsste das scheitern, das würden die Frauen erwarten. Manche schon, andere nicht, vor allem spielen andere Komponenten noch ein Rolle, durchaus persönlichere als der Wagen und wohl auch die Angst ansonsten nicht genug zu bieten zu haben.

Hier sind Rollenstereotype mit Glaubenssätzen verbunden und eine Lösung, um sich nicht selbst im Weg zu stehen liegt darin, die Rollenbilder und Glaubenssätze zu hinterfragen. Um in der Folge einen direkteren Weg auf das Ziel zuzugehen, was man im Auge hat.

Anders leben, besser leben

Natürlich kann man auch die Ziele noch einmal hinterfragen. Ist das wirklich mein Ziel? Will ich das? Die Antwort kann durchaus ja lauten und wenn das so ist, ist es gut, direkte Wege zu gehen und wann immer man meint, das ginge nicht oder sei irgendwie nicht erlaubt oder schicke sich nicht, weiter zu fragen, wie man eigentlich selbst auf diese Idee kommt.

Oft sind es stille Verbote mit denen wir uns selbst den Weg versperren und die wir zu unseren Überzeugungen gemacht haben. Es ist gut, Überzeugungen zu haben, aber man sollte immer wieder mal prüfen, ob man sie noch unterschreiben kann. Wer sagt das? Mit welcher Begründung? Gilt das heute noch so, wie damals? Nicht mit Feuer zu spielen und die Finger von Steckdosen zu lassen ist für Kinder gut und wichtig, aber Erwachsene können damit umgehen.

Was erwarte ich eigentlich von mir, vom Leben? Was muss passieren, damit mein Leben gut, gelungen und glücklich verläuft? Oder einfach besser als in den letzten Jahren. Gerade in Zeiten der Krise kann man sich das immer wieder mal fragen.