Die Trennung von einem Narzissten beginnt im Kopf, wie der erste Teil der Artikelreihe aufgemacht hat: Wie löse ich mich von einem Narzissten? – Befreiung aus toxischer Partnerschaft (1). Mit jeder Einstellungs- und Verhaltensänderung ändert sich auch das Gleichgewicht in einer toxischen Partnerschaft, damit man emotional von einem Narzissten loskommen kann. Gerade wenn keine Gefahr im Verzug ist, etwa weil keine physischen Übergriffe erfolgen, kann die Trennung von einem Narzissten sehr langwierig sein.
Emotionaler Missbrauch erscheint oft weniger eindeutig
Für viele PartnerInnen von Narzissten scheint es nahezu unvorstellbar, die Trennung einzuleiten. Sie wünschen es sich – und dennoch bleiben sie im gewohnten Umfeld. Bei häuslicher Gewalt im Sinne von körperlichen oder sexuellen Übergriffen ist die Sachlage im Grunde nicht diskutabel. Hier ist der Weg nach außen anzuraten und die externe Unterstützung durch polizeiliche Anzeigen bis hin zu sozialen Beratungs- und Anlaufstellen kann genutzt werden. Bei einem emotionalen Missbrauch hingegen, der die körperliche Integrität oberflächlich betrachtet wahrt, aber sich zum Beispiel in Form von unterschwelligen Drohungen, Bloßstellungen, Beleidigungen und Manipulationen äußert, stehen viele PartnerInnen von Narzissten häufig verunsichert dar. Schließlich zeigt sich der narzisstische Mensch zwischendrin immer wieder fürsorglich und versichert dir, nur das Beste für dich zu wollen. Vielleicht hat er ja recht und man ist wirklich nur zu sensibel und nimmt seine Anspielungen allzu ernst? Mit solchen Gedanken trägst du dich herum. Sie sollten in einer aufrichtigen und liebevollen Partnerschaft eigentlich nicht nötig sein.
Sich dem Druck gegenüber abgrenzen
Seitens des toxischen Partners wird ein enormer emotionaler Druck ausgeübt. Bewusst oder unbewusst spüren die PartnerInnen von Narzissten Angst: Könnten die verbalen Übergriffe zu physischen Attacken werden? Nicht nur deswegen muss auch die emotionale Gewalt zur häuslichen Gewalt gezählt werden. Nicht zuletzt gibt es häufiger in toxischen Partnerschaften eine Gewaltspirale, bei der die verbalen Verletzungen mit der Zeit zu körperlichen Übergriffen werden können.
Damit du emotional von einem Narzissten loskommen kannst, solltest du der Manipulation und dem Infiltrieren des Narzissten Schritt für Schritt entgegenwirken. Zum Schutz deiner Gedankenwelt grenzt du dich ihm gegenüber stärker ab. Zur Unterstützung deiner emotionalen Unabhängigkeit von ihm baust du dir sukzessive dein eigenes Leben auf. Los gehts!
Wie du emotional von einem Narzissten loskommen wirst
Die nachfolgenden Aspekte schildern dir, wie du geistig und emotional von einem Narzissten loskommen kannst. Folgende Ansichten und Verhaltensweisen stellen sich dabei oft ein:
Du lässt dich weniger auf sein Drama ein
In einer toxischen Beziehung gibt es einen Hauptdarsteller, deinen narzisstischen Partner, und einen Statisten, dich. Das Leben wird zu einem Drama mit emotionalen Auf und Abs, die dich als PartnerIn von einem Narzissten gehörig in Schach halten. Überall wittert er Feinde. Alle wollen ihm was Schlechtes. Der Narzisst befindet sich chronisch im Nachteil – nach seiner Meinung. Dass diese dramatischen Ansichten über das Leben von dem Narzissten hausgemacht sind, bemerkst du erst, wenn du dich emotional von ihm löst. Im Prozess des Loslassens geschieht nun folgendes:
- Die narzisstischen Dramen und Manipulationstaktiken bemerkst du immer früher. Mehr und mehr wirkt das Verhalten deines Partners für dich wie ein Theaterstück, dem du mit einem gewissen Abstand zuschaust.
- Du spürst, dass das Verhalten des Narzissten stets darauf abzielt, ihn in einem guten Licht dastehen zu lassen – du möchtest nun nicht mehr länger der Erfüllungsgehilfe sein, der ihm ständig positiv zuspricht.
- Sukzessive schenkst du deinen eigenen Gedanken und Verhaltensweisen Raum, indem du in dich hinein hörst.
Du verdrängst sein Verhalten nicht mehr
In einer Beziehung mit einem Narzissten entwickeln viele PartnerInnen nahezu ein stoisches Gemüt wie ein Schaukelpferd. Sie lassen sich von dem dominanten Beziehungspart kognitiv bearbeiten, hören schon gar nicht mehr richtig zu, bemerken kaum noch die inneren Verletzungen, die ihnen zugefügt werden. Kurzum: PartnerInnen von Narzissten haben gelernt zu verdrängen und gedanklich abzuschalten. Andernfalls könnten sie den Schmerz der emotionalen Übergriffe, die sie tagtäglich ereilen, gar nicht mehr aushalten. Im Prozess des Loslassens geschieht nun folgendes:
- Nach einer unterschwelligen Drohung oder Abwertung von ihm denkst du nicht mehr: Was soll es, ist doch gar nicht so schlimm. Stattdessen behältst du diese No-Go-Momente/Sätze im Hinterkopf. Notiere sie gegebenenfalls.
- Früher oder später sorgen diese verletzenden Aussagen von ihm dafür, dass es für dich kein Zurück in eine Beziehung mehr gibt. Unabhängig davon, wie positiv dazwischen die Gespräche in eurer Beziehung verlaufen werden. Deine Zeichen stehen auf Go!
- Dir wird bewusst, dass er es nicht schafft, dir das Selbstverständlichste auf der Welt entgegenzubringen: Respekt.
Du etablierst neue Gewohnheiten nur für dich
In einer toxischen Beziehung gibt der defensive Part sein Leben auf. Die Distanzierung zu den eigenen Freunden ist erfolgt, man hat keine eigenen Hobbys mehr – dein Mikrokosmos dreht sich ausschließlich um den Narzissten. Im Prozess des Loslassens geschieht nun folgendes:
- Stück für Stück praktizierst du neue Gewohnheiten und bringst neue Bausteine in deinem Leben ein. Diese geben dir mehr Stabilität und Stärke.
- Du erfährst für dich, dass du die neuen Gewohnheiten regelmäßig praktizieren musst. Sie sorgen für eine Unterfütterung deines Weges in die Unabhängigkeit und stärken dein Ich.
- Durch den Kontakt mit anderen Menschen (Freunden, Selbsthilfegruppe etc.) und mit dir selbst (Yoga, lesen etc.) bemerkst du, dass die emotionalen Dramen des Narzissten im Grunde nicht der Norm entsprechen. Du spürst den Unterschied, wie ruhig du dich fühlst, sobald du mit dir allein oder mit anderen wohlwollenden Menschen bist.
- Du suchst immer öfter deine ruhigere emotionale Baseline. Dadurch ruhst du mehr und mehr in dir und lässt dich von seinen Dramen nicht mehr emotional catchen.
- Du investiert in soziale Beziehungen, die für deinen Selbstwert wertvoll sind und deine Zuwendung verdient haben. Beispielsweise siehst du deine Kinder mit einem emotional tieferen Blick. Oder du beginnst, Freundschaften wieder mehr zu pflegen.
Du bleibst im Kopf bei dir
PartnerInnen von Narzissten werden zu regelrechten Erklär-Bären. Stets müssen sie sich rechtfertigen, weil ihnen immerzu unterstellt wird, nicht loyal zu sein, sich falsch verhalten zu haben oder nicht genügen zu können. Stets müssen sie dem Narzissten ihre Liebe beweisen, da er sich nicht ausreichend geliebt fühlt. Ein Großteil unserer kognitiven Kapazitäten geht an solche Spekulationen über ihn und Gespräche mit ihm verloren, weil dir als liebender Mensch selbstverständlich wichtig ist, was er von dir hält. Also bemühst du dich um ihn.
Dein Verhalten unabhängig von seiner Bewertung machen
Wenn du dich dazu entschließt, emotional von einem Narzissten loskommen zu wollen, hast du meistens schon innerlich resigniert. Du beginnst zu verstehen, dass der Narzisst seine Ansichten beibehält, unabhängig davon, was du sagst oder tust. Dein Verhalten hat überhaupt keinen Einfluss auf seine Gedanken und sein Benehmen. Er ist es, der so oder so auf seinen Vorteil bedacht ist, sich als Opfer darstellt und in den Mittelpunkt rückt. Du spielst in den jeweiligen Szenarien überhaupt keine Rolle. Dir schwant, dass du dich von ihm loslösen musst. Andernfalls wirst du dein souveränes Ich gänzlich auflösen. Im Prozess des Loslassens geschieht nun folgendes:
- Du verstehst, dass du ihn mit deinen Erklärungen nicht erreichen kannst, da er bei seinen Ansichten bleibt, selbst wenn er zunächst eine Einsicht vorgibt.
- Immer seltener bemühst du dich, ihm deine Sicht der Dinge zu schildern. Womöglich praktizierst du es ein oder zweimal, danach lässt du es gut sein. Kurzum: Dir wird egaler, was er von dir denkt und hält.
- Du spekulierst nicht mehr über ihn, seine möglichen Gedanken, sein Leben, was er tun könnte oder die Auswirkungen auf die Partnerschaft. Immer häufiger bleibst du im Kopf bei dir, deiner Meinung, deinem Wohlbefinden und deinem eigenen Leben. Notfalls baust du einen Gedankenstopp ein, damit du nicht mehr kognitiv um ihn kreist, und lenkst dich ab.
- Du begreifst, dass dein Verhalten gänzlich unabhängig davon ist, was er tut. Er macht sowieso, was er möchte, und schiebt dir die Schuld dafür zu (quasi: Du bist schuld, wenn er fremdgeht). Weil diese Abhängigkeit dich kaputt macht, entziehst du dich ihr immer stärker, denn du musst dich schützen.
Die Befreiung aus einer toxischen Partnerschaft erfolgt oft schrittweise
Indem du deine Gedanken und Verhaltensweisen änderst, kannst du emotional von einem Narzissten loskommen. Sobald du dich gedanklich nicht mehr mit ihm befasst, dich nicht mehr damit beschäftigst, was er denkt oder macht, wirst du unabhängiger. Du zwingst dich im Kopf bei dir und deinem Leben zu bleiben und konzentrierst dich in deinem Denken und Handeln auf dich. Diese kognitive und lebenstechnische Ablösung zu praktizieren ist schwer. Aber sie ist ein notwendiger Schritt auf deinem Weg der Befreiung aus einer toxischen Partnerschaft. Im Zuge der Ablösung auf kognitiver und Verhaltensebene wird die emotionale Ablösung folgen: deine Gefühle schwinden. Du verstehst, dass deine Liebe zwar eine ehrliche ist, aber von seiner Seite nicht erwidert werden kann. Egal, wie oft er dir seine Liebe beteuert, er kann mit deiner Zuneigung nicht verantwortungsvoll umgehen. Und nur das zählt!
Um emotional von einem Narzissten loskommen zu können, musst du an den Punkt gelangen, an dem du dir so viel wert bist, dass die Nichtberücksichtigung deiner Bedürfnisse und der mangelnde Respekt dir gegenüber als Gründe dafür ausreichen, sich zu lösen. Selbst wenn du die Trennung vielleicht noch nicht hundertprozentig schaffst, die Richtung steht bereits fest. Und das spürst du in deinem Inneren. Baue auf deine emotionale Stärke und begebe dich in deinem ganz eigenen Tempo auf deinen Weg!