Angst in Zeiten von Corona
In der Pandemie grassieren im wesentlichen fünf Ängste.
Die Angst vor Corona selbst. Je nach dem wie alt oder krank man ist, eine sehr nachvollziehbare Furcht.
Zum anderen, die Sorge um die berufliche Existenz. Sehr viele Branchen leiden gerade erheblich und auch das ist nachvollziehbar, wenn das, was man für die Rente zurück gelegt hat, schon aufgebraucht ist und keine geschäftliche Besserung in Sicht.
Da ist die Angst andere anzustecken. Das ist erst mal normal und an sich gut, weil es zeigt, dass man sich um andere sorgt, aber es kann auch übertrieben werden und es kann die Sorge dominieren, man selbst würde verantwortlich gemacht oder sei ohnehin immer schuldig. Auch wenn die Angst überzogen sein kann, das quälende Gefühl ist real.
Außerdem die Angst der Kinder, deren Leben manchmal völlig aus der Bahn geworfen ist und die einfach ihre Freunde und gewohnte Struktur wieder erleben wollen. Doppelt tragisch, weil die Eltern ihnen oft gut helfen könnten, aber oft sich die auch am Anschlag und Kinder merken das häufig und wollen ihren Eltern nicht zur Last fallen.
Man muss gar nichts besonders tun, um den Kindern zu helfen, nicht mal stark sein. Entspannen Sie sich, könnte man auch hier sagen. Es ist oft gut, auch die Sorgen, Trauer, Angst und Wut die man als Eltern hat anzusprechen und mit den Kindern zu teilen und dennoch einen positiven Ausblick geben, dass wir immer zusammenhalten werden, egal was passiert und der ganze Spuk irgendwann vorbei sein wird.
Zuletzt, die Angst derer, die sich wenig oder gar nicht vor Corona fürchten, aber vor den Maßnahmen dagegen oder diese mindestens für unverhältnismäßig halten. Die wollen uns Angst machen. Die wollen uns die Freiheit nehmen. Auch diese Ängste werden, wo sie echt sind und kein politisches Spiel, real erlebt.
An der Stelle würde ich in besonderer Weise sagen, dass man sich keine Angst machen lassen sollte. Vorsichtig sollte man sein, zu ängstlich nicht. Die Freiheit kann einem kaum genommen werden. Die Willensfreiheit schon mal gar nicht, die Handlungsfreiheit schon. Wenn der Ruf nach Freiheit mehr als ein Slogan ist – wenn man immer genau das gerne machen möchte, was gerade, oft durchaus nachvollziehbar, nicht erlaubt oder eingeschränkt ist, klingt das eher nach Trotz – ist er wichtig. Er klingt nur zu oft seltsam schrill, weil er mitunter vom Menschen kommt, die Freiheit und Willkür nicht trennen können oder seltsam inkonsequent sind, wenn sie dann auf facebook den Verlust ihrer Freiheit beklagen.
Doch die Angst ist hier das Thema und da helfen Entspannungsverfahren ganz wunderbar. Man lernt dabei noch etwas dazu und erlebt sich nicht länger wahllos ausgeliefert.
Die seltsame Ohnmachtskoalition und wie man sie dreht
Dass es auch einen Narzissmus der Ohnmacht gibt, hatten wir schon in einem Beitrag dargestellt. Diese Menschen erhalten regelmäßig Beistand von jenen, die da sagen: Da wird den Leuten immer suggeriert, sie seien selbst Schuld. Das oft dann, wenn man Menschen, die sich hilflos und als Opfer fühlen, sagt, dass es Wege gibt, wie man ihnen helfen kann.
Ein oft fieses, nahezu bösartiges Argument. Da diejenigen die es benutzen und gar nicht so selten abspulen, ohne groß drüber nachzudenken, eben genau das tun, nicht groß drüber nachdenken, muss man Nachsicht walten lassen, aber einige wissen, was sie da tun. Abgrenzen möchte ich mich von zwei Seiten. Zum einen von denen, die selbst oft etwas unbedarft, tatsächlich Menschen, die es im Leben schwer erwischt hat, die Schuld dafür andichten möchten.
Ein ganz anderer Punkt ist jedoch, ihnen nicht die Schuld zu geben, aber die Verantwortung für ihr Leben, nach und nach zu übergeben. Warum auch ein echtes Opfer im Leben den Täter in sich finden sollte, dass haben wir hier ausführlich erklärt. Doch das gilt nicht nur für schwere Fälle, sondern allgemein, über Ängste hinaus, aber auch bei diesen. Echte Ursachen oder Projektionen? Egal, die Lösungen sind die gleichen. Ich möchte mich deutlich von denen abgrenzen, die leugnen, dass das hilft, denn das tut es.
Darum ist es gut, schnell eigenen Regeln zu finden und zu interpretieren. Das ist gerade keine Willkür, sondern bedeutet Verantwortung und diese ist die andere Seite der Freiheit. Je ernster man das nimmt, umso besser klappt es. Sie haben es in der Hand, auch Reste von Angst zu behalten. Warum man so etwas Verrücktes überhaupt wollen sollte? Wenn Symptome immer auch ein unbewusstes Machtmittel sind und wenn irgendein Symptom ein Schutz davor ist, etwas nicht tun zu müssen, dann ist diese Einsicht zwar in der Lage, dass man zu sich steht und offensiv einfordert, was mein Symptom bislang ‚dummerweise‘ verhinderte, aber vielleicht bringt man den Mut (noch) nicht auf. Dann ist es nicht schlecht zu hören, dass man einen Teil seiner Symptome ja auch behalten kann, um sich seine Welt so zu gestalten, wie es einem gut tut.
Man hält ja in letzter Konsequenz ohnehin selbst den Kopf dafür hin. Tricks aller Art sind okay, weil man sie ja selbst bezahlt. Wer sich an seine eigenen Regeln nicht hält, schadet direkt ja niemandem, aber sich. Warum überhaupt Regeln? Weil Sie Struktur geben. Struktur ist Ich-Stärke, ist Sicherheit, ist im guten Fall noch Ziel, Sinn und Glück.
In dem Buch Sprunginnovationen, von Rafael Laguna de la Vera und Thomas Ramge wird gewissermaßen von der anderen Seite des Flusses berichtet, über Menschen, die mit großer Zähigkeit, einer guten Portion Besessenheit, einem unerschütterlichen Glauben an sich und ihre Idee eben dieser nachgehen, was zuweilen etwas skurrile Züge hat. Doch diese Menschen, die wirklich etwas in der Welt verändern, waren schon früh von einem Thema eingenommen und die wissen nicht nur genau, wofür sie leben. Wenn man sie fragt, wie sie sich nur so in ein Thema reinhängen können, verstehen sie oft die Frage gar nicht. Es fühlt sich für sie einfach falsch an, es nicht zu tun. Ihr Charakter ist zwischen Genie und Exzentriker und auch diese sind oft vollkommen mit dem Leben ausgesöhnt, wenn sie sich ihrem Thema widmen können.[2]
Sind Sie ein bisschen bekloppt? Super, pflegen Sie es, das ist ein sicherer Weg zum Glück. Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen, heißt nicht unbedingt brav und angepasst zu sein, sondern fremde Ziele herunter zu dimmen und sein eigenes Ding zu finden, es können auch mehrere parallel oder nach einander sein. Aber ein Gespür für das, was man will zu finden, ist sehr gut.
Übernehmen Sie Verantwortung für Ihr Leben: Sie haben Sie sowieso
Aber eher im Sinne von, Sie sind sich verpflichtet, darum geht es und dann ist auch die Angst ein großartiger Lehrmeister, wenn Sie mit ihr in einen Dialog kommen. Wie breit das Arsenal der Entspannungstechniken ist, sei hier kurz illustriert. Bei Wiki lesen wir:
„Kalsarikännit … ist eine aus Finnland stammende Entspannungstechnik. Das finnische Wort „kalsarikännit“ bedeutet übersetzt so viel wie „sich in Unterhosen daheim alleine betrinken“.“[3]
Die Palette der Möglichkeiten der Spannungsreduktion ist breit, inklusive diverser Arten der sexuellen Befriedigung oder sich eben in Unterhosen daheim alleine zu betrinken. Wobei Letzteres konkret aber vor allem auch übertragen gemeint sein kann. Es geht einfach darum, sich einen Zeitraum zu nehmen, den man ganz für sich hat, sich aus allen Verpflichtungen heraus zieht und in dieser Zeit nur sich selbst gegenüber verantwortlich ist.
Nicht damit man zum Egoisten mutiert, sondern, damit man wirklich mal aus dem Hamsterrad raus kommt und sich nicht noch Entspannungsstress macht, weil man auch da noch eine Liste meint abarbeiten zu müssen.
Leben heißt im Dialog mit der Welt sein. Manche mit Menschen, manche mit Tieren, für einige ist die Begegnung mit Pflanzen ein wunderbarer Einstieg und spirituelle Disziplinen sehen uns ohnehin oft mit allem verbunden. Man kann das Band zum Kosmos gar nicht kappen und noch die seltsamsten Tätigkeiten von Sonderlingen können diese zu glücklichen Menschen machen, die ganz im Moment sind. Angst reißt einen aus dem Moment, mit der bangen Frage, was kommen wird. Kommt man wieder in den Moment, ist nicht nur die Angst weg.
Darum ist es gut, das zu finden, was man wirklich gerne macht, denn dabei kommt man in den Moment. Wir finden ein immer breiteres Arsenal an therapeutischen und außertherapeutischen Möglichkeiten, um Menschen zu helfen. Und immer mehr Einsicht, wie diese kombiniert werden können. Das muss man betonen, weil das Vorurteil in den Köpfen, dass bestimmte psychische Erkrankungen immer die Diagnose lebenslänglich haben, fest in vielen Köpfen sitzt.
Otto Kernberg hat sich ein ganzes, viele Jahrzehnte andauerndes Berufsleben mit vielen dieser Krankheiten beschäftigt. Er kommt, durch Forschungen gestützt zu dem Ergebnis, dass viele Krankheiten, die als unerreichbar galten sogar geheilt werden können, nicht nur gelindert. Die Prognose der narzisstischen Persönlichkeitsstörung sei mit jedem Lebensjahrzehnt besser, bei Borderline-Störungen, die mit intensiven Form der Angst geplagt sind, ist die Quote so, dass ungefähr zwei Drittel aller Borderline Patienten nach einer guten Therapie geheilt sind.[4] Es sind eher Denkblockaden, die hier im Weg stehen.
Doch auch die bildgebenden Verfahren bestätigen den Optimismus (lesen Sie dazu gerne diesen Artikel) und jeder vertraut eben anderen Ansätzen. Eine schöne Koalition, die am Ende zu individualisierten Angeboten führen wird. Eine Indiviudualisierung, die keine Vereinzelung ist, sondern durch die man sich kennen lernt, weiß, wer man ist, was man will, eigenverantwortlich und selbstwirksam seinen Teil zum Ganzen beitragen kann und gerade so den bewusst erlebten Kontakt zur Um- und Mitwelt pflegen kann.
Seinen Platz im Leben gefunden zu haben und hier wirken zu dürfen, ist eine der nachhaltigsten Formen der Entspannung. Das unter Entspannungsverfahren oder -technik laufn zu lassen, kommt mir allerdings begrifflich ziemlich unangemessen vor. Nehmen Sie Ihren Platz ein, sogar die Angst kann dabei hefen und dann: Entspannen Sie sich!
Quellen:
- [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Entspannungsverfahren#Wirkungen
- [2] vgl. das Kapitel III Die Besessenen, in: Rafael Laguna de la Vera und Thomas Ramge, Sprunginnovationen, Econ 2021
- [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Kalsarik%C3%A4nnit
- [4] Manfred Lütz, Was hilft Psychotherapie, Herr Kernberg?, Herder 2020, S.35