Manche von uns bewerkstelligen scheinbar mühelos ihr Leben. Andere wiederum neigen dazu, bei jedem Problem aus der Haut zu fahren und sich selbst unter Druck zu setzen. Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen liegt in ihrer Resilienz, also in ihrer seelischen Widerstandskraft. Bis zu dreißig Prozent der Europäer leiden an stressbedingten psychischen Erkrankungen. Falls du zu denen gehörst, die sich fragen: »Wie kann man besser mit Stress umgehen?«, dann könnte dieser Artikel etwas für dich sein.
Psychologische Studien zeigen, dass man Resilienz durchaus erlernen kann – ein Leben lang. Welche Punkte tragen zur Verbesserung der Resilienz bei? Ein bekanntes Resilienzmodell ist das der sieben Säulen. Jede einzelne Säule kann die persönliche Resilienz stärken, alle zusammen ergeben ein standsicheres Gebilde. Arbeitet man an allen Punkten, wird die individuelle seelische Widerstandskraft wachsen können und der Umgang mit den Problemen des Lebens erleichtert werden. Besser noch, viele Probleme werden zukünftig womöglich gar nicht mehr als solche wahrgenommen.
Resilienz: Glaubenssätze und Verhalten
Resilienz bezeichnet die Ressourcen und Verhaltensweisen eines Menschen, die er im Umgang mit den hohen Anforderungen in bestimmten Lebensphasen aktivieren kann. Eine hohe Resilienz stärkt die seelische und letztendlich auch die körperliche Gesundheit. Menschen, die eine gute Resilienz aufweisen, erholen sich schneller nach belastenden Situationen und Krisen und gehen gestärkt aus diesen hervor. Resilienz bezieht sich dabei nicht nur auf das Verinnerlichen bestimmter Annahmen über sich selbst und das Leben, sondern sie beinhaltet auch, was ein Mensch aktiv unternimmt, wenn er sich mit einer belastenden Herausforderung konfrontiert sieht. Resiliente Menschen schauen realistisch auf kritische Situationen und finden selbst an einer scheinbar ausweglosen Lage noch etwas Positives. Auf die Art können sie besser mit Stress umgehen.
Kann ich Resilienz erlernen?
In einem Literaturreview prospektiver Studien zur Resilienz konnte die Forschergruppe um die Gesundheitswissenschaftlerin Jutta Lindert zeigen, dass Resilienz im Laufe eines Lebens in allen Altersgruppen veränderbar ist und unterschiedliche Einflussfaktoren vorliegen.
Die amerikanische Psychologin Emmy Werner startete in den Fünfziger Jahren eine Langzeitstudie bei hawaiianischen Kindern. In der Kauai-Studie wurden die Probanden vierzig Jahre lang in regelmäßigen Abständen untersucht. Dreißig Prozent der insgesamt 700 Kinder wuchsen in schwierigen Verhältnissen auf. Beispielsweise kamen sie aus eher ärmlichen Verhältnissen oder sie hatten Eltern, die psychisch krank waren beziehungsweise über die Maßen häufig stritten. Wie sich zeigte, wurden aus vielen der Kinder aus den problembehafteten Familien dennoch widerstandsfähige Erwachsene, die ihr Leben positiv und zugewandt bewältigten. Ein Faktor für eine gute Resilienz trotz einer verhältnismäßig desolaten Ausgangslage im Elternhaus in der Kindheit war bei diesen Kindern eine gute Bindung zu einer sozialen Bezugsperson, der sie vertrauen konnten. Ein weiterer Grund für die höhere Resilienz der Kinder war, dass sie schon verhältnismäßig früh Verantwortung übernehmen mussten. Sie waren sozusagen gefordert, mussten sich erproben im Leben und konnten daran wachsen.
Tipps, um beim Kind Resilienz zu stärken
Die Diplom-Psychologin und Paartherapeutin Ursula Nuber betont drei Aspekte, die von Nutzen sein könnten, um die seelische Widerstandskraft bei Kindern zu stärken, damit sie in ihrem Leben besser mit Stress umgehen können.
- Ursula Nuber rät den Eltern, ein Kind zu loben, wenn es etwas geschafft hat, indem man zum Beispiel sagt: »Deine Zeichnung ist sehr gelungen.« Auf die Weise wird sich ein Kind seiner Selbstwirksamkeit bewusst. Es bemerkt, dass es etwas schaffen kann. Aber: Ein Kind muss sich auch insgesamt angenommen fühlen. Es darf nicht das Gefühl bekommen, nur dann geliebt zu werden, wenn es Leistung gezeigt hat.
- Des Weiteren begünstigt die Resilienzentwicklung bei Kindern gemäß Ursula Nuber, wenn man den Kindern beibringt, dass es stets mehrere Sichtweisen bei jeder Situation gibt. Jeder Mensch hat seine eigene Wahrnehmung und seine eigenen Betrachtungen. Es gibt keine absoluten Maßstäbe für das Leben. Dank solcher Glaubenssätze lernen die Kinder unter anderem, die Gegebenheiten mehr zu relativieren. Das könnte dazu führen, dass sie später weniger katastrophisieren, quasi bei Problemen nicht den Teufel an die Wand malen, sondern bestimmte Dinge gelassener angehen und neue Lösungswege finden. Eine höhere Flexibilität im Umgang mit dem Leben ist die Folge. Vieles ist relativ; vieles ist halb so wild.
- Als dritten Punkt werden die sozialen Kontakte im Kindesalter betont. Es ist gut, wenn die Kinder lernen, soziale Anbindungen zu erarbeiten und pflegen zu können. Ein gutes soziales Netz sorgt für ein Aufgefangen werden, wenn es gerade nicht so gut läuft im Leben. Außerdem: Ein emotional warmes Elternhaus mit einer sicheren Bindung an die Bezugspersonen und einer geregelten Struktur trägt ebenfalls zur Stärkung des Selbstbewusstseins und zur Förderung der Resilienz bei, wie die Bielefelder Invulnerabilitätsstudie verdeutlicht.
Geduld, um besser mit Stress umgehen zu können
Der Professor für Bildgebung des menschlichen Gehirns und Gründungsmitglied des »Leibniz Instituts für Resilienz« Raffael Kalisch bezieht sich in seinem Buch Der resiliente Mensch darauf, dass Resilienz ein Bewertungsstil ist, den man umlernen kann. Allerdings geschieht das Umlernen nicht mal eben so. Gedanken, Emotionen, Verhaltensansätze und Glaubenssätze, die sich im Laufe der Kindheit jahrelang eingeschliffen haben, brauchen ähnlich wie bei einer Psychotherapie eine Zeit lang, bis man sie verändern und als neue Kognitionen und Verhaltensalternativen verinnerlichen kann.
Resilienz fördern: Grübeln ade!
Den Erwachsenen, die besser mit Stress umgehen wollen, rät die Psychologin Ursula Nuber, das Grübeln sein zu lassen. Grübeln ist kein konstruktives Nachdenken, es führt zu keinem Ergebnis. Dennoch kreiseln die Gedanken bei vielen ständig um ein und dieselbe Sache. Grübeln schadet dem Selbstwert und lenkt außerdem die Gedanken in düstere Bahnen. Das raubt nicht nur rein faktisch kognitive Kapazitäten, die dann nicht mehr zur Problemlösung zur Verfügung stehen. Es zerrt außerdem auch an dem eigenen seelischen Wohlbefinden, da pessimistisches Denken nicht motiviert, sondern schwächt. Man nimmt sich als hilfloser und als Opfer der Umstände wahr.
Achtsamkeit zur Stärkung der Resilienz
Die Achtsamkeit steht dafür, gedanklich vollends im Hier und Jetzt zu sein. Viele Menschen hängen mit ihrem Denken beispielsweise an vergangenen Erfahrungen und Traumata fest. Andere wiederum beschäftigen sich ängstlich mit der Zukunft, sie antizipieren alle möglichen Szenarien, machen die unterschiedlichsten Pläne und sorgen sich. Wer eine hohe Achtsamkeit hat, tut weder das eine noch das andere häufig. Stattdessen bleiben achtsame Menschen in der gegenwärtigen Situation, machen sich keine unnötigen Gedanken und gehen Tag für Tag ihre Schritte für ein Vorankommen auf ihrem Lebensweg.
Wirksamkeit von Achtsamkeitstraining
In der Studie der Forschergruppe um Dr. Nina Pauls von der Universität Freiburg wurde ein Online-Achtsamkeitstraining bei 72 Berufstätigen durchgeführt. Ein Vorher-Nachher-Erhebungsplan zeigte auf, dass das Achtsamkeitstraining, welches ein Ansatzpunkt zur Förderung von resilientem Verhalten sein kann, eine gute Wirksamkeit hatte. Die empfundene emotionale Erschöpfung verringerte sich nach dem Training in der Trainingsgruppe merklich.
Auf der Homepage des BMBF-Verbundprojekts Resilire – Altersübergreifendes Resilienz-Management kann man einen Fragebogen zur persönlichen Resilienz im Arbeitsleben beantworten und die Auswertung der Ergebnisse zur individuellen Resilienz erhalten. Außerdem finden sich dort nähere Informationen zu den webbasierten Trainings zur Stärkung der Resilienz. Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt.
Besser mit Stress umgehen: Der tägliche Umgang
Jeder Tag, jede Herausforderung bringt einen Menschen seinem Ziel ein Stück näher. Bei jeder Herausforderung kann man sich in Achtsamkeit fragen: Wie kann ich an der Aufgabe/der Herausforderung/dem Problem wachsen? Wird es mich stärker machen und meine Ängste reduzieren, wenn ich alles bewältigt habe? In den meisten Fällen lassen sich beide Fragen mit einem Ja beantworten. Sodann konzentriert man sich auf seine täglichen Aufgaben, geht seine Schritte zur Lösung anstehender Herausforderungen und vergisst bitte auch nicht, das Leben zu genießen. ;)
Für konkrete Ansatzpunkte im Denken und Handeln, um besser mit Stress umgehen zu können, eignet sich das bereits angesprochene Modell der sieben Säulen der Resilienz. Im nächsten Artikel gehen wir im Einzelnen auf die sieben Säulen zur Stärkung der seelischen Widerstandskraft ein: Wie wird man stressresistenter? – Sieben Säulen der Resilienz (2).