Besondere Menschen können, müssen aber keine Berühmtheiten sein. Sie prägen oder verändern jedoch oft unser Leben.
Doch was ist es eigentlich, das ihre Besonderheit ausmacht, was uns auf sie aufmerksam werden lässt? Berühmtheit ist sicher ein Faktor, aber reicht allein die Berühmtheit? Dass wir es mit berühmten Menschen zu tun haben, verändert auch uns, durch unseren Blick auf sie.
Wenn wir mal zufällig einem Promi begegnen, sind wir erstaunt, ihn oder sie im normalen Alltag zu sehen und zweifeln vielleicht erst: ‚Ist das nicht …? Ja tatsächlich.‘ Dann schauen wir genauer hin, darauf, was er oder sie macht, was eingekauft oder im Restaurant gegessen wird, wie er oder sie sich so verhält. Das würden wir mit irgendwem, der einfach zwei Tisch weiter sitzt oder kurz nach uns den Supermarkt betreten hat, nie tun. Bei Promis ist das anders, wir schenken ihnen unsere heimliche Aufmerksamkeit.
Das gewisse Etwas
Das passiert selten, würde es öfter passieren, wäre es nichts Besonderes mehr und zu einem Teil liegt die Besonderheit darin, dass wir uns diesen Menschen gegenüber automatisch anders verhalten. Manche erweisen sich dabei als ganz normal, andere enttäuschen uns und doch gibt es auch welche, die irgendwie eine besondere Aura umgibt.
Diese Menschen gelten oft als Charismatiker. Charisma wird immer wieder untersucht, man findet Hinweise, wie die Gabe gut zuzuhören, sich auf andere einzustellen, sich unter Kontrolle zu haben, freundlich zu sein, sich gut ausdrücken zu können und seine Emotionen mimisch ausdrücken zu können. Irgendwie kommt einem das richtig vor, würden wir nicht alle irgendeinen nuschelnden Griesgram kennen, der dennoch charismatisch ist, obwohl der kaum ein oder keines der obigen Attribute an sich, aber doch das gewisse Etwas hat.
Dazu kommt, dass besondere Menschen gar nicht unbedingt charismatisch sein müssen, um dieses gewisse Etwas zu haben, was oft gespürt wird, aber nie so richtig in Worten gefasst werden kann. Zudem kann, das abschließend zum Charisma, auch der dämonische Mensch eine gehörige Portion Charisma haben. Sie wirken faszinierend, manchmal einschüchternd, aber zumindest in diesen Fällen nicht wirklich freundlich.
Statistisch sind solche Phänomene oft nicht zu fassen, ein wenig wie beim Superheiler:
„Als er den Einfluss des Arztverhaltens auf die Wirkung von Scheinbehandlungen untersuchte, bestätigte er zunächst den bekannten Befund: Je ausführlicher sich die Ärzte mit dem Patienten befassten, indem sie etwa länger mit ihnen redeten, verständnisvoll nickten oder sie freundlich am Arm fassten, umso besser war die Placebowirkung. Allerdings gab es da auch die „Superheiler“. Diese Ärzte erzielten selbst dann, wenn sie ihre Patienten schnell und wortkarg abfertigten, mehr Wirkung als ihre Kollegen, die alle Register zogen. „Worin die Qualität dieser ‚Superheiler‘ liegt, wissen wir leider nicht“, räumt Kaptchuk ein. Nicht einmal Videoanalysen förderten deren Geheimnis zutage, und auch die Ärzte selbst vermochten nicht genau zu sagen, worauf ihre heilsame Wirkung zurückzuführen wäre.“[1]
Superheiler sind fraglos auch besondere Menschen.
Ärztin, Lehrerin, Professor an der Uni, all diese Menschen haben vielleicht eine Binnenwirkung, man kennt sie im Umfeld der Institution, aber sie würden nicht auf der Straße erkannt werden. Doch irgendwo sind auch sie immer noch privilegiert, stehen zumindest eine Zeit lang in asymmetrischen Verhältnissen zu ihren Mitmenschen. Das gibt ihnen einen Status erhöhter Aufmerksamkeit. Doch es gibt auch ganz andere, besondere Menschen.
Eigentümlich zufrieden
Sehr oft empfinde ich Menschen als besonders, die mit ihrem Lebensansatz zufrieden und ausgesöhnt sind. Sie können auch sehr einfach leben, sie müssen nicht, wie Charismatiker, den Raum zum leuchten bringen, oft treten sie sehr viel bescheidener auf, aber auch die Einfachheit ist nicht zwingend, sondern nur eine weitere Möglichkeit.
Sie scheinen einverstanden mit ihrem Schicksal zu sein, sie nehmen es nicht resigniert hin, sondern aktiv an. Irgendwie denkt man, sie hätten ihr Ding, ihre Bestimmung im Leben gefunden. Solche Menschen haben oft eine ansteckende, faszinierende Seite, eben weil es so scheint und wohl auch oft so ist, als seien sie an der richtigen Stelle gelandet.
Das überträgt sich auch auf andere. Lehrer sind nicht dann am besten, wenn sie ausgefeilte didaktische Konzepte beherrschen, sondern, wenn sie wirklich für ihr Fach brennen und das Lernen für sie selbst eine Freude und keine Last ist. Das ist der bei weitem größte Anteil des Erfolgs bei Lehrern, die eigene Begeisterung und Freude.
Dieses angekommen Sein kann dabei aus einer aktiven Rolle resultieren, weil man immer schon wusste, wo es im Leben hingehen soll. Viele wussten das schon als Kind, auch wenn sie dem Klischee folgend zu Höherem berufen sein könnten, landen sie manchmal in einfachen Lebens- oder Arbeitsbedingungen. Weil sie es so wollten, was kann man mehr wollen? Selbstbestimmt zu leben ist schon recht hoch auf der Bedürfnispyramide.
Tatsächlich findet man aber auch Menschen, die eigentlich etwas anderes vorhatten, es versuchten, immer wieder scheiterten und das, was dann letztlich doch ihr Thema wurde, immer wieder eher mürrisch umkreist haben, zumindest aber manchmal mehrere Male drauf gestoßen werden mussten. Irgendwann nahmen sie es an und setzten keine Widerstände mehr, vermutlich ist das ohnehin eine der Zauberformeln des Lebens.
Integrität und Engagement
Besondere Menschen sind oft integer: sie sagen, was sie denken und tun, was sie sagen. Sie sind jedoch in ihrem Engagement eher selten belehrend oder missionarisch, geben aber selbst ein lebendes Beispiel für das, was die vertreten. Das macht ihre Integrität aus, auch wenn sie exzentrisch wirken können. Die Parallele ist, dass Exzentriker andere in der Regel in Frieden lassen, mit sich zufrieden sind und es ihnen relativ egal ist, was andere über sie denken.
Manchmal sind sie strahlend, wie eine Supernova und nehmen dabei nicht immer Rücksicht auf sich selbst, aber häufig bleiben sie einfach kontinuierlich am Ball und strahlen eine gleichmäßige Energie aus, wie ein Kachelofen. Ihr Engagement wirkt mitunter bewundernswert, macht ihnen aber keine große Mühe, kostet sie zumindest keine Überwindung, es ist ja das, wofür sie leben.
Ob sie nun dem großen kosmischen Masterplan folgen oder nach einer Reihe von Trial and Error einfach zu dem gefunden haben, was stimmig ist, mag jeder selbst entscheiden, aber besondere Menschen scheinen im Leben irgendwie angekommen zu sein. Was sie tun, tun sie gerne, wie sie leben, hat eine eigene Formvollendung, Schönheit, mindestens aber Geschlossenheit.
Sie suchen nicht mehr, die zweifeln selten und hadern nicht, das macht sie gelassener oder vielleicht auch noch in ihrer Unruhe anders als andere. Sie kontrollieren in dem Fall ihre Gefühle nicht, wie Charismatiker, sondern stehen zu ihnen, falls sie sie ausdrücken, natürlich können besondere Menschen auch sehr still und introvertiert sein.
Oft sind sie höflich oder sogar herzlich und liebenswürdig, ohne dass dies angestrengt oder aufgesetzt wirkt, weil man irgendwie das Gefühl hat, dass sie in sich ruhen.
Die eine Sache oder mehrere?
Ein wichtiger Punkt. Es muss nicht zwingend die eine Sache sein, die man für sich entdeckt und mit der man ausgesöhnt ist oder für die man brennt. Manche Menschen sind breiter aufgestellt und interessieren sich einfach für mehrere Bereiche und auch das kann innerlich sehr stimmig sein. Viele Genie sind für ihre große Neugier in fast allen Bereichen des Lebens bekannt gewesen und viele von ihnen waren und sind sicher auch besondere Menschen.
Einige führten eine Art geheimes Doppelleben, indem sie sich ihrer Berufung relativ im Stillen widmeten. Manche sind auf schicksalhaften Wegen zu dem gekommen, was sie sich wohl niemals ausgesucht hätten. Ich hörte von einer Mutter, die in der Frühphase der AIDS Erkrankungen durch eine Bluttransfusion infiziert wurde, damals galt die Erkrankung noch mehr oder weniger als Todesurteil. Die Frau ging nicht vor Gericht und klagte auch sonst nicht, sondern wollte, solange es eben ging, ihren Kindern eine gute Mutter sein. Der Psychotherapeut, der das erzählte, sagte 20 Jahre später, die Frau sei auch heute noch, in jeder Hinsicht einer der gesündesten Menschen, die er je kennen gelernt hat und meinte es auch im übertragenen Sinn.
Sind besondere Menschen wirklich besonders oder ist das unsere Projektion?
Sie prägen oder verändern uns. Besondere Menschen hinterlassen Spuren in uns. Vielleicht ist es ein Resonanzphänomen, dass uns bestimmte Menschen als besonders auffallen, die wir kurz davor vielleicht gar nicht sonderlich bemerkt hätten. Dieser Mensch, genau in dieser Situation, das passt. Und so wie man manchmal das Unglück anzieht, so hat es den Eindruck, als gäbe es von Zeit zu Zeit diese besonderen Menschen, die dem Leben eine oftmals positive andere Richtung geben. Manchmal ein Impuls, der etwas auflockert, verändert, dem Leben eine neue Wendung verleiht oder uns unseren Weg entschiedener weitergehen lässt, weil sie als Vorbilder fungieren.
Es passt irgendwie, dass sie jetzt da sind. Manchmal wirkt es, als hätte das Schicksal sie geschickt. Für längere Zeit, vielleicht aber auch nur, für diese eine besondere Erfahrung. Wenn wir das in immer mehr Mitmenschen entdecken, sind wir vermutlich selbst besondere Menschen.
Quellen:
[1] Ulrich Schnabel, Die Vermessung des Glaubens, Pantheon 2010, S. 63f