Snooker-Spieler am Tisch

Sind die technische Schwierigkeiten reduziert, stößt man in die Dimensionen der Taktik vor. © Snooker Spot under cc

Sollen wir eher bewusst leben oder unser Leben im Autopilot Modus zubringen? Irgendwie beides? Es gibt auch andere Stimmen.

Noch bevor wir morgens bei der Arbeit, Uni, Ausbildung oder Schule angekommen sind, haben wir schon etliche Routinen durchlaufen. Gerade wenn wir noch nicht richtig wach sind, laufen viele von uns auf Halbautomatik. Kaffeemaschine an, der Blick aufs Smartphone, das Radio an, ab ins Bad, man weiß so ungefähr, was man tut.

Irgendwann später, die Schuhe zubinden, auch dabei denken wir nicht mehr, zumindest nicht über die Schleife, die wir gerade machen, rauf aufs Rad oder rein ins Auto und die Kinder wegbringen. auch da geht alles von selbst. Das ist ein allgemeines Muster. Wir machen etwas bewusst und mit Anstrengung und Aufmerksamkeit, bis wir es können, danach wird die Tätigkeit mehr und mehr zur Routine und unser Kopf ist wieder frei für andere Aufgaben, es sei denn, die Routine wird durchbrochen.

Dann sind wir von jetzt auf gleich hellwach, mindestens aufmerksam. Im Normalbetrieb sinkt unsere Aufmerksamkeit, aber doch nur so weit, dass wir noch funktionieren und jederzeit in den anderen Modus switchen können, wenn jemand plötzlich auf die Straße springt, während wir Auto fahren und an etwas ganz anderes denken.

Der Autopilot lässt uns manchmal ein Stockwerk höher fliegen

Doch es ist nicht nur so, dass man irgendwie weg döst und sich anderem zuwenden kann, wenn man im Autopilot unterwegs ist, man kann auch in ungeahnte Höhen gelangen. Musikerinnen, die ihr Instrument beherrschen, denken irgendwann nicht mehr über die technische Seite des Instrument-Spielens nach, das geht wie von selbst. Statt dessen konzentrieren sie sich auf die Finessen der Musik, die sie ausdrücken wollen, hier legt man Schicht für Schicht frei, um zu neuen Höhen zu gelangen.

Ähnlich viele Sportler, die die besten Leistungen bringen, wenn sie über das was sie tun nicht mehr nachdenken, auch hier ist alles automatisiert, aber man schaltet nicht ab, sondern ist ganz dabei, im Tunnel, sagt man manchmal. Völlig fokussiert auf das, was man gerade macht, total da und bei der Sache, aber dadurch tritt die Welt um sie herum in den Hintergrund.

Der Autopilot sorgt also dafür, den Weg für andere Erfahrungen zu ebnen, die entweder aus einem ganz anderen Bereich kommen, man fährt Auto und unterhält sich, oder in dem Bereich bleiben und eine nächste Stufe ermöglichen, wenn ich ein Instrument oder eine Sportart sehr gut beherrsche.

Diese Momente werden aber als etwas erlebt, in denen alles stimmt und passt. Interessanterweise oft schon während dessen, nicht erst in der Rückschau. Die Opernsängerin spürt, dass heute alles leicht fällt, ebenso der Snooker Spieler und auch bei Alltagsverrichtungen kann man in diesen Flow kommen.

Fluch und Segen von Routinen

Wir machen etwas bewusst und mit Anstrengung, bis wir es können. Wenn wir Auto fahren lernen, Schlittschuh laufen oder als Kind laufen lernen. Wenn wir es dann können, zeigt sich immer wieder dasselbe Muster. Das Verhalten wird automatisiert. Das gilt auch für kognitive Gewohnheiten, wie die Sprache zu lernen, die wir sprechen.

Wenn wir das können, denken wir nicht mehr darüber nach, was wir sagen sollen – außer in speziellen Situationen – sondern die Gedanken entwickeln sich manchmal erst beim Sprechen, alles geht automatisch. Bis wir eine Fremdsprache lernen, dann müssen wir uns wieder auf alles konzentrieren und fangen irgendwo bei Null an.

Es gibt nicht nur Routinen des Handelns, sondern auch des Denkens. Nicht nur bei der Sprache, auch in der Art, wie wir unsere Eindrücke einordnen oder interpretieren, nämlich in ein Weltbild. Dies bietet uns eine Menge Orientierung und Sinn, ein Muster in dem wir schnell unterwegs sind und was wir gut verstehen können.

Dies ist kein rein passiver Prozess, wir tun viel dafür, damit unser Weltbild stabil bleibt, wir wollen unsere Routinen aufrecht erhalten, weil durch sie, wenn sie etabliert sind, unser Leben überschaubar und sinnvoll wird. Aber das kann kippen. Die Routinen können monoton werden und die Monotonie zur Qual. Dann macht sich Langeweile breit, man weiß, was passieren wird, weil es immer passiert und irgendwie erwartet man, oft genervt, das was kommt und fühlt sich beengt bis wütend, wenn alles wieder mal, wie nach Drehbuch abläuft. Eine Frage des Charakters und der aktuellen Umstände, denn die gleichen Routinen können uns auch Struktur und Sicherheit geben.

Das persönliche Gleichgewicht

Ist es so, wie in vielen Lebensbereichen, dass man sagt, dass man eben sein persönliches Gleichgewicht zwischen bewusst leben und Autopilot finden muss? Vielleicht, für das Leben im Alltag. Der Antrieb zur Aufmerksamkeit ist oft unsere Neugier. Diese hat noch immer einen etwas schlechten Beigeschmack, man hört manchmal, man solle nicht so neugierig sein, neutraler klingt vielleicht Interesse oder aus den Big Five, die Suche nach Neuem.

Dieses Interesse lässt uns irgendwo verweilen und wenn es interessant genug ist, bemühen wir uns auch es zu lernen, wofür wir anfangs wieder unsere ganze Konzentration brauchen. Die neue Sprache, Pilze sammeln, Flöte spielen oder klettern. Nach einiger Zeit stellt sich eine Gewohnheit ein, man weiß ungefähr, was man tut und es zeigen sich erste Erfolge.

Manchen reicht das, andere graben in diesem Bereich tiefer, konzentrieren sich auf neue Dimensionen innerhalb des Themas, andere wechseln vielleicht nach einiger Zeit das Feld und lernen Drachen fliegen. Neues, was man bewusst erleben muss, wird zur Gewohnheit, irgendwann geht es in Richtung Autopilot und man entscheidet in welchen Lebensbereichen man wie tief gehen möchte, so dass das individuelle Gleichgewicht zwischen Neuem und Gewohntem, bewusst leben und Autopilot sich so einstellt, dass man sich wohl fühlt. Solange die Umgebung mitspielt, auch äußere Faktoren beeinflussen unser Empfinden, manchmal bekommen wir die Themen aufgedrängt. Neben dem persönlichen gibt es also noch ein situatives Gleichgewicht.

Und doch bleibt die Frage, ob man sich nicht für eine der beiden Seiten entscheiden kann, zumindest sehr weitreichend.

Achtsamkeit

Eine Antwort darauf ist die seit einiger Zeit bekannte und in einigen Kreisen populäre Achtsamkeitsbewegung. Da wird bewusst leben und Aufmerksamkeit groß geschrieben und auf Bereiche ausgedehnt, denen man bislang keine Aufmerksamkeit hat zukommen lassen. Oft im Kontext körperlicher und psychischer Gesundheit. Gesundheit ist bei uns in gewisser Weise der unterstellte Normalfall, läuft sozusagen auf Autopilot.

Wir sind verwirrt, wenn hier auf einmal der Motor ausfällt, merken wir, dass uns physische und psychische Belastbarkeit nicht grenzenlos zur Verfügung stehen. Hier ist nun ein Ansatz vom Modus Autopilot auf bewusstes leben umzuschalten und jenen Bereichen in uns Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die bislang irgendwie automatisch verfügbar schienen. Auf einmal achtet man auf seinen Körper, seinen Atem, seine Gedanken und Gefühle, in der Krise oft zum ersten mal im Leben, aus der Not.

Doch während der Praxis der Achtsamkeit können sich weitere Türen öffnen. Man findet in gewisser Weise nicht nur Anschluss an seinen eigenen Körper und seine Psyche, sondern manchmal auch in völlig neue Bereiche, die man vorher nicht kannte. Der Clou ist, dass man dafür keine immer exotischeren Beschäftigungen braucht, sondern auf das zurückgreifen kann, was längst da ist.

Man atmet, fühlt und denkt ja schon sein Leben lang, ebenso lange benutzt man seinen Körper, nur eben bislang weitgehend unbemerkt, unbewusst. Er soll wie gewohnt funktionieren und dann kommt der Burnout, der chronische Schmerz oder ein Trauma und alles ist anders. Nun muss man Teile von sich, die man ein Leben lang benutzt, in gewisser Weise zum ersten mal kennen lernen.

Doch auch monotone Routinen gewinnen dadurch ihr Prickeln zurück, dass man nicht mehr distanziert die Summe all dessen sieht, betrachtet, was man längst schon kennt und was einen zu Tode langweilt. Gespräche in der Familie oder erkaltenden Partnerschaft, man kennt die Choreografie und ist genervt. Die ewig gleiche Prozedur bei der Arbeit. Aber wenn ich etwas so basalem und einfachen wie meinem Atem so viel Aufmerksamkeit schenken kann und erlebe, dass sich dadurch so viel in mir tut, wieso sollte das nicht bei der Arbeit oder im Kontakt mit anderen gelingen? Wie klar und bewusst jeder Moment ist, kann ich letzten Endes selbst entscheiden. Wie sehr man sich selbst dabei im Weg steht, kann man selbst erforschen.

Das ganze Leben auf Autopilot

Ein anderer Vorschlag ist jedoch, das ganze Leben im Modus des Autopiloten zu leben. Auch dies kommt aus der Ecke spiritueller Praktiken und ist so gemeint, dass man sich Schritt für Schritt von der Identität eines an einen Körper gebundenen Ichs entfernt und daraus – gemäß diesem Ansatz – folgend, sich auch Schritt für Schritt von der Welt entfernt. Vor allem von der Idee, man sei ein Akteur, der in der Welt viel bewirken kann.

In dieser Form etwas, was man glauben muss, doch im Zusammenhang mit diversen Praktiken, bei denen man kontrollieren kann, ob der Ansatz eine Überlegung wert ist, ist das etwas, worüber man nachdenken kann. Diese Praktiken gibt es und eine der Konsequenzen soll sein, dass man sich im Zusammenhang mit der Erforschung des Ich, mehr und mehr mit dem reinen Sein oder Bewusstsein identifiziert. Auch das eine Frage der Achtsamkeit, nur dass diese nicht nach außen, sondern extrem konsequent nach innen gerichtet wird, auf die Frage nach der Natur des Ich.

In der Folge soll sich nicht nur die Identifikation mit dem Ich, sondern auch mit der Welt und dem Handeln als eigenständiger Agent in ihre lockern. Menschen, die diesen Pfad beschreiten sagen, es fühle sich zuweilen so an, dass man die ganze Welt, also den Alltag im Modus des Autopiloten erlebt. Man ist nicht weggetreten, sondern distanziert.