Gewalt gegen Männer ist ein Thema, das kaum beachtet wird. Dabei ist Gewalt gegen Männer weit verbreitet, in unterschiedlichen Formen. Männer, die Opfer von Gewalt werden, sehen sich oft mit gesellschaftlichen Tabus konfrontiert. Sie werden im Sinne des Stereotyps des »starken Mannes« sozialisiert. Ein rauer Umgang wird vielerorts als normal angesehen. Sie müssen schließlich »abgehärtet« werden. Anlaufstellen für von Gewalt betroffene Männer gibt es wenige. Auch deshalb holen sie sich weniger Hilfe.

Gewalt gegen Männer: Formen von Gewalt

Gewalt gegen Männer gibt es im außerhäuslichen, aber auch häuslichen Bereich. Außer Haus sind Männer häufiger von Gewalt betroffen, vor allem Heranwachsende in der Pubertät und junge Männer.

… Mit der Ausnahme von Sexualstraftaten[5] sind Männer als Opfer bei allen Delikten in der Überzahl. „Bei Mord und Totschlag, Raub und insbesondere bei gefährlicher und schwerer Körperverletzung überwiegen männliche Opfer.“[6]

Insbesondere für Jungen und junge Männer besteht ein höheres Risiko als für Mädchen und junge Frauen, Opfer von anderen Jungen oder Männern zu werden.

zitiert nach Bundeszentrale für politische Bildung, 2004

Aber auch im häuslichen Bereich werden Männer häufiger Opfer von Gewalt als angenommen:

Eine aktuelle Studie konnte zeigen, dass jeder zweite Mann im Laufe seines Lebens einmal von Partnerschaftsgewalt betroffen war. Rund 39% berichteten von psychischer Gewalt und über 29% von körperlicher. Die Zahlen männlicher Opfer in Partnerschaften sind zwischen 2022 und 2023 um 10,9% angestiegen.

zitiert nach Weisser Ring e. V.

Körperliche Gewalt

Zwei Männer hintereinander stehend

Gewalt gegen Männer wird in der Gesellschaft weniger anerkannt. © Elvert Barnes under cc

Körperliche Gewalt gegen Männer tritt sowohl im öffentlichen als auch im privaten Raum auf. Sie reicht von Schlägen, Tritten bis hin zu schweren Misshandlungen und teils auch Tötungsdelikten. Häufig sind Männer in gewalttätige Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit (z.B. bei Übergriffen in der U-Bahn) oder im sozialen Umfeld (z.B. in der Schule) verwickelt.

Gewalt in Institutionen

Männer, insbesondere junge Männer oder Männer mit bestimmten sozialen Hintergründen, können auch in Institutionen wie Gefängnissen, Schulen oder Heimen Opfer von Gewalt werden (genauso wie Frauen bzw. allgemein Menschen). Diese Gewalt kann sowohl körperlicher als auch psychischer Natur sein. Auch in beruflichen Kontexten kann es zu körperlichen und seelischen Schikanen und Mobbing kommen.

Psychische Gewalt

Psychische Gewalt gegen Männer geht mit Manipulation, Drohungen, Beleidigungen oder Bloßstellungen und Herabsetzungen der Person einher. Diese Art der Gewalt hinterlässt keine sichtbaren Spuren. Deshalb ist sie oft nicht sofort erkennbar. Werden zudem Betroffene damit aufgezogen, ein »Weichei« zu sein, weil sie angeblich nicht »abgehärtet genug« seien, ist die Beschämung umso größer. Mit dem Schamgefühl sinkt dann auch die Bereitschaft, sich Hilfe zu holen.

Zudem können Männer von toxischen Partnerschaften oder als Kinder von problematischen, destruktiven Familiengefügen betroffen sein. Dies wird oft übersehen oder ignoriert, da die gesellschaftliche Vorstellung besteht, dass Männer in Beziehungen eher Täter als Opfer sind.

Psychische Gewalt kommt nicht nur in Partnerschaften oder in der Familie vor. Genauso wie bei Frauen oder allgemein Betroffenen von emotionaler Gewalt tritt sie beispielsweise auch am Arbeitsplatz oder in anderen sozialen Kontexten auf.

Sexualisierte Gewalt

Sexualisierte Gewalt gegen Männer ist ein ernstes und Tabu-behaftetes Thema. Männer, die Opfer sexueller Gewalt werden, werden mitunter verspottet und in anderer Weise stigmatisiert. Hin und wieder kommt es in dem Zusammenhang zu unwahren, stumpfen Behauptungen wie: »Männer können doch gar nicht vergewaltigt werden.« Diese falschen Vorstellungen hindern betroffene Männer häufig daran, ihre Erfahrungen zu melden oder sich Hilfe zu suchen.

Anzeichen von Gewalt gegen Männer

Statue eines Mannes, der schweigt; im Hintergrund ist Wald

Jede Form von Gewalt sollte gesellschaftlich besprochen werden, denn Tabus führen zu Schweigen. © Henry Burrows under cc

Die Anzeichen von Gewalt können je nach Art und Dauer der Gewalt unterschiedlich sein. Zu den häufigsten Anzeichen gehören:

  • Körperliche Verletzungen: Blaue Flecken, Schnittwunden, Prellungen oder Knochenbrüche, die in der Regel durch Schläge oder Stürze entstehen.
  • Psychische Symptome: Angstzustände, Panikattacken, Depressionen, Schlafstörungen oder posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS, kPTBS), aber auch Verdrängung, Affektverflachung, innere Vereisung
  • Soziale Isolation: Betroffene igeln sich daheim ein. Sie ziehen sich von Familie, Freundeskreis, Kollegenkreis zurück. Andererseits gehen einige vielleicht auch in die Offensive, sie unternehmen besonders viel, um ihren düsteren Gedanken und Gefühlen zu entfliehen.
  • Verhaltensänderungen: Übermäßiger Alkoholkonsum, Drogenmissbrauch oder Aggressivität bzw. erhöhte Reizbarkeit
  • Innerer Rückzug: Verhaltensänderungen können aber auch mehr in die Defensive führen, mehr Schweigen oder Unaufmerksamkeit. Ein Wechsel aus Schweigen und Reizbarkeit ist ebenso möglich.
  • Veränderte Gedanken und Aussagen: Vielleicht kommt es plötzlich zu raueren Aussagen wie: »Das muss man abkönnen«, oder: »Stell dich nicht so an!« etc. Opfer übernehmen manchmal unbewusst eine »Täterperspektive«, um das Schreckliche, das ihnen passiert, im Kopf abzumildern. Zum Beispiel: ›Es ist doch gar nicht so schlimm, was mir da passiert, ganz normal ist das, ich sollte mich nicht so haben.‹
  • Auch eine Opfer-Täter-Transition ist möglich. Von Gewalt Betroffene üben dann selbst Gewalt aus, weil sie sich nie mehr hilflos fühlen wollen. Der Punkt der transgenerationalen Traumatisierung kann hier ebenfalls mit reinspielen.

Gesellschaftliche Tabus und Stigmatisierung

Wie bereits angesprochen sind bei der Gewaltausübung gegen Männer die gesellschaftliche Wahrnehmung und die damit verbundenen Tabus ein Problem:

Gesellschaftliche Stigmatisierung

Männer, die Opfer von Gewalt werden, erleben oft Schamgefühle. Von klein auf wird ihnen beigebracht, dass sie »stark« sein sollen und ihre Gefühle wie Weinen oder Angst unterdrücken müssen. Wenn sie nun Angst empfinden, ist diese nicht selten an Schamgefühle geknüpft.

Tief verankert ist es in vielen Kulturen, dass ein raueres Verhalten, derbe Scherze und Gewalt unter Männern mitsamt von Körperlichkeit und »Jungen prügeln sich halt« normal sei. Wer Schwäche zeigt oder ein solches Verhalten anprangert, wird nicht selten ausgegrenzt und gemobbt.

In der sozialen Wahrnehmung wird Gewalt gegen Männer oft als »weniger dramatisch« eingestuft.

Das Bild des »starken Mannes« ist vielerorts nach wie vor vorherrschend. Männliche Opfer von Gewalt werden oft als »schwach« oder »unmännlich« wahrgenommen. Diese Vorurteile führen die Betroffenen in die Isolation. Für sie selbst wird es schwierig, sich als Opfer zu identifizieren und über ihre Erfahrungen zu sprechen.

Die »unsichtbare« Opfererfahrung

Paar sitzt draußen und hat Stress

Auch Männer können von partnerschaftlicher Gewalt betroffen sein. © Guian Bolisay under cc

Obwohl die Zahl männlicher Gewaltopfer weltweit hoch ist, wird das Thema in den Medien, der Forschung und der politischen Diskussion oft vernachlässigt. Frauen sind häufiger von häuslicher Gewalt betroffen und dieses Thema »Gewalt gegen Frauen« gehört weiterhin noch mehr in die Öffentlichkeit – ohne Frage! Dennoch darf die andere Gruppe nicht vernachlässigt werden. Während Frauen immer häufiger über die ihnen widerfahrene Gewalt offen sprechen (was zweifelsohne sehr gut so ist), ist es für Männer weniger normal, sich dahingehend auszutauschen. Die Barriere kann nur durchbrochen werden, indem es immer wieder thematisiert wird. Und indem man es den Betroffenen leichter macht, darüber zu sprechen.

Fehlende Hilfsangebote

Hilfsangebote senken die Hürde, um aus dem Gewaltkreislauf auszubrechen. In vielen Regionen gibt es jedoch noch immer zu wenige spezialisierte Beratungsstellen oder Notrufnummern für Männer, die Opfer von Gewalt sind. Das erhöht den Faktor der Unsichtbarkeit und steigert die Hilflosigkeit.

Männer als Gewaltopfer: Was muss sich ändern?

Damit Gewalt allgemein nachlässt und es unter allen Menschen zu weniger Gewalterfahrungen kommt, sind folgende Ansätze wichtig.

Aufklärung und Sensibilisierung

Es ist entscheidend, das Thema Gewalt gegen Männer (bzw. allgemein Gewalt gegen Menschen) stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Aufklärungskampagnen und Sensibilisierungsprogramme helfen dabei, die Tabus rund um die Thematik abzubauen. Sie zeigen, wo Gewalt bereits anfängt, nämlich bei emotionaler, seelischer und verbaler Gewalt. Und sie zeigen, dass auch Männer Opfer von Gewalt sein können.

Angebote für männliche Opfer

Mehr spezialisierte Hilfsangebote für Männer müssen geschaffen werden wie zum Beispiel Beratungsdienste, Hilfetelefone und Zufluchtsorte, die Männer in Not unterstützen. Der Zugang zu psychologischer Hilfe und rechtlichen Beratungen muss niedrigschwelliger sein.

Förderung von Gendergleichstellung

Die Bekämpfung von Gewalt gegen Männer sollte Teil eines umfassenderen Ansatzes sein, der gegen stereotype Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit vorgeht. So können sich die gesellschaftlichen Wahrnehmungen dahingehend ändern. Das hilft auch den von Gewalt betroffenen Männern, sich zu zeigen und sich Hilfe zu suchen.
Gewalt gegen Männer erhält oft nicht genügend Aufmerksamkeit. Ein inklusiver Ansatz zur Bekämpfung von Gewalt hat zum Ziel, alle Opfer von seelischer, körperlicher und sexualisierter Gewalt anzuerkennen und zu unterstützen, unabhängig von ihrem Geschlecht.

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