Der nächste Zahnarztbesuch steht an… Fast jeden beschleicht bei dem Gedanken ein mulmiges Gefühl. Der spezielle Geruch einer Zahnarztpraxis, Bohrgeräusche, welche aus dem Behandlungszimmer in den Wartesaal dringen, der Anblick des Zahnarztstuhls beim Betreten des Behandlungszimmers sowie die Schmerzen beim Bohren: Das alles können potenziell angstauslösende Stimuli sein.

Angst vorm Zahnarzt weit verbreitet

Circa 60-80% der Bevölkerung berichten ein Angstgefühl vor dem Zahnarztbesuch, resümiert die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Viele nehmen trotz allem die jährlichen Kontrolluntersuchungen sowie anstehenden Behandlungen wahr; ca. 20% jedoch mit sehr großer Angst. Bei ca. 5% wiederum ist die Angst vor der Zahnbehandlung so stark ausgeprägt, dass sie den Zahnarztstuhl meiden. Wird der Zahnarztbesuch nur mit großer Furcht ertragen oder gar vermieden, spricht man von einer Spezifischen Phobie; einer im ICD-10 aufgeführten, anerkannten psychischen bzw. Verhaltensstörung.

Was tun bei Zahnarztangst?

Einigen Patienten genügt z.B. ein vertrauensvoller Umgang mit dem Zahnarztteam, entspannte Musik im Hintergrund, ein Film zur Ablenkung oder die lokale Anästhesie, um die Furcht vor der Zahnbehandlung einzudämmen. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Interventionsansätzen bei ausgeprägter Zahnbehandlungsangst. So werden u.a. kognitiv-verhaltenstherapeutische Techniken erfolgreich angewandt, wie z.B. Stress-Management-Trainings oder Entspannungsverfahren. Ziel ist es, einen entspannteren Umgang mit den Angstauslösern zu erlernen und schlussendlich die Angst zu verringern bzw. bestenfalls ganz auszulöschen. Auch Hypnose und Akupunktur sind Interventionen, die in Zusammenhang mit Zahnbehandlungsangst eingesetzt werden können.

Doch was ist, wenn man kein Training o.ä. absolvieren möchte? Wenn man die notwendige Behandlung einfach nur schnell hinter sich bringen möchte, ohne davon etwas mitzubekommen?

Bei aufwendigeren Behandlungen bieten viele Zahnarztpraxen inzwischen eine Behandlung unter Vollnarkose an. Hierfür sind ausgebildete Anästhesisten zur Überwachung sowie eine künstliche Beatmung notwendig. Täte man dies bei kleineren Eingriffen, wie z.B. der Erneuerung einer Füllung, könnte das Gefühl entstehen, man würde „mit Kanonen auf Spatzen“ schießen.

Zahnbehandlung im Dämmerschlaf

Eine noch relativ unbekannte Methode, die in immer mehr Zahnarztpraxen Anwendung findet und auch für kleinere Eingriffe geeignet scheint, ist die sogenannte „Conscious Sedation“ bzw. intravenöse Analgosedierung. Hierbei befindet sich der Patient in einer Art Tief- bzw. Dämmerschlaf, wie Dr. Seidel, Zahnarzt für Oralchirugie im Südwesten von Berlin, beschreibt. Während der Behandlung ist der Patient sediert und bekommt nichts mit; bleibt aber ansprechbar und atmet selbst. Midazolam (Dormicum) als intravenöses Sedativum hat sich hierbei durchgesetzt. Es gilt als Mittel mit geringen Nebenwirkungen und einer schnellen Eintrittszeit, so Dr. Seidel.

Wie bei der Vollnarkose werden auch beim Einsatz von Midazolam Risiken diskutiert. So beinhaltet z.B. die Fachinformation für Dormicum des Pharmakonzerns Roche, dass die Gefahr von Beeinträchtigungen der Atmung besteht. Aus einem Antrag bei der WHO, Midazolam auf die Liste der wichtigsten Medikamente zu setzen, geht allerdings hervor, dass der Einsatz von Midazolam in der prozeduralen Sedation für wirksam und sicher erklärt wird, solange bestimmte Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden. So sollten u.a. eine adäquate Überwachung, eine individuelle Dosierung sowie die Ausstattung und geschultes Personal für eine eventuell notwendige sofortige Beatmung sichergestellt sein. Dr. Seidel verweist zudem auf die Notwendigkeit einer Ausbildung für die Durchführung einer Conscious Sedation im Sinne einer fachzahnärztlichen Spezialisierung.

Ein weiterer Diskussionspunkt ist, dass gemäß der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde nur nicht-medikamentöse Verfahren, insbesondere psychotherapeutische, langfristig bei Zahnarztangst erfolgreich sein sollen. Die Frage ist hier jedoch, ob und inwieweit dies überhaupt Ziel eines jeden Angstpatienten ist. Eventuell möchte man sich damit gar nicht konfrontiert sehen. Eventuell reicht einigen Angstpatienten das „Nicht-Mitbekommen“ der Zahnbehandlung aus.

Letztendlich muss jeder selbst entscheiden, welches Verfahren für ihn am geeignetesten erscheint und inwieweit er die Bereitschaft für die jeweiligen Behandlungsansätze mitbringt. Dem Zahnarztangst-Patienten scheint aber insofern durch die intravenöse Analgosedierung geholfen, dass die Hürde für den nächsten Zahnarztbesuch vermutlich geringer ist, da er weiß, dass er eine eventuell anstehende Zahnbehandlung „verschlafen“ kann.

Quellen: