Auch wenn Homosexualität im offenen Meinungsbild zunehmend stärker akzeptiert wird und die Unterschiede zwischen Männern und Frauen abnehmen, herrscht nach wie vor eine heterosexuelle Norm vor. Diese erschwert es Schwulen, Lesben und Bisexuellen sich in ihrer sexuellen Rolle zu akzeptieren.

Sichtweise von Homosexualität in der Gesellschaft

Elternhaus

Kampf gegen soziale Ablehnung

Homosexuelle auf dem CSD: Kampf gegen soziale Ablehnung © Guillaume Paumier under cc

Da das Elternhaus sehr prägend für die Entwicklung ist, haben sich einige Studien mit der Einstellung der Eltern zur Homosexualität ihrer Kinder beschäftigt (Lambda, 2005; Niedersächsisches Ministerium, 2001; Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport, 1999; Till, 1989).

Für die Gruppe der unter 30-jährigen zeichnet sich der Trend ab, dass Verhaltensweisen die von traditionellen Männerrollen abweichen häufig toleriert werden. Gerade Mütter verlangen nicht, dass ihre Söhne männertypische Verhaltensmuster an den Tag legen oder einen männertypischen Beruf ergreifen. Bezüglich der Einhaltung heterosexueller Normen zeigte sich ein anders Bild. Dort wird von Seiten der Eltern häufig der Wunsch aufrechterhalten, dass das Kind eine gemischtgeschlechtliche Ehe eingeht.

Im Gegensatz zu Vätern sind Mütter eher bereit sich mit der Homosexualität ihrer Kinder auseinanderzusetzen und diese zu akzeptieren. Während ein Viertel aller Väter direkte Ablehnung zeigt, äußert sich diese bei den Müttern eher indirekt. Sie neigen zu Schuldgefühlen, wie etwas in der Erziehung falsch gemacht zu haben, oder wollen die Neigung ihrer Kinder verheimlichen.

Freunde

Das Jugendnetzwerk Lambda (2005) hat untersucht, wie heterosexuelle Freunde auf das Coming-Out reagieren. Etwa ein Drittel der unter 30-jährigen gaben an, dass sie durch das Bekanntwerden ihrer Homosexualität soziale Kontakte verloren hätten.

Schule

Ein Studie des Niedersächsischen Ministeriums (2001) ergab, dass knapp ein Drittel aller Homosexuellen von Mitschülern wegen ihrer sexuellen Orientierung gemobbt wurden, ohne dass die Lehrkräfte helfend eingeschritten haben.

Auswirkung auf Homosexuelle

Auswirkungen auf das Selbstbild

Jugendliche empfinden beim Registrieren ihrer Homosexualität häufig Gefühle der Andersartigkeit, Angst und Schuld. Dies liegt daran, dass viele die heterosexuelle Norm verinnerlicht haben und eine Abweichung von dieser als etwas Verbotenes erleben. Dies hat oft zur Folge, dass die Betroffenen ihre Neigung vor sich selbst verdrängen, nicht ausleben und verheimlichen. Häufig plagen die Jugendlichen Selbstzweifel und Furcht vor sozialer Ablehnung (Lambda, 2005; Meurer, 2003; Till, 1989).

Psychische Belastungen

Viele Homosexuelle fühlen sich mit ihrer „Andersartigkeit“ sehr allein und einsam. Schwule Teenager leiden im Gegensatz zu ihren heterosexuellen Altersgenossen dreimal häufiger an Depressionen. Des Weiteren liegt die Suizidrate vier bis siebenmal höher (Lambda, 2005; Meurer, 2003; Niedersächsisches Ministerium, 2001).

Kongruente Haltung gegenüber Homosexualität einnehmen

Kongruenz bedeutet Ganzheitlichkeit und meint das Akzeptieren eigener Gedanken und Gefühle. Der Begriff ist auf die Persönlichkeitstheorie von Rogers (1951) zurückzuführen. Demnach besitzt jeder Mensch eine Tendenz zur Selbstverwirklichung, wie das Ausleben eines sexuellen Bedürfnisses. Psychische Störungen treten dann auf, wenn kritische Lebensereignisse den inneren Wunsch nach Selbstverwirklichung behindern. Dies können Eltern sein, die ihren Kindern Schuldgefühle wegen ihrer sexuellen Neigung machen oder Gleichaltrige die Homosexualität als ein Makel ansehen und somit Ängste vor dem eigenen Coming-Out fördern. Unter diesen Bedingungen ist das Empfinden von Ganzheitlichkeit nur schwer möglich.

Das soziale Umfeld sollte daher mit einfühlendem Verständnis auf Homosexualität reagieren und Bemühungen zeigen, sich in die Erlebniswelt des Gegenübers hineinzuversetzen. Wertschätzung drückt sich dadurch aus, dass man die Gefühle und Wünsche anderer vorurteilsfrei und bedingungslos respektiert.

Quellenangaben

  • Jugendnetzwerk Lambda NRW e.V. (2005). Wir wollen’s wissen – Befragung zur Lebenssituation von lesbischen, schwulen und bisexuellen Jugendlichen in NRW. Alltagswelten-Expertenwelten, 11, 1-20.
  • Meurer, S. (2003). Zur Lebenssituation junger Lesben und Schwuler – Homosexualität und Suizidalität. Stärke gefragt – Eltern und ihre homosexuellen Kinder. Online verfügbar (17.02.2012).
  • Niedersächsisches Ministeriums für Frauen, Arbeit und Soziales (2001). Schwule Jugendliche: Ergebnisse zur Lebenssituation, sozialen und sexuellen Identität. (17.02.2012).
  • Rogers, C. (1951). Client-centered Therapy: Its current practice, implications and theory. London: Constable.
  • Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport Berlin (1999). Sie liebt sie. Er liebt ihn. Eine Studie zur psychosozialen Situation junger Lesben, Schwuler und Bisexueller in Berlin. Online verfügbar (17.02.2012).
  • Till, W. (1989). Über den Zusammenhang von diskriminierenden Normen der sozialen Umwelt und Selbstdiskriminierung bei homosexuellen Männern. Störfaktor. Zeitschrift für kritische Psychologinnen und Psychologen, 2, 20-42.