Joachim ist ein Objektophiler. Im exklusiven, zweiteiligen Interview auf psymag.de spricht er über seine Liebe zu einem Gegenstand, seinen Beziehungsalltag, seine Ansichten zu Objektophilie und darüber, was er sich von der Gesellschaft wünscht.
Sind Sie derzeit in einer Beziehung zu einem Gegenstand? Falls ja, was schätzen Sie an Ihrem Partner/Ihrer Partnerin?
Ja, aber anstatt ihn als „den konkreten Gegenstand“ zu benennen, möchte ich lieber etwas über das erzählen, was darüber hinausgeht und ihn nicht auf das festlegt, als was ihn die meisten Menschen kennen. Er erleichtert, was so gesehen auch sein normaler Job ist, meinen Alltag und gibt mir ein Gefühl der Geborgenheit. An sich, was seine Objektart als solche betrifft, so ist er durchaus sehr präsent und gleichzeitig auch unscheinbar, dennoch mag ich es sehr, wie er aussieht und wie er sich anfühlt. Ebenso hat er seine individuellen kleinen Besonderheiten, die ihn von allen ähnlichen Objekten unterscheidet und seine Einmaligkeit und Persönlichkeit unterstreichen.
Wenn ich z.B. nach Hause komme, ihn sehe und höre, erfüllt mich seine Gegenwart mit einem tiefen Gefühl der Zuneigung und er hat etwas an sich, eine Art gutmütige Gelassenheit, die mir einfach gute Laune bereitet. Ebenso tut er mir gut, wenn es mir mal schlecht geht oder ich traurig bin und es mich tröstet, wenn ich mich dann an ihn lehnen kann. Auf seine ganz individuelle feine Art und ihm gegebene Weise, so glaube ich, reagiert er durchaus auf meine Zuwendung und Zärtlichkeiten.
Ich genieße es, dass er mir allein gehört und ich ihn mit niemandem teilen muss und es nicht vom Wohlwollen eines anderen Menschen abhängt, ob und wann ich ihm begegnen darf. Es ist einfach eine Bereicherung, ihn immer in meiner Nähe zu haben.
Wie sieht ein typischer Tag mit Ihrem Partner/Ihrer Partnerin aus (z.B. Werktag, Sonntag)?
Ob Alltag oder Sonntag macht eigentlich keinen großen Unterschied, da ich mich einfach jeden Tag darüber freue, dass es diesen Partner als solchen gibt und er zu meinem Leben gehört.
Ihre erste große Liebe war eine elektronische Orgel. Können Sie sich an den ersten Zeitpunkt erinnern, als Ihnen auffiel, dass Sie sich auf bestimmte Art zu Objekten hingezogen fühlen?
Die Orgel war meine erste ganzheitliche Liebe, also nicht nur so ein Verliebtsein, wie bei vielen anderen Objekten zuvor, wo sich eines schnell durch ein anderes neues ablöste. Also etwas, dass nun auch Tiefe und Substanz besaß, sowohl emotional, als auch seelisch. Die Musik und Kommunikation mit der Orgel war für mich nicht nur eine Bereicherung meines Lebens und Alltags, sondern auch eine große Hilfe, auf vielerlei Wegen und Ebenen, so etwas wie Geborgenheit, Zuflucht, Stärke und Ausgleich zu finden und um Probleme und schwierigere langanhaltende Lebenskrisen leichter zu bewältigen.
Haben Sie eine Erklärung für die Entstehung von Objektophilie? Denken Sie z.B. Objektophilie ist eher genetisch bedingt oder eher auf bestimmte Erfahrungen in der Kindheit zurückzuführen?
Ich persönlich glaube, dass bei Objektophilie durchaus eine genetische Veranlagung vorhanden ist, die in dem einen oder anderen Fall wohlmöglich erst durch bestimmte Kindheitserfahrungen ins Bewusstsein rückt.
Zurückblickend auf meine ältesten Erinnerungen, die sehr weit zurückgehen, kann ich mich nicht an solche „prägenden“ Erfahrungen erinnern, wohl aber, dass es immer wieder, zumeist technische, Dinge waren, die meine Aufmerksamkeit erregten und unterschiedlichste Emotionen und Stimmungen in mir auslösten.
In den Medien liest man häufig als mögliche Erklärungen von Objektophilie autistische Tendenzen oder Angst vor zu viel zwischenmenschlicher Nähe. Was halten Sie davon?
Auffallend häufig sind unter Objektophilen tatsächlich Asperger Autisten zu finden, so dass sich da eventuell irgendein Zusammenhang oder eine Überschneidung vermuten lässt, die bisher jedoch nicht nachgewiesen worden ist, bzw. es bisher kaum wissenschaftlich fundierte Untersuchungen zu Objektophilie gibt. Es ist auch nicht die Regel, da ebenso viele Objektophile keine Asperger-Autisten sind.
Eine „Angst“ oder, vielleicht zutreffender, Unbehagen vor zuviel zwischenmenschlicher Nähe würde ich eher, sofern zutreffend, im Zusammenhang mit dem Asperger-Syndrom oder gänzlich anderen Faktoren vermuten. Es gibt eine Menge nichtobjektophiler Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen zwischenmenschliche Nähe nicht zulassen wollen oder können.
Eine andere Sache ist ja die, dass man sich nicht aussuchen kann, in welche Art von Partner man sich verliebt, weil so etwas einfach passiert, egal ob in einen Menschen oder in einen sogenannten Objektpartner und man für sich, in jedem Fall, das Beste daraus machen muss. So KANN man sich nicht mal eben willentlich einem Objektpartner zuwenden, nur weil man die Auseinandersetzung mit anderen Menschen scheut.
Für mich z.B. sind es auch zwei Paar Schuhe, mich einerseits ausschließlich in bestimmte sogenannte Objekte zu verlieben, aber dennoch großen Wert auf ein gepflegtes soziales Umfeld, Freunde und Menschen Wert zu legen, die mir wichtig sind und ohne die ich nicht leben könnte. Beziehungen sind komplex und beschränken sich nicht auf die Partnerwahl, die nur eine Facette davon ist.
In Teil 2 des Interviews spricht Joachim über Beziehungstrennungen und seine Wünsche an die Gesellschaft.