Kinderhand mit Viggo in Erwachsenhänden

Moderne Medizin und heilende Hände? Wieso nicht? © Christopher Meredith under cc

Um die Möglichkeiten der Psyche voll zu entfalten, ist ein neuer Pragmatismus zwischen all den Fraktionen, um das Krankheitsgeschehen, hilfreich.

Wenn Krebs die Botschaft der radikalen Selbstverwirklichung hat, wie der Arzt und Psychotherapeut Rüdiger Dahlke annimmt und ein Standbein der Zuversicht, wie oben erwähnt aus der Suche nach dem, was zu mir passt, an was ich glauben kann, erwächst, dann gehen diese beiden Ansätze ganz gut zusammen. Man kann zunächst bei der Frage ansetzen: Was muss passieren, damit ich überzeugt bin?

Darum ist ein neuer Pragmatismus auch erfreulich. Es gibt Chirurgen von Rang, wie Prof. Dr. med. Waldemar Uhl vom Bochumer Uniklinikum St. Josef, die mit Handauflegen und Meditation neue Wege gehen und Erfolge haben, bei den schlimmsten Tumorenarten. Es geht hier um die Kombination von neuesten Verfahren und alten Wegen, das muss es aber nicht. Wer überzeugt ist, dass allein die Schulmedizin die besten Waffen hat, den sollte man auf diesem Weg unterstützen und nicht irritieren.

Problematisch in den Augen vieler sind diejenigen Patienten, die ausschließlich alternativmedizinische Methoden bevorzugen, weil man davon ausgeht, dass sie eine Therapie mit besseren Mitteln versäumen. Es tut weh, wenn ein naher Mensch nicht alles versucht. Hier gilt zum einen, sich selbst zu testen, warum man möchte, dass ein Patient so und nicht anders therapiert wird. Zum anderen, die Unterscheidung zu treffen, ob ein Mensch durch die Diagnose ein Trauma oder eine Depression erlitten hat – dann sollten wir versuchen dem Menschen zu helfen, bis er wieder eigenverantwortlich entscheiden kann – oder ob ein Mensch klar und in vollem Bewusstsein sagt, was will und was er ablehnt. Das müssen wir lernen zu respektieren, auch wenn es schmerzt und für die Gesellschaft ein Ärgernis darstellt.

Eine eindeutige Warnung muss man dort aussprechen, wo Therapeuten aus dem Bereich alternativer Ansätze suggerieren, man solle einzig und allein auf ihr Verfahren vertrauen und eventuelle etablierte Verfahren, die mitunter bewährt und erfolgversprechend sind, gar nicht erst beginnen oder abbrechen. Ebenfalls zu warnen ist vor Geschäftemacherei in diesem Zusammenhang, nur gibt es hier kein klare Definition und man sollte nicht so tun, als sei dies das Problem einer Fraktion. Noch der dubioseste Heilsversprecher findet sein lautes Echo in der Perfidie des Essener Brustkrebs-Skandals.

Doch genau hier ist eine unideologische Differenzierung, bei klarer Distanzierung, notwendig, gegen die übertriebene Polemik beider Seiten, zum Wohle des Patienten. Der Vorwurf, es würde mit den Ängsten des Patienten gspielt oder unbegründete Hoffnungen geweckt, ist jedoch zu entkräften. Ängste haben Patienten mit chronischen oder tödlichen Erkrankungen ohnehin, zurecht. Und Hoffnungen wecken? Genau darum geht es. Unbegründet? Das heißt einfach statistisch oder nach menschlichem Ermessen. Aber hier geht es um Wunderheilungen. Ein neuer Pragmatismus kann das im Blick behalten.

Radikaler Subjektivismus

Es ist kein Egoismus im Sinne der Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen, sondern viel mehr ein radikales Bekenntnis zu sich, was das Steuer möglicherweise herumreißen kann. Noch einmal: Es geht nicht um die optimale Therapie nach allen Regeln der ärztlichen Kunst, sondern um Wunderheilungen. Diese letzte Trumpfkarte und darum, was möglicherweise passieren muss, damit sie ins Spiel kommt.

Manche erfahren die Wunderheilung als Geschenk. Sie werden zum Sterben nach Hause geschickt, mit der Prognose, sie hätten noch ein paar Wochen, vielleicht wenige Monate zu leben und irgendwann ist diese Frist abgelaufen und die Menschen leben immer noch. Schließlich gehen sie zum Arzt und dieser diagnostiziert, dass die Erkrankung vollständig verschwunden ist.

Wieder andere sind von irgendeiner Aussage überzeugt, wie der Mann im Film, der seine Krebszellen durch innere Bilder und Vorstellungen zerstören wollte und gesagt bekam, er müsse sie durch etwas Gesundes ersetzen. Das brachte die Wende – für ihn.

Doch man kann sich nicht selbst hinters Licht führen und aus einem Kalkül heraus nun auf einmal an etwas glauben, dem man vorher skeptisch gegenüberstand, doch lassen sich manche, im Angesicht des Todes, auf Dinge ein, die sie vorher ablehnten. Das ist keine Einbahnstraße hin zur Alternativmedizin oder dem Wunderheiler, Apple-Gründer Steve Jobs sagte kurz vor seinem Tod, er habe zu spät auf die Schulmedizin vertraut. David Servan-Schreiber, der ein wunderbares Anti-Krebs-Buch geschrieben hat, ist letztlich selbst an Krebs gestorben. Zwar hat er seinem Hirntumor Jahrzehnte abgetrotzt, doch berührt das eher Therapie als Wunderheilungen.