Mann beugt sich über tote Frau, Gemälde

Darstellung einer nekrophilen Szene; Quelle public domain

Sexuelle Praktiken, wie bestimmte Rollenspiele (nicht zwingend mit Verkleidung), sind ein gesunder Weg um normale Aggression, die zu jeder intimen Paarbeziehung gehört, auszuleben. Dazu kann auch gehören, sich oder den anderen in gegenseitiger Absprache – die auch aus einem stillen Verstehen bestehen kann – zum reinen Lustobjekt zu machen und machen zu lassen und, sich salopp gesagt, nach Strich und Faden durchvögeln zu lassen. Das ist völlig in Ordnung, problematisch wird es hingegen, wenn die Asymmetrie und Degradierung kein Teil des gelegentlichen Sexspiels, sondern Teil einer völlig asymmetrischen Beziehung ist, in der einer dem anderen ausgeliefert ist. Das merkt man schon, nur kann sich der Ausgelieferte dem nicht so einfach entziehen, eben weil er ja ausgeliefert oder hörig ist.

Homosexualität, Masturbation und Pornographie als sexuelle Praktiken

Homosexualität und Masturbation sind besonders leidenschaftlich umkämpft (worden), da sie in einem Spannungsverhältnis zwischen gesellschaftlicher Abwertung und psychischer Normalität stehen. Insbesondere männliche Homosexualität wird, vor allem in patriarchalen Gesellschaften und von patriarchalen Kreisen in aufgeklärten Gesellschaften, stark bekämpft. Demgegenüber steht der Befund, dass Homosexualität kein verursachender Faktor für eine Psychopathologie ist. Das heißt nicht, dass jeder homosexuelle Mensch gesund ist, es bedeutet, dass man sowohl bei homosexuellen, als auch bei heterosexuellen Paaren die ganze Palette von völliger Normalität bis zu schwerster Pathologie findet.

In unserer Kultur wird das Thema Homosexualität etwas gelassener behandelt, Ressentiments kommen aus den Ecken der Religionen, des Sports, des Militärs und überall dort, wo vermeintlich „ganze Kerle“ gefordert werden.

Mit der Masturbation geht man entspannter um, auch wenn sie öffentlich kein Thema ist, subkulturell ahnt man zumindest, dass diese harmlose sexuelle Praktik verbreitet ist. Eine gewisse Gefahr sah ausgerechnet der populäre Aufklärer Oswalt Kolle darin, dass wir uns zu einer Nation entwickeln, die auf Sex mit einem Partner verzichtet und stattdessen masturbierend vor Pornofilmen oder Sexchats aus dem Internet sitzt, „oversexed and underfucked“ wird das gelegentlich genannt.

Auch hier ist eher die Frage, inwieweit Pornographie und Masturbation Teil einer an sich reichen und erfüllenden Sexualität ist oder inwieweit sie diese einschränkt und zum Ersatz wird. Man muss generell das Element Sexualität als einen Baustein der Gesamtpersönlichkeit betrachten.

Koprophilie und Salirophilie

Bei diesen sexuellen Praktiken hat die Sexualität eine symbolisch aggressive Komponente. Koprophilie und Salirophilie teilen das Element des Beschmutzens, das in der Psychoanalyse als aggressiver Akt gedeutet wird. Wenn wir umgangssprachlich sagen, dass wir auf etwas „scheißen“, wird dieser aggressive Charakter erkennbar. Ausscheidungen rufen in der Regel Ekelreaktionen statt Lust hervor und neben dem, was selbst gefällt, ist immer auch wichtig, was dem potentiellen Partner gefällt. Allgemein gelten aggressive und entwertende Praktiken als heikel, hier sind Empathie und Absprachen ausgesprochen wichtig.

Swingerclubs und Gruppensex

Auch hier ist die Interpretation umstritten. Die Soziologin Miriam Venn untersuchte die Swingerszene im Rahmen ihrer Doktorarbeit und räumt mit dem alten Klischee der Schmuddelclubs auf. Insbesondere scheinen die Paare oftmals ihre Erlebnisse zu reflektieren, was ein gutes Zeichen ist.

Psychologische Untersuchungen deuteten eher in die Richtung, dass zumindest Gruppensex oft eher von einem der Partner gewünscht wird, während der andere dies, aus Abhängigkeit und Verlustangst, toleriert (vgl. Otto Kernberg, Liebesbeziehungen: Normalität und Pathologie).

Sadomasochismus und Gewalt

Sex-Praktiken des Sadimasochismus beinhalten das Spiel von Aggression, Macht, Kontrolle, Hingabe, Ausgeliefertsein – aber nach Regeln des gegenseitigen Einverständisses. Werden diese Regeln überschritten, ist das Vertrauen zerstört und das Spiel kann nicht weiter gehen.

Der charakterologische Sadomasochismus ist eine erweiterte Komponte in der die Asymmetrie der Beziehung zur Voraussetzung für die Beziehung und sexuelle Begegnung wird. Wieder steht die Liebe im Dienst der Aggression, bei der rein sexuellen Komponente kann es umgekehrt sein, wenn die Grenzen respektiert werden. Je mehr Gewalt (Beißen, Schlagen, Kratzen, Würgen) eine Rolle spielt und zum Erreichen des Orgasmus nötig ist, umso problematischer und gefährlicher ist eine solche Beziehung.

Allgemein gibt es, auch weil die Erforschung der Sexualität kaum eine größere Rolle spielte, keinen echten Konsens bezüglich der Normalität und Pathologie von Perversionen, Paraphilien oder wie die von der Norm abweichende Sexualität sonst noch genannt wird.

Wichtige Elemente sind jedoch die Symmetrie der Beziehung, Empathie und verbindliche Absprachen, sowie das Verhältnis von Liebe und Aggression in der Beziehung und der Sexualität.

In Teil 3 der Serie betrachten wir grenzüberschreitende sexuelle Praktiken.