Konsumorientiertes Denken und Verhalten aufzugeben, wie in Teil 2 dieser Artikelserie beschrieben, kann einen Einfluss auf die Persönlichkeit haben und bei der Identitätssuche in einer überladenen Welt förderlich sein, denn die Suche nach der eigenen Identität scheint viele unabhängig von Alter und Status immer wieder zu beschäftigen.
Wer bin ich? – Identitätssuche ein Leben lang
Nicht nur Heranwachsende fragen sich, wer sie eigentlich sind. Auch im Erwachsenenalter wird man immer wieder mit der Suche nach dem Sinn, der eigenen Identität, konfrontiert und nicht selten wird diese in Teilen neu definiert. So bricht so mancher Workaholic auf Identitätssuche plötzlich aus seinem Full-Time-Job aus, tritt kürzer und entscheidet sich für ein neues Leben zwar mit finanziellen Einbußen jedoch mit einer höheren Lebenszufriedenheit. Ein anderer fragt sich womöglich nach dem getätigten Kauf seines zehnten Handys, wofür es gut sein soll, insbesondere in Zusammenhang mit der medialen Aufklärung über die Konsequenzen, welche die Entsorgung alter Geräte mit sich bringt, und verspricht sich zukünftig „Besserung“.
In unserer facettenreichen Welt, in welcher Individualität und persönliche Entwicklung groß geschrieben werden, in welcher man der jungen Generation vorwirft, gedanken- und perspektivlos zu sein, gibt es welche, die auch in essentiellen Bereichen auf der Suche nach Einklang mit der eigenen Identität umdenken.
Identitätssuche im Überfluss: Selbstwirksamkeit statt Verantwortungsdiffusion
Auf der Suche nach sich selbst und einem neuen Verständnis von der Welt, starten Neo-Minimalisten den Versuch, die Kontrolle wiederzuerlangen. Sie wollen auf ihre Bedürfnisse hören und nicht auf die von Medien und Umwelt getriggerten. So lebt ein Handy gar mehrere Jahre beim Neo-Minimalisten, bis es tatsächlich seinen Dienst quittiert, und Haare dürfen auch nach Haaren riechen, ein fruchtig-pfirsichhaltiger Geruch ist nicht vonnöten.
Ziel ist es, Verantwortung zu übernehmen, anstatt sich selbst der großen Masse in erlernter Hilflosigkeit und Apathie unterzuordnen. Man will nicht länger ein kleines Rad im Getriebe sein, das den großen Motor nicht verändern kann. Man fängt im Kleinen bei sich selbst an – für ein besseres Leben und eine bessere Welt.
Mit einem stärkeren Kontrollgefühl des eigenen Lebens und einer Verminderung der Abhängigkeit von Konsum und externen Faktoren steht zumeist auch eine höhere Selbstwirksamkeitserwartung in Zusammenhang – ein wichtiger positiver Baustein für die eigene Identität. Hat man einmal erlebt, dass man etwas bewirken kann (und sei es nur im Kleinen), wird sich diese Überzeugung zukünftig festsetzen, man empfindet sich selbst als nachdenklichen, hinterfragenden Menschen, was „Rückfälle“ in konsumlastige Gewohnheiten (schon allein aufgrund des schlechten Gewissens und der bereits gefühlten Unabhängigkeit) durchaus erschweren kann.
Doch was macht die Wirtschaft, wenn neben gesättigten Märkten nun auch noch störrische Verbraucher hinzukommen? Verbraucher, die einfach nicht mehr kaufen wollen, nicht einmal mehr Hybrid-Autos, täglich ein Bio-Hühnchen und einmal im Monat Naturfaser-Fairtrade-Baumwollhosenanzüge für ihre Kinder – sondern alles reduzierter, weniger oft.
Kulturelle Identitätssuche versus Konsumgesellschaft
Schon jetzt wenden sich Unternehmen zwar zunehmend internationalen Märkten zu, doch es ist wohl eine Utopie zu glauben, Deutschland würde als Absatzmarkt an deutlicher Wichtigkeit verlieren. Und letztendlich ist es ja auch aus Verbrauchersicht gut, zu wissen, dass man könnte, wenn man wollte. – Womöglich ist Neo-Minimalismus also nur das Aufbäumen einiger Nonkonformisten auf Identitätssuche oder aber der Beginn – ein aufflackerndes Flämmchen – zum Umdenken einer ganzen Gesellschaft, welche begreift, dass man nicht mehr so weitermachen kann wie bisher, welche in ihrem Verständnis von sich selbst annimmt, verantwortungsvoll zu sein und tatsächlich nachhaltig zu agieren – durch Konsumeinschränkungen und Neuorientierung auf andere Werte, durch Veränderung der kulturellen Identität.
Was bleibt, scheint letztendlich schon klar: Die eigene Motivation sollte bestimmen, welche Richtung man einschlägt. Wie minimalistisch man lebt, welche Dinge man braucht – tatsächlich benötigt -, darüber entscheidet jeder für sich. Jedoch dürften bei der Identitätssuche in einer individualistischen, konsumorientierten Gesellschaft Nachdenklichkeit und Unabhängigkeit konträr zu übermäßig getriggertem Kaufverhalten sein – darüber hinaus galt zu folgen, ohne die Gesellschaft zu hinterfragen, schon immer als gefährlich.