Kann der Mensch wie ein Tier empfinden? Wie es ist, ein Tier zu sein ist eine Frage, die vor allem in den Philosophie einige verdiente Berühmtheit erlangt hat. Hier sehen wir, wie sich die Bereiche der Psychologie, Ethologie und Philosophie überlappen. Es war Thomas Nagel der 1974 diese Frage in der konkreten Form „Wie es ist eine Fledermaus zu sein“ der Wissenschafts- und Philosophengemeinde vorlegte. Dabei meinte Nagel nicht die Fledermaus als solche, sie war nur ein Aufhänger, er wollte die Frage breiter stellen, nach dem: Wie es ist, ein Tier zu sein oder anders formuliert: Kann man eigentlich wie ein Tier empfinden?

In der ersten Folge der Mensch und Tier Serie stellten wir kurz die autistische Professorin für Viehzucht Temple Grandin vor, die der Meinung ist selbst sehr weitreichend, wie ein Tier empfinden zu können. Ihre Belege sind unter anderem, dass sie aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen sofort erkennen kann, was ein Tier empfindet und eventuell erschreckt. Ändert man etwas, gemäß ihrer Anweisungen, verändern die Tiere ihr Verhalten in der gewünschten Weise. Das ist klassischerweise das, was man ein gelungenes Experiment nennt.

Der bekannte Neuropsychologe und Buchautor Oliver Sacks schrieb in „Der Mann der seine Frau mit einem Hut verwechselte“ die Geschichte von der „Hundenase“, einem angeblichen Patienten, der durch Drogenkonsum auf einmal in der Lage war, die Welt ähnlich einem Hund zu riechen, darunter auch die Emotionen der Menschen. Dieser Zustand hielt über mehrere Wochen an, in seiner Autobiographie „On the Move: Mein Leben“ lässt Sacks uns wissen, dass es in Wirklichkeit seine eigene Erfahrung war.

Beantwortet das schon die Frage, ob man wie ein Tier empfinden kann? Manchmal und manche offenbar ja? Thomas Nagel, der Philosoph will es grundsätzlicher und fragt, anhand welcher Kriterien man überhaupt erkennen kann, dass man wie ein Tier empfindet.

Das ist der Türöffner zu einer kontroversen und spannenden Diskussion in der Philosophie, die uns von dem Thema scheinbar wegführt, aber nur um dann punktgenau wieder dort und bei allen Problemen der Deutung in Psychologie und Ethologie (vergleichende Verhaltensforschung) zu landen. In welcher Beziehung steht nämlich das Verhalten oder seine Veränderung zur Empfindung von jemandem? Sei er unser Partner, eineiiger Zwilling, Hund oder eben eine Fledermaus.

Wie man das Verhalten von Tieren interpretiert

Was tun wir eigentlich, wenn wir sagen, dass unser Hund sich freut? Wir deuten sein Verhalten. Er wedelt, bellt, springt vielleicht an uns hoch, läuft, scheinbar erwartungsfroh, hin und her und uns erscheint es so, dass er sich freut. In dem Moment sind wir alle Verhaltensforscher, denn wir sprechen einem Verhalten eine Empfindung zu. Die Idee dahinter ist, dass das, was das Tier tut uns Auskunft darüber gibt, wie es empfindet. Wir können das Tier nicht fragen, ob es stimmt, darum bleibt unsere Verhaltensdeutung letztlich Spekulation. Wir glauben, der Hund sei ängstlich, freudig und so weiter und begründen das mit seinem Verhalten in ähnlichen Situationen. Wenn es raus geht, Leckerchen gibt, wenn ein Familienmitglied nach Hause kommt, immer dann zeigt der Hund dieses Verhalten. Das wird wohl eher Freude sein, als beispielsweise Todesangst und so machen diese Theoriebildungen, dass ein bestimmtes Verhalten eben anzeigt, dass der Hund sich freut, durchaus Sinn. Aber es bleibt unsere Theorie über sein Verhalten.

Wie ist das eigentlich mit dem Menschen? Den können wir fragen. „Sag mal, wie fühlst du dich?“ Und er kann antworten: „Ich freue mich, ich bin überglücklich.“ Das ist klipp und klar, oder? Woher wissen wir eigentlich, dass der andere mit „Freude“ und „Glück“ genau das meint und verbindet, was wir damit verbinden? So im Großen und Ganzen gibt uns die Aussage des anderen, dazu sein Strahlen und seine Gestik ein gutes und sicheres Gefühl. Wird schon stimmen, was er sagt, passt alles gut zusammen. Auch das besagt letztlich nur, dass das Verhalten eines Menschen gut mit seinen Aussagen zusammenpasst und beides gut zu unserer Theorie über ihn. Sieht glücklich aus, sagt, er sei glücklich, verhält sich so, wie wir es von jemandem, von dem es heißt, dass er glücklich sei, erwarten würden. Wobei Ludwig Wittgenstein uns lehrte, dass der erste und letzte Punkt zusammenfallen. Jemand entspricht unseren Erwartungen oder Theorien. Und diese sind nicht an den Bäumen gewachsen, sondern wir haben sie von anderen gelernt. Da schreit jemand „Aua“, tanzt mit einer Schüttelbewegung herum, flucht und schreit eventuell und wir lernen von einem anderen die Deutung: „Oh, der hat sich weh getan.“ Eine Aussage wie die, dass eine Theorie Sinn ergibt und erwartetes Verhalten erzeugt ist schon ganz gut, aber wenn es ums Prinzip geht, nicht gut genug. Wissen wir denn nun wirklich sicher, wie jemand empfindet, wenn er ein bestimmtes Verhalten zeigt?

Qualia und Zombies

Bevor es zu theoretisch wird, ein Blick zurück auf die Psychologie und den Alltag. Kommen die größten Missverständnisse nicht gerade dadurch zustande, dass wir glauben den anderen sehr gut zu kennen und dann doch überrascht sind, wenn wir erfahren, dass bestimmte Gesten, Gesichtsausdrücke, Reaktionen in Wirklichkeit vom anderen ganz anders gemeint sind, als wir seit 8 Jahren glauben? Richtig kompliziert wird es erst, wenn wir sagen: „Ich weiß genau, wie du das meinst, gib es doch wenigstens zu.“ Heißt das nicht eigentlich, man wisse besser was der andere wirklich fühlt und denkt, als er selbst es weiß oder zugibt? Letztlich ein Kampf der Deutungshoheit von meiner Theorie über dein Verhalten und deiner Theorie über dein Verhalten. Auch der Alltag ist kompliziert, wie alle, die in einer längeren Beziehung waren oder sind, wissen.

In der Psychotherapie versucht man letztlich auch nur, das Verhalten eines Menschen, inklusive Körpersprache und Gegenübertragung mit seinen Aussagen zu vergleichen. Jemand der zusammengesunken, mit verschränkten Armen und finsterer Miene da sitzt und sagt er sei glücklich und gelöst, das passt nicht zusammen und der Psychotherapeut wird versuchen, das durch Nachfragen zu klären.

Nichts anderes tut hier die Philosophie, wenn sie die Frage, ob man aus dem, wie sich jemand verhält zweifelsfrei ableiten kann, wie er sich fühlt auf die Spitze treibt. Das tut man in der Qualia Diskussion und Thomas Nagel war es, der diese eröffnet oder zumindest forciert hat. Wie es ist, eine Fledermaus zu sein? Kann man wie ein Tier empfinden? Wie ein Hund, Schimpanse oder wie der eigene Zwilling? Die Philosophie spitzt noch mehr zu. Gesetzt, man könnte sich klonen lassen und ein anderer, der genau so aussieht wie man selbst und sich zudem identisch verhält wäre in der Welt. Man nennt so ein (Kunst-)Wesen einen philosophischen Zombie. Empfindet der genauso wie man selbst empfindet?

Dass man überhaupt ein bewusstes Wesen ist, weiß man ganz sicher nur von sich selbst. Der Zombie, der sich exakt so verhält wie man selbst, könnte eine seelen- und bewusstloser Apparat sein. Wir wissen es einfach nicht. Wenn jemand bei Schmerzreizen schreit, bei Trauer weint und Freude lacht, nehmen wir an, dass er ähnlich wie wir empfindet, aber das ist nur eine Theorie. Auch wenn wir mit jemandem ein tiefgehendes Gespräch über Kunst, Politik und die Liebe führen, könnte der Gesprächspartner ähnlich empfinden wie wir. Aber auch das wissen wir nicht.