Über Geschmack lässt sich nicht streiten, heißt es, über den guten Geschmack und seine Grenzen wird aber dennoch gestritten, zumindest aber viel geschrieben und geredet.
Der Konsum von Wein stagniert weltweit auf hohem Niveau, in Deutschland steigt er sogar noch an, aber: Warum trinkt man eigentlich Wein? Nun, an aller erster Stelle denkt man, wohl zurecht daran, dass der Wein, demjenigen, der ihn trinkt, ganz einfach schmecken könnte. Aber gerade beim Wein ist es mit einem lapidaren „Jo, schmeckt“, oder eben auch nicht, selten getan. Wein steht bei uns für auch noch etwas anderes. Wein zu trinken ist irgendwie auch Lebensgefühl, manchmal eine Wissenschaft, es kann ein lustvolles Hobby sein oder großes Getue.
Wann ist ein Witz eigentlich lustig? Nun, auch hier: Wenn man lachen muss. Aber, so wie eben nicht jeder dasselbe trinken mag, so hat auch nicht jeder den gleichen Humor. Vom platten Schenkelklopfer über die Schadenfreude bis zum feinsinnigen und hintergründigen Humor oder den bissig-bösen Ansätzen vieler Kabarettisten – da geht vieles, aber nicht immer zusammen. Vermutlich findet man selten Menschen, die den Humor von Mario Barth gut finden und solche, die eine satirische Distanzierung von ihm, wie sie Christine Prayon darstellt, gleichermaßen erheitert.
Aber ist es so einfach? Gibt es den steilen und linearen Aufstieg von der Plörre im Tetrapack des Discounters, der sogar dort im untersten Regal steht, bis zum erlesen Spitzenwein, mit 103 von 100 möglichen Punkten bei Parker? Ist das alles nur ein einziger Hype oder, um es mit Jürgen Becker, dem Moderator der Mitternachtsspitzen zu sagen: „Kabarett schön und gut. Aber man muss auch mal nen Witz machen können.“?
Was den guten Geschmack und seine Grenzen auszeichnet, ist vielschichtiger.
Die direkten Wirkungen
Der Wein regt an, genauer, der Alkohol in ihm. Er macht lockerer, enthemmter und so ist der häufigste Trinkertyp der Entspannungstrinker. Man trinkt, um in Stimmung zu kommen, Stress und Anspannung abzubauen, hinter sich zu lassen. Wenn man nicht bereits ein süchtiger Trinker ist, dessen gefühlter Stress daran liegt, dass er noch keinen Alkohol getrunken hat. Aber das ist ein eigenes Thema, um das es hier nicht gehen soll.
Die entspannende Wirkung geht fließend in eine berauschende über, ist man in Gesellschaft lacht mal vielleicht ein wenig mehr als sonst und tut möglicherweise Dinge, die man sonst nicht unbedingt täte. Die Kritikfähigkeit sei in diesem Zustand etwas herabgesetzt, heißt es und diese Stimmung passt ganz gut zu derben, zotigen Witzen, passenderweise zum Ballermannklamauk, Bierzeltwitzen oder solchen auf Vereins-, Familien- oder Betriebsfeiern. Da hört man dann auch mal Witze, die sich sonst nicht gehören, nun aber ist man etwas mutiger und enthemmter, denn Enthemmung ist hier Programm.
Beim subtileren Humor wird eigenes Mitdenken verlangt. Die Pointen werden anspruchsvoller, die derben Schenkelklopfer ausgedimmt. Manche kabarettistischen Darbietungen haben ab und zu den Charakter einer Strafpredigt. Da ist tendenziell eher schlechte Laune Programm, aber zuweilen so gut, intelligent und virtuos gemacht, manchmal sogar aufklärerisch im besten Sinne, dass man die leisen Schmerzen in kauf nimmt. Nur kann der Kabarettist eben kein Rezept der Wiedergutmachung verteilen, da hatte es die Kirche besser. Drei Vaterunser und das Sündenregister wurde auf „Reset“ gestellt. Dafür sind beim Kabarett im Regelfall die Pointen besser und auch die haben Wirkung, nämlich die Spannung im erlösenden Lachen abzubauen. Um das mit gebührendem Genuss verfolgen können, muss man wach sein, aufmerksam, wissen und verstehen, worum es geht und am Ende Sinn für Humor und das Groteske haben, sowie über ein wenig Selbstironie verfügen. Das kostet etwas mehr, als nur den Preis der Eintrittskarte, will man von dem Programm selbst etwas haben.
Man genießt ein Lebensgefühl
Und auch das gehört dazu, der Kabarett- und Weinliebhaber hat die Eintrittskarte zu einer etwas elitären Gesellschaftsschicht gelöst. Umso mehr, wenn man den einen oder anderen pointierten Spruch zur Qualität des Programms oder des Weins drauf hat. Das macht die Geschichte auch so missbrauchsanfällig. Man kann relativ leicht und ohne größere innere Anteilnahme so tun, als ob, indem man sich ein paar Standardsprüche antrainiert. Wenn man dazu gehören will. Sei es, um Eindruck zu schinden oder sei es, um etwas von dem Lebensgefühl kosten zu wollen.
Der breiteren Masse wurde der Wein vermutlich durch die italienischen Gastarbeiter näher gebracht. Der Vino Rosso und die (süd)italienische Art zu leben, Dolce Vita, Sonne, Genuss und Amore, das war nach dem Geschmack der Deutschen, wenigsten für die obligatorischen drei Wochen Sommerferien. Und so hört man noch heute, in der „Szene“, die Weintrinker seien etwas andere Menschen, womit gemeint ist, etwas niveauvoller und kultivierter. Lockerheit, Genussfreudigkeit oder Kulturviertheit kann man nicht mal eben anknipsen. Doch ein Stück weit verändert natürlich auch das Sein das Bewusstsein und so spielt die Umgebung, über die Offenheit und Neugierde sich von ihr inspirieren zu lassen, auch eine Rolle bei seiner Entwicklung. Der Wein, den man bei seinem Lieblingsitaliener trinkt schmeckt dort oft gut, trinkt man ihn zu Hause verlieren sich der Zauber und Geschmack nicht selten.
Doch der Zauber wiederholt sich, wenn man mit innerer Anteilnahme dabei ist und nicht nur eisern ein Pflichtprogramm durchzieht, sondern tatsächlich eine neue Welt, mit anderen Erlebnissen und Erfahrungen, für die man sich öffnet erleben will.