Nach der psychiatrischen Klassifikation von Trichotillomanie gilt es nun, den Fokus auf klinische Forschungsansätze zu legen, um Ursachen und Behandlung von Trichotillomanie näher zu beleuchten. Dabei sollte allerdings berücksichtigt werden, dass die Forschung zwar erste Ansatzpunkte bietet, aber dennoch weiterführende Studien notwendig sind, um Trichotillomanie besser verstehen zu können.
Klinische Forschungsansätze zu Trichotillomanie
Wie bei vielen psychiatrischen Erkrankungen sind mehrere Komponenten im Zusammenspiel zu berücksichtigen, die zu Trichotillomanie führen können. Einige werden nachfolgend aufgeführt:
Genetische Faktoren
Gemäß erster Studien zeigt sich bezüglich der Trichotillomanie eine familiäre Häufung, wonach genetische Komponenten als eine Ursache zutreffend sein könnten (Chamberlain et. al., 2007). Gene, welche mit der neuronalen Entwicklung in Zusammenhang stehen sowie auch mit dem Tourette-Syndrom scheinen dabei eine Rolle zu spielen, zudem Gene, welche in Zusammenhang mit Serotonin-Rezeptoren stehen.
Daraus resultierende eventuelle neuronale Ungleichgewichte müssen jedoch noch weiter eruiert werden, um auf dieser Basis eine angemessene klinische Behandlung zu ermöglichen.
Verhaltensfaktoren
Wie sich in der Studienzusammenschau von Chamberlain et al. (2007) zeigt, haben offensichtlich Stress sowie psychische Belastungen eine große Bedeutung in Bezug auf eine Verstärkung der Symptome bei Trichotillomanie. Das Haareausreißen kann als eine Art beruhigendes Verhalten verstanden werden, es dient demnach zur Kompensation. So tritt Trichotillomanie häufig in Zusammenhang mit Posttraumatischer Belastungsstörung auf.
Ein weiterer Ansatzpunkt in der Forschung ist, so von Chamberlain et al. (2007) zusammengefasst, inwieweit Trichotillomanie in Verbindung zu süchtig machendem und positiv verstärkendem Verhalten stehen könnte, da dem Haareausreißen ein ansteigendes Spannungsgefühl vorweggeht und empfundene Entspannung im Nachhinein folgt.
Für einige Patienten mag das Haareausreißen eine Art selbststimulierende Funktion besitzen, da das Verhalten in Zeiten der Ruhe gezeigt wird.
Trichotillomanie vor dem Hintergrund von Zwangsstörungen zu beleuchten, ist ebenfalls ein wichtiger Forschungsansatz (Chamberlain et al., 2007). Dafür sprechen Ähnlichkeiten im klinischen Erscheinungsbild der Erkrankung, genetische Komponenten sowie positive Behandlungsaussichten bei Interventionen aus dem Zwangsspektrum.
Aus neurokognitiver Perspektive, so Chamberlain et al. (2007), kann Trichotillomanie als Verhaltensstörung angesehen werden, bei welcher kognitive Regulationsprozesse versagen. Häufig beginnt die Störung im Kindesalter, allerdings existieren auch Fälle, bei denen ein späterer Beginn eingetreten ist (Möller et al., 2009).
Klinische Behandlung von Trichotillomanie
In Bezug auf die klinische Behandlung von Trichotillomanie wurden Studien mit Verhaltenstherapien und Pharmakotherapien durchgeführt (Chamberlain et al., 2007). Eine formale Empfehlung zur Behandlung von Trichotillomanie abzugeben, scheint in Anbetracht der noch jungen Forschung zu gewagt – ein Umstand, der auch den Betroffenen bewusst gemacht werden muss. Für Trichotillomanie-Betroffene besteht demzufolge die Wahl zwischen möglichen Behandlungsansätzen und dem Abwägen von Behandlungserfolg und Nebenwirkungen.
Dennoch lassen sich positive Ergebnisse in Bezug auf die Behandlung von Trichotillomanie vermelden, wie Studien zeigen (Chamberlain et al., 2007).
Eine mögliche Verhaltenstherapie bei Trichotillomanie-Betroffenen ist der Ansatz, das Verhalten durch anderes Verhalten zu überspielen, sozusagen eine Verhaltensumkehr. Dies beinhaltet das Vollführen harmloser, alternativer motorischer Reaktionen, wie zum Beispiel die Faust zu umklammern, anstatt dem Wunsch des Haareausreißens nachzugeben (ggf. auch Haare pflegen, ohne sie auszureißen). Die Verhaltensumkehr hat eine Behandlungstradition bei „nervösem“ Verhalten und auch Tics.
Bei Pharmakotherapien kamen u.a. Selektive-Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) zum Einsatz, welche sich in Bezug auf das Zwangsspektrum als wirksam erwiesen haben.
Welcher therapeutische Ansatz in Frage kommt, muss in sorgfältiger klinischer Abwägung individuell erwogen werden. In einigen Fällen, so Chamberlain et al. (2007), könnte eine Duale Therapie, also eine Kombination aus Verhaltenstherapie und SSRI-Einsatz, Vorteile gegenüber einer Einzeltherapie bergen. Insgesamt ist weitere Forschung zur Behandlung von Trichotillomanie vonnöten.
Quellen:
- Chamberlain, S.R., Menzies, L., Sahakian, B.J. & Fineberg, N.A. (2007). Lifting the Veil on Trichotillomania. The American Journal of Psychiatry, 164(4). S. 568-574.
- Möller, H.-J., Laux, G. & Deister, A. (2009). Duale Reihe Psychiatrie und Psychotherapie (4. Aufl.). Stuttgart: Georg Thieme Verlag.