Die das ist nur ein Randbereich, es kam noch dicker, die Wissenschaft selber wurde suspekt und zwar gleich in mehreren Bereichen:
- Wissenschaft als Ideologie: Die Wissenschaft wurde häufig in einem Atemzug mit den Ideen der Aufklärung genannt. Ziel der Aufklärung war wesentlich, den Menschen zu befreien, auch aus dem so empfundenen Würgegriff der Religionen und der sozialen Asymmetrien und Ungerechtigkeiten, ihn anzuregen, selbst zu denken, kritisch zu denken und dies auch ernst zu nehmen. Einige Lautsprecher der Wissenschaft haben es in den letzten Jahren übertrieben und sind selbst einer szientistischen und nicht selten fundamentalistischen Ideologie verfallen. Der mit ideologischer Wut geführte Kampf vor allem gegen Religionen, aber auch gegen alles, was ihnen als Unsinn und religiöses Denken erschien wurde mit Mitteln geführt, die unter neutralen Beobachtern nur noch Kopfschütteln auslösten, was zu Sätzen führte wie: „Es gibt keinen Gott und Richard Dawkins ist sein Prophet.“ Und trotz aller Projektion von Erlösunsgphantasien auf die Wissenschaft und transhumanistischer Träume, ist davon weniger umgesetzt worden, als man meint.
- Forschungsinteresse und Kapital: Galt die Wissenschaft als unparteiisch, so gibt es in letzter Zeit immer mehr Erkenntnisse über die enge Verflechtung von Wirtschaftsunternehmen als Auftraggeber von Studien und der Wissenschaft, eine Entwicklung die Anlass zur Sorge gibt. In der Medikamentenforschung sind 90% aller Forschungen von der Pharmaindustrie finanziert: „Es ist derzeit gängige Praxis, dass negative Studienergebnisse nicht veröffentlicht werden, so dass die Belege, auf denen unsere Entscheidungen in der Medizin basieren laut Aussagen unabhängiger Fachleute systematisch verfälscht werden, um den Nutzen der verwendeten Medikamente aufzubauschen und die Schäden zu verharmlosen.“[2]
- Das wissenschaftliche Weltbild war im Grunde von Beginn an ein wissenschaftlich-technisches Weltbild, denn wesentliche Teile des Siegeszuges der Wissenschaft waren darauf zurückzuführen, dass man praktischen Ersatz für die entstandene Lücke anbieten konnte und diese Möglichkeit der praktischen Umsetzung war es, der die Menschen überzeugte. Man musste nicht groß argumentieren, die Vorteile lagen für alle auf der Hand. Es war immer die Stärke der Technik weiter zu forschen und zu entwickeln. Mochten die Weltanschauungen sein, wie sie wollten, die Technik und ihre Errungenschaften standen ein Stück weit außen vor und überzeugten durch Leistung und die Abstimmung mit den Füßen. Ein Produkt kam an, oder eben nicht und wo es ankam, bedeutete es fast immer Lebensverbesserung. Doch erstens wird mehr Technik heute nicht mehr zwingend mit einer Lebensverbesserung assoziiert, zweitens kennen wir etliche Fälle von Betrug in einem größeren Stil, die mit technischen Geräten und ihren Eigenschaften einhergehen, so dass die Konstante Technik ebenfalls ins Wackeln gerät. Einige Probleme sind in der Reihe Roboter und Psyche, Kollektive Kränkungen, Mediensucht und Pornosucht (demnächst bei uns) angesprochen, sowie in der Diskussion des Einbruchs, den es bedeutet, wenn Vertrauen verloren geht.
Ein Teilsieg der wissenschaftskritischen Fraktion, der dennoch bitter schmeckt, denn er trägt ein Stück weit auch dazu bei, dass niemand mehr irgendwem etwas glaubt und das ist ein Zustand der dauerhaft nicht angenehm ist und aktuell unter „postfaktisch“ kursiert, was bedeutet, dass alte Hierarchien und Strukturen wegbrechen und das geht in aller Regel zunächst mit regressiven Bewegungen einher.
Eine merkwürdige Spannung geht jedoch auch damit einher. Wir leben in Zeiten der Verunsicherung in denen eine Asymmetrie spürbar wird. Es geht uns immer besser, bekommen wir gesagt, aber das geht nicht mit dem Gefühl vieler Menschen einher und dabei sind nicht einmal die Abgehängten der Gesellschaft gemeint. Man hat das Gefühl, dass, der Mensch irgendwie stört und einfach zu blöd oder verwöhnt ist um einzusehen, wie gut es ihm eigentlich geht. Doch ich glaube, dass dieser Mythos insgesamt fragwürdig ist, ohne das an dieser Stelle vertiefen zu wollen, es sei lediglich darauf hingewiesen, dass wir Menschen offenbar nicht nur nach der Erfüllung äußerlicher Bedürfnisse streben, womit wir den Blick wieder auf unser inneres Haus und die außergewöhnlichen Bewusstseinszustände richten.
Was Psychotherapeuten sich fragen müssen
Eine therapeutische und philosophische Einordnung hat sich immer die Frage zu stellen, ob man das, was es zweifellos gibt, auch systematisch reproduzieren kann. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Mannigfaltigkeit der inneren Eindrücke immer wieder auch einen dramatisch verwandelnden Charakter hat, in Träumen, Phantasien, Drogenerfahrungen, Grenzerfahrungen, Nahtoderfahrungen, beim künstlerischen Ausdruck, in der Meditation, in spontanen Visionen. Das ist die eine Hälfte, deren Existenz und mitunter heilendes Potential wohl niemand bezweifelt. Das Problem besteht für die systematische Forschung immer darin, die Effekte, die es bei Einzelpersonen gibt, vielen Menschen zuverlässig zugänglich zu machen.
Unser inneres Haus besteht aus mehreren Stockwerken und Zimmern. Wir haben ein solides Erdgeschoss in dem im idealen Fall alles recht normal abläuft. Die Aufgabe eines Psychotherapeuten ist in vielen Fällen nicht dem Menschen seine Einzigartigkeit zu zeigen, sondern ihn gleichzeitig auch in das normale Leben einzufädeln und das normale Leben ist tatsächlich reichlich normal, bieder, manchmal langweilig, aber eben dadurch auch ungeheuer stabilisierend. Viele, die sehr viel Wert auf ihre Individualität und Einzigartigkeit legen, habe große Schwierigkeiten dieser biederen Normalität zu entsprechen und das heißt, liebes- und arbeitsfähig zu sein.
Gerade wenn es um außergewöhnliche Bewusstseinszustände geht, ist es wichtig, dieses Erdgeschoss gut funktionierend zur Verfügung zu haben und überall dort, wo man traditionell Ausflüge in Bereiche außergewöhnlicher Erfahrungen machte, wurde dafür gesorgt, dass man ein stabiles Umfeld hatte, innen, wie außen. Fasten, Reinigungsrituale, Körperübungen, einfachste Tätigkeiten und oft ein karges Leben gehörten dazu, etwas, von dem man dachte, darauf käme es nicht an, das sei überflüssiges Beiwerk und was man immer wieder mal gestrichen hat, zugunsten der eigentlich spannenden Erfahrungen, doch der Schuss ging dann oft nach hinten los. Es ist nicht gut, wenn man unvorbereitet irgendwelche Türen öffnet.
Und so hat unser inneres Haus noch einen Keller, in dem wir uns gewöhnlich nicht so gerne aufhalten, weil es staubig und muffig sein könnte, eng, dunkel und eventuell unaufgeräumt oder einfach voll von Dingen ist, die wir dort irgendwann mal abgestellt haben und sie vergaßen oder vergessen wollten.
Die außergewöhnlichen Bewusstseinszustände entsprechen am ehesten (aber nicht nur) dem Ausblick aus den oberen Etagen, dem Genialen und Visionären in uns, das oft mit dem Problem verbunden ist, nicht so richtig im Leben verankert zu sein. Wenn jemand dies nicht ist und sich auf all die Bereiche stürzt, in denen er nun auch noch gesagt bekommt oder liest, dass im Grunde jeder ein Genie ist und unendliches Potential hat, dann wird es unangenehm.
Leider gibt es die grobe psychologische Faustregel, dass diejenigen, die über die Maßen an sich zweifeln, noch das kleinste Haar in der eigenen Suppe suchen und damit oft verhindern wirklich mal durchzustarten und ihre Visionen zu leben, oft gut daran täten loszulegen und sich zu vertrauen, während diejenigen, die über ein Buch nach dem anderen über ihre Besonderheit verschlingen die Einordnung in die Normalität viel zu langweilig finden, genau jene Menschen sind die davon profitieren würden. Der Schatten ist nicht immer die eigene Großartigkeit oft auch die Konfrontation mit der eigenen Durchschnittlichkeit und Normalität. Das muss der Psychotherapeut auf dem Schirm haben und daher Klienten oft eher einbremsen und auf Solidität und Normalität bestehen. Das gilt auch für außergewöhnliche Bewusstseinszustände, die zu erleben vor allem dann Sinn macht, wenn der Rest stimmt und in Ordnung ist.