Viel von dem, was unter Generationenkonflikt läuft, sind eher Generationenfragen, die auf unterschiedliche Erlebniswelten zurückzuführen sind. Dabei gibt es eine Mischung von Erlebniswelten, die tatsächlich, ziemlich unabhängig von Zeit und Kultur, typisch für bestimmte Lebensalter sind und Erlebniswelten, die auf vergangene für die Generation typische Erfahrungen zurückzuführen sind.
Wir überblicken in den letzten Jahrhunderten in der Regel drei, seltener vier Generationen. Heute werden die Menschen älter, dafür sind in früheren Generationen die Kinder eher zur Welt gekommen, das gleicht sich ungefähr aus. Dementsprechend gibt es emotionale Beziehungen am intensivsten in zwischen den Eltern und Kindergenarationen und bis auf Sonderfälle, in denen Kinder aus irgendwelchen Gründen bei den Großaltern aufwachsen oder die Eltern-Kind(er) Beziehung schwer gestört ist, in abgeschwächter Form dann mit den Großetlern.
Die Funktion der Eltern in Kurzfassung
Es ist unmöglich, die Beziehung der Eltern zu ihren Kindern und umgekehrt knapp darzustellen, weil das ein eigener Kosmos ist. So kann hier nur darauf hingewiesen werden, dass die Beziehung der Eltern zu den Kindern wesentlich eine asymmetrische ist, natürlich vor allem in jüngsten und jungen Jahren, in denen die Kinder völlständig abhängig sind von ihren Eltern. Die Funktion der Eltern ist eine erziehende, sie sind es, die, wie gelungen oder missraten auch immer, den Kindern die Perspektive auf die Welt eröffnen.
Im Alter kann sich das umdrehen Eltern und Kinder können dann zu Freunden werden, doch oft bleiben sie alten in Rollenmustern verhaftet, bei der die Mutter dem 50-Jährigen Kind sagt, es solle sich doch warm genug anziehen. Noch später werden die alten Eltern eventuell hilfebedürftig, was dann zu erneuten Verwerfungen und Verwirrungen führen kann, wenn ein gebrechlicher Mensch noch immer das Regiment, mit einem einzigen Blick oder Wort, führt.
Die Großeltern
Die Großeltern spielen zumeist eine etwas andere Rolle, eine die der Elterngeneration nicht immer gefällt. Die Eltern sind einerseits (alle Aussagen beziehen sich immer auf den statistischen Regelfall, mir ist bewusst, dass es beträchtliche Abweichungen und Ausnahmen gibt) näher am Alltag der Kinder dran, mit all dem Ärger und der Routine, die Alltag eben oft bedeutet. Da liegen Freud, Leid, Bockigkeit und Nerverei oft dich neben einander, während die selteneren Stunden bei den Großeltern einen etwas herausgehobenen Status haben. Es kann sein, dass das manchmal langweilig ist, weil Großeltern und Enkelkinder vielleicht lebensweltlich zu getrennt sind, oft genug verstehen sie sich jedoch erstaunlich gut, nicht selten, weil die Großeltern etwas anders als die Eltern sind, manchmal etwas schrullig sind und sein dürfen und die Erziehungsregeln der Eltern nicht selten schamlos sabotieren, was den Kindern natürlich gefällt.
Die andere Geschwindigkeit der Großeltern ist oft etwas, auf das sich die meisten Enkelkinder einstellen können und die Lebensansätze der Großeltern sind oft in einer eigenartigen Mischung weiter weg und näher dran am Leben der Enkel. Das muss näher erklärt werden: Den Alltag teilen sie in der Regel nicht miteinander, aber die Großeltern haben viel hinter sich, mindestens die Erziehung eigener Kinder und können nicht selten mit einer gewissen Gelassenheit auf das Leben zurückblicken und oft viel entspannter mit den Enkeln umgehen, als mit den eigenen Kindern, damals. Ihr Schwerpunkt mag das häusliche und leibliche Wohl sein, von der Lebensrealität der Jugend sind sie manchmal erstaunlich weit entfernt, doch familiärer Zusammenhalt, Geschichten erzählen, wissen, wer wann Geburtstag hat, das geht immer. Nicht selten treffen sich Familienmitglieder bei der Oma und wenn die dann verstorben ist, hat man kaum noch Kontakt. Die Fokussierung auf das leibliche Wohl und das Unmittelbare, sowie einfach Zeit zu haben ist etwas, was Großeltern und Kinder stärker vereint, während die Generation der Eltern oft mit „Wichtigerem“ beschäftigt ist. Das kann etwas sein, was aus den Augen der Kinder und der Großeltern vielleicht manchmal gar nicht so wichtig ist, aber auch hier gibt es familiäre Besonderheiten, etwa den alten Patriarchen oder die alte Herrscherin, die überall die Strippen ziehen und sich ihre Wichtigkeit nicht nehmen lassen wollen oder können.
Doch über die Art und Weise des Lebensansatzes kommen die Enkel auch noch mit den Lebensfragen der alten Leute in Kontakt und diese sind nicht so heterogen, sondern von Generation zu Generation verschieden. Und viel spricht dafür, dass die Themen der Genetationen und ihr Wechsel heute kurzlebiger geworden sind.
Schimmer der Vergangenheit – Bis zum ersten Weltkrieg
Aus Biographien, aber auch Erzählungen der Großeltern wird die mittlere Generation noch hier und da Erinnerungen an weiter zurückliegende Zeiten mitbekommen haben. Einer meiner Urgroßväter ist sehr alt geworden und einige seiner Nachkommen auch, so dass ich noch mehr oder minder direkt in Kontakt zum Lebensgefühl vergangener Generationen kam, auch über eine längere Freundschaft zu einem 50 Jahre älteren Arzt, die über Jahre ging, bis er schließlich verstarb.
Für die Generation des mittleren und ausklingenden 19. Jahrhunderts galten im Grunde viele Ideale mit denen wir ganz aktuell ringen, ohne, dass wir schon eine gelungene Lösung präsentieren könnten. Die Rollen- und Familienmodelle der damaligen Zeit waren zu einem hohen Grad von der materiellen Abhängigkeit der Frau gegenüber dem Mann geprägt, der in vielen Fällen der unumschränkte Herrscher der Familie war oder diese Rolle wenigstens spielen durfte. Zugleich waren diese Rollen starrer als heute, sie wurden selten hinterfragt.