Der plötzliche Tod eines Elternteils
Diese Konstellation wird häufiger vorkommen und wenn ein Paar Kinder hat, ist es vermutlich für den hinterbliebenen Elternteil und die Kinder gleichermaßen wichtig, einander zu haben. Irgendwie muss es jetzt weiter gehen, schon weil da noch jemand ist, für den man verantwortlich ist. Man ist nicht allein und das ist so gut wie immer ein Vorteil.
Mehr noch, als wenn beide Eltern sterben, ist der Verstorbene in dem Moment besonders anwesend, wo er fehlt. Denn jetzt ist die Erinnerung gleichsam verdoppelt und zu Anfang natürlich der Schmerz über den, der jetzt für alle Beteiligten etwas anders fehlt, an den jeder seine eigenen Erinnerungen hat. Es braucht seine Zeit, bis der Schmerz im besten Fall allmählich in Erinnerung übergeht und in das, was noch hätte sein können.
Hier kann eine Kultur der Erinnerung vom überlebenden Elternteil und von älteren Kindern gepflegt werden, die sicher auch schöne Seiten hat. Es besteht lediglich die Gefahr, dass der nun plötzlich aus dem Leben gerissene Mensch übermäßig idealisiert wird und einen immer einseitigeren Status zugeschrieben bekommt und auf diese Weise eine Lücke reißt, die nie wieder zu füllen ist. Der Wunsch den anderen nicht zu vergessen und ihn gleichzeitig nicht zu überhöhen, als Menschen im besten Sinne – mit Stärken und Schwächen – in Erinnerung zu behalten, ist die Herausforderung in dieser Konstellation, um nicht alle späteren realen Beziehungen an der Übermacht des nun nicht mehr anwesenden idealisierten Verstorbenen abprallen zu lassen.
Schwierig es noch einmal werden, wenn nach dem plötzlichen Tod eines Elternteils der Partner irgendwann eine neue Beziehung eingeht. Eine Situation, die irgendwo zwischen gefühltem Verrat, eigenem Recht auf ein dennoch erfülltes Leben (niemand sucht sich aus den Partner früh zu verlieren) und der vermutlich vernünftigen Frage, was der Partner wohl gewollt hätte, wenn er gewusst hätte, dass der plötzlich stirbt, liegt. Auch für das Kind kann dies noch mal eine Achterhahnfahrt der Gefühle bedeuten. Wenn Menschen sich wirklich lieben, ist es für sie ein hohes Ideal, dass es dem anderen gut geht und daraus kann man viele Antworten im Bezug auf die Gestaltung des weiteren Lebens abzuleiten.
Der Suizid eines Elternteils
Der Suizid hat für die Hinterbliebenen immer eine besonders traumatisierende Wirkung, nicht nur, wenn junge Eltern sterben. Es ist die Mischung aus Schock und Schuldgefühlen, der Frage, ob man selbst etwas hätte merken oder anders machen müssen, der lähmt und entsetzt, den Partner, aber auch Kinder kann diese Phantasie beschäftigen. Die besondere Rolle des plötzlichen Suizids sei hier nur wegen ihrer psychologischen Bedeutung besonderns erwähnt, sie ist nicht unser eigentliches Thema.
Der sich abzeichnende Tod
Eine ebenfalls emotional schwierige, aber natürlich andererseits am besten planbare Konstellation, die dadurch, dass sie planbar ist aber auch erst die Frage aufwirft, was man am besten tun sollte, wenn man weiß, dass das eigene Leben, nach menschlichem Ermessen zu Ende geht.
Wir betrachten hier Ereignisse, bei denen es keine Wunderheilung oder Spontanremission gibt, bei denen, der sich abzeichnende Tod nicht durch ein plötzliches Geschehen ist, bei dem jemand nicht mehr zu Bewusstseins kommt und sich Wochen oder Monate zwischen Leben und Tod bewegt, bis er schließlich stirbt. Wir betrachten hier Ereignisse wie die Endphasen von degenerativen Erkrankungen, bei denen man dem Tod immer etwas näher kommt, was streng genommen natürlich für uns alle gilt, auch das sollten wir nicht vergessen.
Die Sorgen des sterbenden Elternteils
Da sind zum einen die Unsicherheiten im Bezug auf das eigene Sterben. Erfährt man, dass man eine potentiell tödliche Erkrankung hat, wie Krebs oder eine neurodegenerative Erkrankung, tritt auf einmal der Tod in unser Leben. Er war und ist zwar auf eine Art immer da, kann aber gewöhnlich gut verdrängt werden. Nun zumindest ist er in Sichtweite, wird zum Thema, um was man sich kümmern muss, was schlechter verdrängt werden kann.
Die ersten Ängste drehen sich nicht selten um die Ungewissheiten, die mit Sterben und Tod generell einhergehen. Neben der Angst vor Schmerzen und Atemnot, ist es die Sorge um Hilflosigkeit, anderen eine Last zu sein und die Frage, wie es beim Sterben und dann im Tod ist. Ist alles aus und was heißt das? Geht es irgendwie weiter und was bedeutet das? In Die Angst vorm Sterben – Der Tod als Teil des Lebens und Was tun bei Todesangst? – Therapie und Tod, sowie den Folgeartikeln sind wir diesen Fragen ausführlicher nachgegangen.
Ohne das durchaus oft dramatische Ende des Lebens schönzureden und vorsätzlich unrealistisch zu sein, darf man in vielen Bereichen heute Mut machen. Schmerzen können heute vermutlich besser genommen werden, denn je, auch bei der Atemnot kann man viel machen, durch das Wechselspiel von Sedativa, Sauerstoffgaben oder Inhalationen, der Tod selbst bleibt der große Unbekannte und hier spielt die Weltanschauung eine entscheidende Rolle, der wir uns unten widmen. Doch immer mehr Menschen lassen sich zu Fachkräften im Palliativ- oder Hospizbereich ausbilden, sind um das Thema bemüht und können wenigstens auf dem Weg zum Tod helfen.
So bekommen andere Fragen, die immer auch mitlaufen mehr Gewicht, die sich teils um den Sterbenden, teils um die Angehörigen drehen:
- Werde ich vergessen?
Vergessen wird man aus verschiedenen Gründen nie und wer weiß, dass er stirbt, kann den Grad und die Art und Weise der Erinnerung zum Teil beeinflussen. Wir gehen später ausführlicher auf beide Aspekte ein.
- Wie kommen sie ohne mich klar?
Eine oft berechtigte Sorge, doch im Fall des langsamen Sterbens haben die Angehörigen bereits die Möglichkeit das Leben ohne den Kranken unter den Bedingungen einer annähernden Normalität zu üben, da der Kranke mit der Zeit oft weniger seinen familiären Verpflichtungen nachkommen kann. Vielfach wachsen Menschen unter neuen Herausforderungen über sich hinaus, oft schätzt man sie auch falsch ein. Die emotionale Lücke ist es, die am schwersten wiegt. Am ehesten kommt man dann mit ihr klar, wenn man es sich und anderen erlaubt zu trauern.