Entspannung wäre angezeigt

Kinder sind glücklich, wenn sie Kinder sein dürfen. © dierk schaefer under cc
Forschungen haben gezeigt, dass das Beste für ein Kind ein im landläufigen Sinne normales Umfeld ist, in dem vor allem Spitzenaffekte vermieden werden. Spitzenaffekte zu vermeiden bedeutet keine grundlose Aggression, keine chronische Gewalt, keine sexuellen Übergriffe, kein Bezeugenmüssen der Letztgenannten, aber auch keine exzessive Beachtung, kein in den Himmel heben, kein Lob für jeden Pups.
Das passt ganz gut zu der hier schon vorgestellten Ideen, dass der Wegfall des Ödipuskomplexes, einer einerseits belastenden, andererseits aber auch schützenden und strukturierenden Situation ein Problem darstellt, eines, aus dem ein Anwachsen des Narzissmus in der Gesellschaft abzuleiten ist, das Bonelli, Brummelman und Jean Twenge ebenfalls konstatieren.
Übersetzt heißt das, dass viele Eltern sich entspannen und einen oder zwei Gänge raus nehmen können. Kleine Unachtsamkeiten wachsen sich nicht zum Psychotrauma und zur gravierenden Störung aus, chronische Vernachlässigung, Gewalt und Überbehütung sind zerstörerische Faktoren, aber in einem ruhigen und emotional verlässlichen Umfeld, in dem das Kind beachtet und geliebt, aber nicht dauerkontrolliert, gehyped und vergöttert oder nur vorgeführt wird, um zu zeigen, wie brav und hübsch es ist und wie toll es Geige spielt, ansonsten aber unbeachtet bleibt, sind Kinder robust und entwickeln sich gut. Dass das Kind sich vielleicht „nur“ wohl fühlt und mit dem Leben zufrieden ist, ist den Helicopter Eltern die immer nur das Optimum wollen, durchaus, zum Wohle ihrer Kinder, zuzumuten.
Bedingungslose Annahme und Therapieabbruch
Einen Dämpfer hat die Idee der bedingungslosen Annahme des anderen auch im therapeutischen Setting erhalten. Auch hier prallten zwei Weltanschauungen aufeinander, die eine besagt, dass das therapeutische Band des Vertrauens zwischen Patient und Therapeut nicht zerreißen darf und das aller Wichtigste wäre. Aus diesem Grund würde man Patienten zunächst einmal alles durchgehen lassen und ihr Verhalten mit Verständnis begegnen und tolerieren, später dann, wenn das Vertrauensverhältnis stabil ist, könne man dann immer noch schonend konfrontativer werden, auch aus der Sorge begründet, dass der Patient die Therapie abbrechen könnte.
Das andere Lager setzte von Beginn an auf Strukturierung und Behandlungsverträge, die sehr genau regeln, was erlaubt ist und was nicht. Tatsächlich kommt es mitunter zu, durchaus erwünschten, Übertragungen, das heißt der Patient fühlt sich brüskiert und drangsaliert, doch diese Übertragungsreaktion ist kein Fehler, sondern das, womit man arbeiten will. Im Unterschied zur obigen Gruppe traut man dem Patienten zu, diese Konfrontation auszuhalten, mit dem durchaus überzeugenden Argument, dass es sich vielfach um Menschen handelt, die ohnehin in all ihren Alltagsbeziehungen mit der Welt im Clinch liegen. Tatsächlich waren die Zahlen der Therapieabbrecher, entgegen der Sorge, beim strukturierten Modell erheblich geringer.
Falsche und echte Opfer
Die Tendenz aus jedem ein Opfer zu machen hat noch eine weitere, problematische Seite, nämlich die, dass nicht selten Menschen im Fokus des Interesses stehen, die viel Beachtung wollen, während tatsächliche Opfer von jahrelangem schweren, sexuellen Missbrauch, chronischen Gewalterfahrungen oder jene, die in ihrer Familie immer wieder mit ansehen mussten, wie der Vater die Mutter im Suff beleidigt, demütigt, vergewaltigt und schlägt, vielleicht nicht so einen glänzenden medialen Auftritt hinlegen können.
Es gibt traumatisierende und für Kinder schreckliche Ereignisse, die von Eltern unterschätzt werden, aber es gibt eben auch Schwierigkeiten im Leben, die ganz einfach dazugehören und die eher als Ankratzen der Komfortzone zu bezeichnen sind. Narzissten zeichnet es aus, dass die dezente Verletzung ihrer Komfortzone für sie mindestens gleichrangig mit einer echten Katastrophe im Leben eines anderen ist, was insofern folgerichtig ist, als sie sich für den wichtigsten Menschen der Welt halten. Da eines der Hauptcharakteristika des Narzissmus chronischer bewusster und unbewusster Neid ist, sei erwähnt, dass es vorkommen kann, dass Narzissten über das Leid eines anderen geradezu verbittert sind und zwar aus dem Grund, dass dieser beim Buhlen um Aufmerksamkeit die bessere Story hat. Er steht für einen Moment im Mittelpunkt, nicht sie.