Partnerschaft

Die Ebene Partnerschaft ist eine der weiteren wunderbaren Hilfen auf dem Weg zur Ich-Stärke und gleichzeitig ein Ort von menschlichen Dramen und Tragödien. Die Störung liegt auf der Ebene der Beziehungen und hier wird sie mit gnadenloser Konsequenz auch reinszeniert. Und ebenso schicksalhaft sucht und findet sich, wer sich braucht. Dabei ist die Faustregel: Jede Beziehung ist besser als keine Beziehung. Doch ich-schwache Menschen sind nicht immer gute Partner. Die Schwachen sind anklammernd und gleichzeitig oft manipulativ, die Starken sind oft despotisch bis in den Sadismus hinein. Nicht selten treffen sich zwei Partner, die beide ich-schwach sind und die Beziehung kann sie stabilisieren oder zum Fiasko werden, man kann es vorher nicht sagen.

Da in intimen Beziehungen die größten Traumatisierungen reinszeniert werden, immer mit dem Blick darauf, ob sie nicht doch zu lösen sind, ist für Spannung gesorgt, aber tragischerweise zerbrechen Beziehungen oft daran oder einer der Beteiligten oder beide müssen jede Menge Leid ertragen. Es ist wie oben erwähnt: ein ich-schwacher Mensch kann sich nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, die nicht genauso ticken wie sie. Entweder manipuliert er offen oder klammheimlich, dass es echten Altruismus, nicht ausbeutende Kooperation und eine aufrichtiges Interesse am anderen gibt, ist in seier Welt nicht drin und wenn der Partner zufällig so ein Mensch zu sein scheint, wird er getestet und provoziert, bis er schlussendlich auch so reagiert, wie der ich-schwache Mensch es herausgefordert hat, um dann die Gewissheit beibehalten zu können, dass doch alle Menschen gleich sind, nämlich genau so, wie der ich-schwache Mensch es immer schon wusste. Die Frustrationstoleranz des Partners muss schon groß sein, aber, manchmal geht die Sache tatsächlich gut und der ich-schwache Mensch sieht sich einem anderen gegenüber, der tatsächlich stabil, verlässlich und nachsichtig ist. Das kann eine Wende bringen.

Die Fähigkeit zur Abhängigkeit

Wenn einerseits die richtige Dosis Idealisierung gelernt werden muss, dann andererseits auch die richtige Dosis von Nähe und Distanz. Die Schwachen sind eher anklammernd, stoßen jedoch den Partner vor den Kopf (in dem heimlichen Glauben, dass sie ohnehin nicht liebenswert sind und der Partner schon längst auf dem Sprung in eine neue Beziehung ist, was praktisch ein übles Hin und Her von emotionaler Erpressung und Drama bedeutet), die Starken sind kalt und wechseln ihre Partner, wenn diese nicht richtig funktionieren oder einfach langweilig geworden sind, was schon im Moment der Eroberung der Fall sein kann, wie andere die Socken.

Die richtige Dosis der Idealisierung spielt natürlich auch in der Liebe eine Rollen. Man verliebt sich einfach nicht in einen Partner, den man als vollkommen durchschnittlich empfindet, da muss es schon knistern. Manchmal knistert es bei den Falschen, aber Liebe ist zu einem Teil eben immer auch schicksalhaft: Was soll man auch machen, wenn man das grundsolide Modell des Beamten oder der Sparkassenangestellten todlangweilig findet und man den Chef einer Gang oder die Punkerin viel spannender? Idealisierung gehört zur Liebe, der Partner muss schon als besonderer Mensch empfunden werden. Zuviel des Guten ist es, wenn der Partner einen gottgleichen Status bekommt (und übel, wenn er ein unbesiegbarer Teufel ist) und zu wenig ist, wenn man keine Götter neben sich dulden kann und die Rolle des anderen lediglich darin besteht, die eigene Großartigkeit zu bewundern und ansonsten ausgetauscht wird, wie eine kaputte Glühbirne.

Analog ist es mit der Fähigkeit zur Abhängigkeit. Man muss sich eingestehen und es aushalten können, dass der andere einem wichtig ist, das heißt aber, dass er damit auch ein Mensch ist, der mich verletzen kann. Wenn man überzeugt ist, dass jede Annäherung eine Schwäche ist und jedes Zugeständnis dazu verwendet wird, irgendwann dem anderen doch zu schaden, ist man vorsichtig. Man wird sich hüten in Abhängigkeit zu geraten. Wer einen anderen ganzen Menschen, mit eigenen und durchaus anderen Ideen und Gedanken, Wünschen und Gefühlen neben sich ertragen kann, ist gut dran und wer auch noch benennen kann, worin denn die Eigenheiten des anderen bestehen, im Vergleich zu den eigenen, der hat die Ich-Schwäche und die Identitätsdiffusion überwunden. Partnerschaft ist eine der großartigen Hilfen auf dem Weg zur Ich-Stärke und macht obendrein noch mehr Spaß, wenn sie auf Augenhöhe stattfindet, trotz oder gerade wegen all der möglichen Komplikationen.

Arbeit

Arbeit, ihre Regelmäßigkeit und die dafür notwendige Disziplin und Zuverlässigkeit, ist ein stabilisierender Faktor. Freuds Therapieziel war, die Liebes- und Arbeitsfähigkeit des Menschen herzustellen oder zu vergrößern und Freud lässt hier keinen Zweifel aufkommen:

„Keine andere Technik der Lebensführung bindet den Einzelnen so fest an die Realität als die Betonung der Arbeit, die ihn wenigstens in ein Stück der Realität, in die menschliche Gemeinschaft sicher einfügt. Die Möglichkeit, ein starkes Ausmaß libidinöser Komponenten, narzisstische, aggressive und selbst erotische, auf die Berufsarbeit und auf die mit ihr verknüpften menschlichen Beziehungen zu verschieben, leiht ihr einen Wert, der hinter ihrer Unerlässlichkeit zur Behauptung und Rechtfertigung der Existenz in der Gesellschaft nicht zurücksteht. Besondere Befriedigung vermittelt die Berufstätigkeit, wenn sie eine frei gewählte ist, also bestehende Neigungen, fortgeführte oder konstitutionell verstärkte Triebregungen durch Sublimierung nutzbar zu machen gestattet. Und dennoch wird die Arbeit als Weg zum Glück von den Menschen wenig geschätzt. Man drängt sich nicht zu ihr wie zu anderen Möglichkeiten der Befriedigung. Die große Mehrzahl der Menschen arbeitet nur notgedrungen, und aus dieser natürlichen Arbeitsscheu der Menschen leiten sich die schwierigsten sozialen Probleme ab.“[2]

Auch das ist kränkend für ich-schwache Menschen, die dem ganzen gutbürgerlichen Getue oft nichts abgewinnen können. Es gibt 1.000 Gründe, die dagegen sprechen, zum monotonen Gelderwerb zu trotten, aber Freuds Zeilen stehen dagegen und seine Argumente sind therapeutisch fast überall akzeptiert, auch wenn man sie nie gelesen hat. Arbeit macht sicher nicht immer glücklich, aber die unglücklichsten Mitglieder einer Gesellschaft sind Arbeitslose. Der Mensch will auch nützlich sein und wer arbeitet, wird als nützlich anerkannt, wer es nicht tut, hat fast immer Gründe zur Hand, warum er dennoch ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft ist oder er versucht sich herauszureden, in dem er die dummen Herdentiere verachtet, die regelmäßig einer Arbeit nachgehen. Die Kränkung liegt darin, dass im großen Strom mitzuschwimmen genau das ist, was man immer vermeiden wollte und wenn man dann dafür gelobt wird oder sich einfach nicht mehr langatmig herausreden muss, warum man nicht arbeitet, sondern man sagen kann, man tue dies oder das, ist in der Tat entspannend. Dass man dafür dann auch noch Geld bekommt, versüßt das Ganze noch einmal. Man bemerkt zumeist einen leisen Stolz, mindestens aber eine entspannte Zufriedenheit, wenn man einfach mal dazu gehört, was zwar dann problematisch ist, wenn man immer gegen arbeitende Spießer polemisierte, aber die Gesellschaft betrachtet es mit Nachsicht, wenn man irgendwann „vernünftig“ wird, sie hat ihr Ziel erreicht.

Ehrenamt, Zeit und Langeweile im Überfluss

Dabei ist es längst nicht das Geld allein, was Menschen motiviert, zu arbeiten. Es sind vor allem die innere Motivation und Anerkennung, ganz wie Freud es schon sagte. Die kann man auch im Ehrenamt erfahren und für viele Menschen ist es beglückend, für andere da zu sein. Hilfreich ist das in vielerlei Hinsicht auch für die eigene Ich-Stärke, denn die vergrößert sich, wenn man sich für andere engagiert und hat einen doppelten Effekt. Man tut etwas für sich, oft ist es etwas, was einem liegt, was man gut kann und dafür bekommt man Lob und Anerkennung. Zum anderen tut man etwas für andere und sieht deren oft glückliche und dankbare Gesichter und kann spüren, dass es gut tut, anderen zu helfen.

Man kriegt seine Zeit auch anders um und da gibt es positive und negative Ansätze, wie immer eingebettet in ein fließendes Kontinuum, das polar zu verstehen ist, nicht im Sinne von Antagonisten, die sich ausschließen. Auch mit Computerspielen und Masturbation kann man sich die Zeit vertreiben, nicht wenige tun das und sind dabei in einer eigenen Welt versunken, aber oft auch nahe an einer Suchtproblematik, sei es Medien- oder Onlinesucht im weiteren oder sogar Pornosucht im engeren Sinne.

Zwischenergebnis

Die Liebe und die Partnerschaft, der Beruf, sowie das schockartige Erwachen einer Selbsterkenntnis und natürlich eine tiefgehende Psychotherapie können helfen, den Spieß umzudrehen. Die Reise geht zunächst in Richtung Normalität und das ist nicht im Sinne eines erzwungenen Dienstes nach Vorschrift gemeint, sondern in dem Sinne, dass man immer weniger von der stillschweigenden Überzeugung ausgeht, dass die Welt sich einzig und allein um die eigenen Bedürfnisse zu kümmern habe. Da das inzwischen ziemlich viele meinen, liegt ein Problem schlicht darin, dass, wenn es nur noch Könige und Prinzessinnen gibt, niemand mehr Diener sein will. Ob die Ansprüche offen oder verdruckst geäußert werden, sie sind da und sie sind problematisch, nicht zuletzt, weil es einem damit selbst schlecht geht. Die Prinzessin auf der Erbse, die ihre Komfortzone minimal angekratzt sieht, ist nervtötend und leidet. Es geht ihr nicht gut mit ihren maximalen Ansprüchen, aber solange es in ihrer Welt nur sie selbst gibt, ändert sich das auch nicht. Das ist die bittere Wahrheit. Die Welt ist nicht perfekt, aus der Perspektive der Selbstwichtigkeit erst recht nicht und die Weigerung, sich damit abzufinden, macht nur noch unglücklicher. Das um was er geht, ist nicht Erziehung, sondern Öffnung. Das ist nur der erste Schritt und es bringt nichts drum herum zu reden, die ersten Hilfen auf dem Weg zur Ich-Stärke werden in aller Regel zunächst als ziemlich unattraktiv empfunden.

Die gute Nachricht ist, dass, wenn man das Tal der Tränen durchschritten hat, die Qualität und Vielfalt des Lebens tatsächlich steigen, denn diese können bei manifester Ich-Schwäche stark leiden. Wohin die Reise mit einem starken Ich gehen könnte, davon mehr in der nächsten Folge.

Quellen:

  • [1] Thorwald Dethlefsen, Altes Weltbild contra neues Weltild (Audio Vortrag), Aurinia Verlag
  • [2] Sigmund Freud, Das Unbehagen in der Kultur, Fischer-Studienausgabe Bd. IX, S. 212