Samuel Hahnemann Büste

Wer hat’s erfunden? Er, Samuel Hahnemann. © David under cc

Wie kann man neutral über die Homöopathie schreiben? Vermutlich gar nicht, weil auch darüber, was Neutralität bei der Frage nach der Homöopathie zu leisten hat, unterschiedliche Vorstellungen bestehen. Ein gerade in unseren Tagen oft eigenartig vergiftetes Thema, als hätten wir keine anderen Sorgen.

Wenn Sie diesen Artikel zu lesen beginnen, dann haben Sie zum Thema vermutlich schon eine Meinung und Affinität und damit Vorkenntnisse, so dass ich auf die nächste Darstellung darüber, wie homöopathische Mittel hergestellt werden und dergleichen verzichten kann, wenn Sie es nicht kennen, finden Sie es überall, im Zweifel hier.

Dass die Diskussion mitunter so emotional aufgeladen ist, hat wohl am ehesten damit zu tun, dass die Homöopathie einen beliebter Schauplatz für Stellvertreterkonflikte ist, bei denen vor allem Weltbilder manchmal erstaunlich heftig aufeinander prallen. Ein merkwürdig heißes Eisen, denn es wird ja niemand mit vorgehaltener Waffe zum Homöopathen gezwungen, es muss keiner, es darf aber jeder. Damit könnte man die Sache ruhen lassen, tut es aber nicht.

Die Homöopathie hat im Wandel der Zeiten immer ein unterschiedliches Ansehen gehabt, ersonnen wurde sie von Samuel Hahnemann zu einer Zeit, als die damals übliche Medizin noch sehr ruppig verfuhr, mit Aderlässen und massiven Dosen von Medikamenten, deren Wirkung man damals noch nicht systematisch untersuchen konnte und die vermutlich ebenso viele Menschen schleichend umbrachten, wie heilten. Wenn wir die Jahrhunderte überspringen, so stellt man erst einmal fest, dass es die Homöopathie noch immer gibt, blickt man etwas genauer auf die letzten Jahrzehnte sieht man einen steten Wechsel in der öffentlichen Wahrnehmung. War es eine Zeit lang mal fast angesagt zum Heilpraktiker zu gehen und der war es meist, der Homöopathie verordnete oder praktizierte, so ist ein Bekenntnis zur Homöopathie aktuell fast zu etwas geworden, für das man sich schämen muss, liest man die Artikel in manchen Wochenzeitschriften oder deren Onlineausgaben, die nicht nur zu Sommerlochzeiten immer wieder gerne nachweisen, dass an der Homöopathie so gar nichts dran ist.

Die Kritiker und Gegner

Damit sind wir schon bei den Gegnern der Homöopathie angekommen. Da sind zum einen die eher pragmatischen Gegner, die sich für die Homöopathie und andere Gesundheitsthemen eher weniger interessieren, denen das Prinzip der Homöopathie nicht einleuchtet und die lieber „was Richtiges“ wollen, wenn sie schon krank sind. Diese manchen das aus ihrer Sicht einzig Richtige, sie lassen sich anders behandeln und sind mit dem Thema damit auch schon fertig.

Doch nicht alle Gegner der Homöopathie sind Pragmatiker. Viele ärgern sich aufrichtig über sie, nachdem sie sich in die angebliche Wirkungsweise eingearbeitet haben. Sie wittern hier Betrug, weil ihrer Meinung nach an der Homöopathie nichts dran ist und arglosen Menschen einfach das Geld aus der Tasche gezogen wird: für eine paar doofe Zuckerkügelchen mit so gut wie nichts oder gar gar nichts drin. Betrug oder Volksverdummung, man ist verärgert und möchte die Menschen gerne darüber aufklären, was hier mit ihnen angestellt wird und wenn man das tut, ist man oft noch nachhaltiger verstört, wenn man feststellt, dass die Anhänger der Homöopathie das überhaupt nicht sonderlich schockt. Manche halten noch, mit mehr oder weniger guten Argumenten (aus Sicht der Kritiker immer mit weniger guten), dagegen, was die Gegner zu der Auffassung bringt, die Anhänger seien letztlich dumm, leichtgläubig oder irrational.

In der Hardcore-Abteilung der Gegner findet man auch solche, die notorisch auf Krawall gebürstet sind und für die nun das selbsternannte Projekt des Schutzes des Menschheit vor Verdummung zu einer Art überwertiger Idee geworden ist. Es existieren verschiedene Subtypen, generell kann man aber sagen, dass es bei Gegnern, wie Anhängern der Homöopathie alle extremen Ausprägungen gibt, aber sie sind eben tatsächlich die Extreme. Auf die sehr dunklen Bereiche beider Lager gehen wir später noch kurz ein.

Die Anhänger

Während die Gegner den Anhängern gerne unterstellen ahnungslos und naiv zu sein, sind die Anhänger der Homöopathie zumeist eher gut informiert, oft auch über die Studienlage und überdurchschnittlich gebildet. Die große Treue gegenüber der Homöopathie hat sicher eine Vielzahl von Gründen. Meist hat man einfach gute Erfahrungen und nutzt die Homöopathie seit Jahren bis Jahrzehnten, für die Ergebnisse der Studienlage interessiert man sich nicht wirklich, aus einer Vielzahl von Gründen. Angefangen von einen Wunsch nach einer sanften Alternative, bis zu einer gewissen grundsätzlichen Skepsis gegenüber verschiedenen Aspekten der Schulmedizin, wie sie hier oft genannt wird. Die unerwünschten Wirkungen, die knappe Zeit mancher Ärzte, sowie die Anonymität der Schulmedizin sind solche Gründe, die sich bis zu einer intensiven Abneigung gegenüber der Medizin steigern können, auch hier werden die Extreme zum Rand hin dünner.

Anhänger, die sich tiefer in die Hintergründe eingearbeitet haben, monieren, dass die Skeptiker der Homöopathie, diese von Beginn an nicht ernst nähmen und äußern sich ihrerseits skeptisch gegenüber der Methodik der Studien, wie wir später sehen werden nicht einmal so grundlos, wie man es im Lager der Gegner gerne meinen würde.

Die Pragmatiker

Vieler Anwender homöopathischer Mittel sind aber vermutlich ihrerseits Pragmatiker. Homöopathie ist nicht alles, was man akzeptiert und nutzt, sondern man mischt je nach Erkrankung, beginnt ’sanft‘, weil man sich und seine Lieben nicht vergiften will, tut sich dann aber nichts, ergänzt man andere Mittel, in einer Mischung aus Selbstmedikation und einem pragmatischen Hopping von Arzt, zu Heilpraktiker, zum Facharzt, manchmal auch parallel.

Manche gehen an das Thema dann sogar ein wenig zu pragmatisch heran, in dem Homöopathie bei Ihnen als Sammelbegriff für alles steht, was irgendwie naturheilkundlich ist. Ich habe schon gehört, dass Menschen sagten, sie würden auch die Homöopathie nutzen, weil sie bei Krankheiten zunächst Kräutertees versuchten. Nichts gegen Teebehandlungen, aber mit Homöopathie haben sie nichts zu tun. Ob die Homöopathie nun ein Naturheilverfahren ist, oder nicht, das wäre ein längere, eigene Diskussion, die aber eher für Experten interessant ist, eher nicht, lautet die kurze Antwort.

Gerade bei den nicht ideologischen Anhängern muss man sich fragen, warum sie sich homöopathisch behandeln lassen. Die einfache Antwort ist, weil sie bekommen, was sie erwarten und das ist, dass ihnen oft geholfen wird. Es ist schon vom Alltagsverständnis her absurd, anzunehmen, dass intelligente Menschen, immer wieder zu jemandem gehen, der ihnen nicht helfen kann, nur um aus ideologischer Verbohrtheit beim nächsten Mal gleich wieder hin zu gehen. Auch das mag es geben, aber es sind eben die Extreme. Die Mehrheit wird von dem Besuch profitieren, in dem Sinne, dass es ihnen hinterher tatsächlich besser geht. Und damit sind wir beim Eingemachten, was den Kleinkrieg angeht.

Denn selbst die Skeptiker würden nicht leugnen, dass jemand, der zum Homöopathen geht, von diesem Besuch gesundheitlich profitieren kann, die Frontlinie verläuft also an einer anderen Stelle. Die Gegner der Homöopathie argumentieren, dass es eine Fülle bestimmter Effekte gibt, die einen Besuch beim Homöopathen erfolgreich erscheinen lassen können, aber das ein Punkt dabei mit Sicherheit überhaupt keine Rolle spielt: Das homöopathische Mittel.

Wie das? Na, so:

Die Frage nach der Wirksamkeit und Studien zur Homöopathie

Denn nicht etwa das homöopathische Mittel habe geholfen, sondern eine Mischung vieler einzelner Faktoren, als da wäre, der Placeboeffekt, der durch eine Mischung aus positiver Erwartung und der langen Zeit, die man beim Gespräch mit dem Homöopathen verweilt, vielleicht noch seinem Charisma, dem aufwendigen therapeutischen Setting und die manchmal ritualisierten Verordnungsvorschriften zustande kommt. Ferner, gewisse Verzerrungen in der Wahrnehmung. Dann, dass viele Krankheiten mit der Zeit einfach von selbst wieder verschwinden und eben auch dann, wenn man gerade seine Globuli einnimmt und bei manchmal bezweifeln Kritiker sogar, dass eine Krankheit vorgelegen hat, das müsse man sich eingebildet haben.

Nun ist es so, dass all diese Einwände stimmen können, manchmal sogar in ihrer Gesamtheit stimmen können. Aber alles davon trifft ebenso auf andere Verfahren zu. Niemand lässt ja bei klarem Bewusstsein eine Behandlung an sich zu, von deren Wirkung er ausdrücklich nicht überzeugt ist. Auch alles andere, finden wir in Einzelfälle oder der Gesamtheit in anderen Bereichen der Medizin und auch unter üblicher Behandlung heilen Krankheiten zuweilen von selbst.

Der Placeboeffekt ist ein bedeutender Effekt bei jeder medizinischen Behandlung und rangiert nach gegenwärtiger Einschätzung etwa bei einem Drittel (25 – 40%) der Anteile an der Heilung oder Linderung einer Krankheit. Aber natürlich gibt es das Kernargument der Kritiker, nämlich die Unwirksamkeit der Homöopathie in Studien.

Ich habe über viele Jahre immer wieder Studien und Metastudien zur Homöopathie gelesen und ich will mich gar nicht mit einer ellenlangen Diskussion der Studienergebnisse aufhalten, jedoch die wesentlichen Punkte aus meiner Sicht erwähnen und auf bestimmte Aspekte eingehen. Studien zur Wirksamkeit gibt es mehrere und sie bestätigen im Grunde die Trends, die wir schon sahen. Fragt man die Menschen, ob sie von einer homöopathíschen Behandlung profitiert haben, sieht es gut aus, für die Homöopathie, schreitet man jedoch weiter zur Königsdisziplin der Doppelblindstudien, dann versagt die Homöopathie regelmäßig, sowohl bei Studien und Metastudien, deren Verfasser ideologisch gegen die Homöopathie eingestellt zu sein scheinen, als auch in einem homöopathiefreundlichen Umfeld. So muss man das Ergebnis nüchtern zusammen fassen.

Zweifel an der Methodik – Ein Rückzugsgefecht der Homöopathen?

Globuli

Die Mittel der Homöpathie kommen recht uniform und harmlos daher. Kann das starke Placeboeffekte auslösen? © Tim Reckmann under cc

Nur wurde von Seiten der Homöopathen moniert und das nicht ganz zu unrecht, man könne die Homöopathie nicht doppelblind testen, da die Homöopathie nicht gegen etwas gegeben werde – also gegen Kopfschmerzen, Asthma oder Herzbeschwerden – sondern es wird dasjenige Mittel gesucht, was dem jeweiligen Typen entspricht und eigentlich sucht man das Simile, also das Mittel, dessen Arzneimittelbild: – das sind die typischen Vergiftungssysmptome an einer ganzer Reihe getesteter Menschen, in deren Gesamtheit – den gegenwärtigen Symptomen eines Patienten am ähnlichsten ist. Denn das ist der Grundsatz der Homöopathie: „Ähnliches wird durch Ähnliches geheilt.“

Den Wirkstoff eines Kopfschmerzmittels kann man gegen Placebo testen, was statistisch besser abschneidet, als die Placebogruppe, geht auf einen Wirkeffekt des Mittels zurück. Doch es gibt in der Homöopathie dutzende Mittel gegen Kopfschmerzen und laut Simile-Gesetz muss das dem Gesamtbild ähnlichste Mittel gefunden werden. Homöopathie zu testen, heißt auch, sie zu ihren Bedingungen zu testen. Ein guter Kompromiss sind Vorauswahlen von Homöopathen, so dass man die Test-Personen typischen großen Mitteln zuordnet und sagt, dass A ein Belladonna und B ein Nux vomica Typ ist und dann gibt man die entsprechenden Mittel. Aber auch hier hat die Homöopathie nicht gut abgeschnitten.

Aus einer anderen, der Homöopathienähe unverdächtigen Ecke, dem bei uns vorgestellten Buch „Schmerzmedizin“, in dem alternative Verfahren ideologiefrei referiert werden, die Homöopathie aber unerwähnt bleibt, schreibt die Neurologieprofessorin und Placeboforscherin Ulrike Bingel:

„Die neurowissenschaftlichen und klinischen Erkenntnisse zur Plazeboanalgesie bringen auch neue Impulse für die pharmakologischen Forschung mit sich, Zum einen wird zunehmend infrage gestellt, dass es sich, bei der in klinischen Studien typischerweise durchgeführten Plazebokontrolle um eine geeignete Kontrollbedingung handelt. Krankheits- und substanzspezifische neurobiologische Interaktionen zwischen kognitiven und pharmakologischen Faktoren sind bislang nur ungenügend untersucht und verstanden.“[1]

An der Stelle scheinen die Homöopathen einen berechtigten Einwand zu haben. Dass der dann für die Homöopathie ausgeht ist dabei allerdings nicht gesagt, nur ihr Einwand ist richtig. Neben der evidenzbasierten Medizin, die als unideologisch galt, inzwischen aber auch umstritten ist und anderen Verfahren der Wissenschaft ist ganz aktuell noch ein weiterer Eckpfeiler der Argumente der Kritiker der Homöopathie ins Wanken geraten, die statistische Signifikanz, jenes als mächtig empfundene Mittel, dass zwar nicht das Meer, aber die Welt in eine wissenschaftliche und unwissenschaftliche Hälfte teilen konnte, bis der Beitrag Methodendebatte: Schickt die statistische Signifikanz in den Ruhestand!
Drei Statistiker fordern gemeinsam mit mehr als 800 weiteren Fachleuten, den p-Wert als Signifikanzkriterium aufzugeben: Er unterstelle zwei Kategorien von Ergebnissen, die es eigentlich nicht gibt
erschien.

Erneut: Sollte die Signifikanzgröße fallen, heißt auch das nicht, dass homöopathische Mittel wirken, es bedeutet nur, das ein weiterer Teil dessen, was man als unverrückbare Widerlegung ihrer Wirksamkeit anführen kann, eventuell unhaltbar ist. Das darf nicht verwechselt werden, aber es könnte eine neue Runde einleuten.

Aber was wirkt dann?

Nun, eventuell gar nichts. Die Homöopathie könnte, im schlimmsten Fall für ihre Anhänger zu 100% auf den Placeboeffekt zurück zu führen sein, das heißt, die Homöopathie wirkt nicht, wohl aber die Behandlung durch den Homöopathen. Für die Gegner der Homöopathie wäre das wohl der Todesstoß für dieselbe, aber das ist etwas vorschnell.

Würde die Wirkung einer homöopathischen Behandlung einzig auf dem Placeboeffekt beruhen, spräche nichts dagegen, ihn auszuschöpfen, natürlich nur für Menschen, die davon profitieren. Wie gesagt, seine Stärke liegt etwa bei einem Drittel der Heilwirkung (in Einzelfällen deutlich darunter oder höher) und er ist damit ein ungemein kräftiger Effekt. Es ist nicht nur eine Überlegung wert, sondern geradezu ethisch geboten den Placeboeffekt in die Medizin einzubauen, natürlich auf die Art, die dem einzelnen Patienten und seinen Vorstellungen, seinem Weltbild entgegen kommt.

Wer die Homöopathie ablehnt, soll damit natürlich nicht traktiert werden, sondern das erhalten, was ihm behagt. Man kann sich vorstellen, dass Ansätze, wie in der multimodalen Schmerztherapie auch in anderen Bereichen der Medizin einen Vorteil bringen, in dem einzelne Module dann der Krankheit und den Bedürfnissen den Patienten angepasst werden. Ein neutrales Abwägen, wer ins jeweilige multimodale Team gehören könnte, kommt irgendwann an den Punkt, sich verschiedene Fragen zu stellen, etwa:

  • Wie ausgedehnt soll sich die Zusammensetzung des Teams nach den Wünschen den Patienten richten?
  • Wäre es ethisch vertretbar, dass ein Team zugunsten der subjektiven Schwerpunkte eines Patienten vom therapeutischen Goldstandard abweicht?
  • Sollte ein Placeboeffekt während der gesamten Dauer der Therapie gleichmäßig hoch gehalten werden oder gibt es sensible Momente, in denen er besonders entscheidend ist – und in denen er Spitzenwerte bezogen auf die Wirksamkeit erreicht?
  • Wie sind die Faktoren Sympathie, Teamfähigkeit und Kompetenz zu gewichten?

Ist ein Therapeut von „seinem“ Verfahren nicht stark überzeugt, merkt Patienten das sofort, eine starke Überzeugung hinsichtlich des eigenen Verfahrens könnte hingegen zu Spannungen im Team führen. Alles Fragen, die in diesem Kontext wichtig sein können.

Ich bin nicht überzeugt, dass es allein der Placeboeffekt ist, der in der Homöopathie wirkt und zwar aus Gründen, die aus der Placeboforschung selbst kommen.

Wie stark ist der Placeboeffekt der Homöopathie?

Der Placeboeffekt zerfällt in zwei Arme, nämlich in die Erwartungen und einen Konditionierungseffekt. Man hat beide Arme bestimmten Bereichen zuordnen können, so ist der Konditionierungseffekt eher in der Lage Drüsentätigkeiten anzuregen, so dass ein Lebewesen, dem beispielsweise Insulin verabreicht werden muss, nach einigen Gaben davon, auch eine Placeboinjektion so verstoffwechselt, als sei Insulin gespritzt worden. Die Erwartungen, die jemand an den Arzt, das Verfahren oder Medikament hat, wirken hingegen besonders gut, bei Schmerzen.

Ein von Homöopathen immer wieder ins Feld geführtes Argument ist, die Homöopathie würde auch bei kleinen Kindern und Tieren wirken. Der Hinweis meint, diese würden keine besondere Neigung zur Homöopathie verspüren, bei Kindern mag man darüber streiten, bei Tieren eher nicht. Damit würde der Arm Erwartungen bei Tieren jedoch wegfallen. Nicht jedoch die Konditionierung. Doch schaut man sich das Setting einer Konditionierung an, dann ist es ja nicht so, dass ein Tierheilpraktiker oder -arzt dem Hund zunächst etwas gibt, was wirkt und dies dann schrittweise reduziert und gegen ein Homöopathikum austauscht, das er einschleicht. Sondern der Behandler gibt sofort ein homöopathisches Mittel, wenn er meint, dass es angezeigt ist. Manchmal wirken die Mittel gegen jede beschriebene typische Placebowirkung.

Die Gegner meinen, der Placeboeffekt wirke auch nicht unbedingt auf das Tier selbst ein, sondern die Besitzer würden durch die Behandlung euphorisiert und dieser Effekt würde sich dann auf das Tier übertragen. Doch auch das wirft mehr Fragen auf, als es beantwortet: Es ist, als wolle man mit Reiki gegen die Homöopathie argumentieren, oder weniger polemisch: Wer so eine Wirkung behauptet, muss sie ebenfalls belegen. Zudem ist nicht einzusehen, warum positive oder euphorisierende Effekte einzig beim Homöopathen auftreten sollten und nicht bei anderen Behandlern.

Drehen wir das Rad noch ein bisschen weiter und wieder zurück zum Menschen, so ist ebenfalls aus Sicht der Placeboforschung der Placeboeffekt der Homöopathie eher nicht beeindruckend. Es wird die lange Erstanamnese erwähnt – die aber gar nicht in allen Fällen stattfindet – hier liegt der Placebovorteil auf Seiten der Homöopathie. Schaut man sich ansonsten die Ergebnisse der Placeboforschung an und das was die Homöopathie macht, kommt man eher zu dem Schluss, dass die Homöopathie einen schwachen Placeboeffekt induziert. Wenn nicht alles am Erstgespräch hängen soll, was ist es dann? Die komplizierten Begriffe werden angeführt. Aber was ist an Sulfur und Mercurius exotischer als an Amoxicillin oder Novalminsulfon? Das therapeutische Setting wird genannt, aber was ist an einer Gabe Kügelchen unter die Zunge placebowirksamer als an einer Spritze (das Gegenteil ist laut Forschung der Fall – Homöopathen spritzen auch, aber eher selten) und ist der Hinweis, das Mittel zu Hause noch mal zu schütteln und in Wasser aufzulösen, wirklich so unendlich viel stärker, als eine bildgebende Untersuchung? Die Größe, Farbe und der Preis der Mittel ist relevant. Aber da hat die „Schulmedizin“ deutlich die Nase vorn. Homöopathen haben Tropfen und Spritzen, ein langweiliges Weiß der Kügelchen und Tabletten in einer placebotechnisch unbeeindruckenden Einheitsgröße aller Mittel. Gut wirken aber bunte und verschieden große Tabletten, etwa die kleinen Blauen oder die großen Granaten, besonders bei Schmerzen. Es scheint hier besonders Zeit und Zuwendung zu sein, von denen die Homöopathen profitieren.

Der Noceboeffekt

Die Argumente der Gegner gehen jedoch weiter. Manche sagen, dass die Homöopathie Zufriedenheit hervorruft, sei eher dem systematisch eingesetzten Noceboeffekt zu verdanken und zwar einem, den man für sich nutzt, anders gesagt: Homöopathen machen die Schulmedizin systematisch nieder, schüren Ängste und Sorgen vor Chemie, Giften, Nebenwirkungen und einer kalten, unpersönlichen Apparatemedizin.

Generell ist der Noceboeffekt der dunkle Bruder oder einfach die andere Seite des Placeboeffektes und ebenso von sehr beeindruckender Kraft. Wo der Placeboeffekt die Überzeugung des Betroffenen ist, dass es Mittel und Wege gibt, mir zu helfen, ist der Noceboeffekt die stille Gewissheit, dass der Ofen aus ist. Das kann sich aus kleinen, hochgradig tragischen Missverständnissen ergeben, die uns lehren können, wie groß die Macht des Wortes sein kann.

Auch hier muss man wieder sagen, dass es bestimmt Homöopathen gibt, die die Medizin kritisieren, aber sicher nicht die Mehrheit. Wenn jemand jedes mal zu Tiraden über die böse Schulmedizin ansetzt, wird er lediglich die Ideologen unter seinen Patienten erreichen, den anderen würde er merkwürdig vorkommen. Zudem ist an den Vorwürfen der Homöopathen natürlich immer auch etwas dran, wie viele ihrer Patienten wissen, für die der Homöopath in der Regel nicht die erste Wahl ist, normal ist bei uns der Gang zum Haus- oder Facharzt.

Dennoch gibt es Homöopathen auf groben Irrwegen. Wenn Homöopathen Homosexuelle von ihrer ‚Krankheit‘, die eine sexuelle Orientierung ist, heilen wollen, manchmal in einer Koalition mit religiösen Kräften, so ist das nichts, was ohne Widerspruch hingenommen werden muss, generell ist es aber so, dass Religion und Homöopathie keine zwingende Koalition bilden, es gibt sogar merkwürdige, religiös motivierte Bücher, in denen die Homöopathie als Teufelswerk dargestellt wird.

Üble Fouls der Homöopathiegegner

Allerdings sind auch die Gegner der Homöopathie nicht zimperlich. Absonderliche Argumentationen, in denen der Homöopathie angelastet wird, einerseits vollkommen wirkungslos aber doch gefährlich zu sein. Oder, wenn sie gar zur tödlichen Gefahr zu stilisiert wird, weil zur Homöopathie angeblich zwingend gehört, sich nicht anders behandeln zu lassen, egal, worunter man leidet. Wirklich? Ist das immer und überall so?

Noch perfider sind die Framing-Versuche. Gerne wird versucht alternative Medizin durch andauernde Erwähnung in den Kontext des Rechtsextremismus und des ideologischen Irrsinns zu ziehen, das nicht zufällig, sondern mit System, was einigermaßen abstoßend ist.

Das Ritual

Schwefel dampfend

Schwefel oder Sulfur ist eines der großen homöopathischen Mittel und hier Symbol für das ideologisch heiß umkämpfte Terrain. © kuhnmi under cc

Der homöopathische Alltag wird vermutlich öfter von den Idealvorstellungen der Gegner und Anhänger abweichen, als dass er diesen sehr nahe kommt, dennoch steht die Homöopathie exemplarisch für eine ganz andere Art der Medizin, die manchen nicht passt, weil sie sie eben für gar keine Medizin halten, während einige sie lieben und erneut nutzen die meisten sie pragmatisch.

Vielleicht löst der gesamte Kontext einer homöopathischen Behandlung einen Placeboeffekt aus, das Bewusstsein, dass es da noch etwas gibt. Für manche ein Symbol für Ungiftigkeit, für andere ein ganz anderer Ansatz, für wieder andere eine Chance nach erlebten Enttäuschungen. So gut wie jeder Anwender der Homöopathie hat seine Geschichte, in der nach zahllosen Versuchen dann ausgerechnet der Homöopath helfen konnte. Wer so etwas erlebt hat, misstraut den Skeptikern und das mitunter aus gutem Grund. Spätestens dann, wenn sie beginnen einem das was man selbst erlebt hat, abzusprechen.

Man kann die Homöopathie, ihr Idealbild, als großes Gesamtritual betrachten, wenn man es denn will und man sollte es erhalten. Angesichts einer therapeutischen Breite, die von Tele-Medizin über Gentechnik, minimalinvasive OP-Techniken bis zur Virtual Reality Brille (gegen Phobien) reicht, darf man dennoch den fundamentalen Aspekt der zwischenmenschlichen Begegnung nicht vernachlässigen, in denen auch Phänomene wie Superheiler auftauchen. Ob sich die psychogenen Effekte bei Erkrankungen und Heilungen letztlich auf den Begriff des Placebo-/Noceboeffekts reduzieren lassen, glaube ich nicht, die gezielte Einbindung desselben sollte jedoch eine Pflicht sein, die merkwürdig negative Fokussierung auf die Homöopathie (in der Presse sogar inzwischen mehr als unter Ärzten) erscheint mir unangebracht.

Ist Heilung durch Information Unsinn?

Wir bei psymag.de bewegen uns ja in einem psychologischen und psychotherapeutischen Kontext und natürlich ist Heilung durch Information nirgendwo stärker verbreitet als in der Psychotherapie. Denn was bitte hilft hier, wenn nicht Information? Ein veränderter Blickwinkel, ein neuer Kontext, eine Information, die der Patient erhält, als Deutung, Anregung oder Aufforderung, die Dinge doch mal anders als gewohnt zu betrachten. Nicht jede Therapie gelingt, aber wo sie gelingt können die Erfolge geradezu dramatisch sein und über Wege wie die Weltbild-Methode, die Individuations-Therapie, die Psychosomatik, kann die Psyche den Körper heilen und das tut sie allein mit Informationen unterschiedlicher Art. Geht also, zweifelsfrei.

Das eigentliche Problem der Homöopathie besteht darin, dass sie die Behauptung aufstellt, die Homöopathie könne durch die Praxis des Dynamisierens, also des schrittweisen Verdünnens oder Verreibens und Verschüttelns, die Information, das Prinzip des Aufgangsstoffes von seiner materiellen Hülle lösen und auf einen anderen Träger übertragen. Informationen kann man problemlos auf andere Träger übertragen, ich kann etwas hinschreiben, abfotografieren, als Sprachnachricht aufnehmen, verschiedene Formen der gleichen Information. Doch die Isolation der Information durch das Dynamisieren ist der eigentliche Knackpunkt. Denn können wir wirklich die „Seele“ des Schwefels, einer Pflanze oder Biene, ihre Information isolieren? Ist es überhaupt möglich etwas auf reine Informationen zu reduzieren? Keiner weiß es.

Die Homöopathie verfolgt hier eine an sich geniale Idee und benutzt dazu eine zweifelhafte Umsetzung. Das scheint mit der dickste Hund zu sein. Ist damit das Ende der Homöopathie besiegelt? Ich glaube nicht und ich würde es mir nicht wünschen, im Gegenteil.

Was die Medizin von der Homöopathie lernen kann

Reden und sich Zeit nehmen, soviel sollte klar geworden sein. Es reicht nicht immer nur darüber zu jammern, dass man dafür kein Geld bekommt, es gilt dann auch irgendwann mal die eigenen Interessen in dieser Hinsicht zu vertreten und das Gespräch, die Begegnung wieder ins das Zentrum zu rücken, soll die Medizin nicht zur dazu verkommen, dass Algorithmen Krankheiten analysieren und Medikamente und Therapievorschläge rausschicken. Gegen einen solchen Reparaturbetrieb müssen auch Ärzte etwas haben, sie wären nämlich schneller, als sie gucken können, überflüssig.

Das Minimieren des Noceboeffektes und das offensive Einbinden des Placeboeffektes gehen Hand in Hand. Oben schrieb ich: „Die Homöopathie könnte, im schlimmsten Fall für ihre Anhänger zu 100% auf den Placeboeffekt zurück zu führen sein, das heißt, die Homöopathie wirkt nicht, wohl aber die Behandlung durch den Homöopathen.“ Aber: Was wäre eigentlich schlimm, am schlimmsten Fall? Die Homöopathen würden es nicht mögen. Sie glauben fest daran, dass da mehr im Spiel ist, aber was wäre, wenn es nicht so wäre? Das Einbinden von Placebo: Warum nicht mit Homöopathie? Elegantere Wege gibt es kaum, für Menschen, die eventuell darauf vertrauen müssen oder wollen, dass es noch anders als üblich klappen muss. Wer nicht will, der muss nicht. Teuer ist die Homöopathie nun wahrlich nicht. Die Interaktion, das aufwendige Suchen, der andere Ansatz, das hat was.

Homöopathie als Urprinzip

Ein letzter Punkt sei erwähnt. Die Homöopathie kann man einmal als technisches Verfahren betrachten und zum anderen als Ansatz einer anderen Herangehensweise an Heilung. Die Idee Ähnliches mit Ähnlichem zu heilen, nämlich das fehlende Prinzip zu ersetzen, geht über die reine Methodik der Homöopathie im engen Sinne hinaus. Hier ist das homöopathische Prinzip eng mit den aufdeckenden Ansätzen der Psychotherapie verwandt, die ein ins Unbewusste abgerutschtes oder verdrängtes Prinzip wieder bewusst machen wollen. Wer seine Aggressionen verdrängt und nun darunter leidet, dass er überall Aggressionen wahrnimmt und die Welt so böse ist, der muss nicht lernen sich noch mehr gegen die böse Welt abzuschotten, sondern Aggressionen als einen Teil des Ganzen zu sehen und anzuerkennen, statt diese weiter zu verdrängen. Was hier fehlt, im Bewusstsein fehlt, ist eben nicht Frieden, sondern Aggression und erst wenn diese bewusst ist, kann der Mensch ins Gleichgewicht kommen. Im Grunde folgt dies der Idee der Homöopathie: das was fehlt, die Information soll ersetzt werden. Diese Art der Homöopathie hat besonders Thorwald Dethlefsen stark gemacht, dessen Denken wir in Heilung aus Sicht zweier ungleicher Geschwister vorstellten, er folgt der Tradition von Herbert Fritsche, der ebenfalls mit der Homöopathie eng verbunden war.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass uns ein Wechsel des uns leitenden Weltbildes bevorsteht, das vom Naturalismus dominiert wird. Vielleicht werden die Karten dann wirklich noch einmal neu gemischt, einen Platz sollte die Homöopathie, aus hoffentlich nachvollziehbaren Gründen dennoch behalten.

Quellen