In psychologische Selbsthilfe klang die Meditation als spirituelle Selbsthilfe schon an. Sie ist nur ein spiritueller Zugang von vielen.
Wegen der Bedeutung der Spiritualität machen wir daraus ein eigenes vertiefendes Thema und stellen weitere Methoden vor. Eine Schwierigkeit liegt darin, dass nicht jeder mit Spiritualität etwas anfangen kann, aus verschiedenen Gründen. Für die einen bewegt sich das Thema im Dunstkreis der Religion und die ist zumindest in Europa aktuell nicht angesehen, für andere ist es zu esoterisch und wieder andere haben so oder so kein Interesse daran.
Spiritualität kann jedoch im Leben ein echter Gamechanger sein und das ist im Angesicht durchaus anstrengender Zeiten und zu geringfügig ausgebauter Therapieangebote eine Alternative für einige Menschen.
Wenn ich von Spiritualität rede, dann unterscheide ich diese von Religion, die deren komplizierte Beziehung haben wir in Spiritualität und Religion (1) und Spiritualität und Religion (2) dargestellt.
Was Spiritualität nicht ist
Spiritualität ist kein Entspannungsverfahren. Zwar gehören spirituelle Elemente sowohl zu den Bestandteilen effektiver Entspannungsverfahren wie Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion oder Therapieformen, wie Dialektisch-Behaviorale Therapie oder Reinkarnationstherapie, aber streng genommen sind das Mischformen, um die es in der reinen Spiritualität nicht geht.
Was ist der Unterschied? In der Therapie sind spirituelle Praktiken ein Element der Therapie, im Rahmen echter spiritueller Praktiken geht es rein um diese und darum, alles andere abzustreifen. Therapeutische Prozesse sind dort nicht vorgesehen, aber eine gelungene Spiritualität ist gleichzeitig in vielen Fällen ausgesprochen bereichernd und stabilisierend für die Psyche, anders, als man früher dachte.
Spiritualität ist keine Zauberei, es ist unnötig, sie dem Verdacht auszusetzen, unbedingt ‚Übersinnliches‘ transportieren oder glauben machen zu wollen. Der Rückgriff auf etwas was nicht in unser Weltbild passt ist manchmal zu sehen, manchmal auch nicht, in einer Vielzahl der Fälle spielt das aber einfach überhaupt keine Rolle.
Spiritualität ist eine Mischform, die bestimmte Techniken anbietet, die mehr oder weniger gut zu dem jeweiligen Weltbild passen, manchmal hat Spiritualität auch ein eigenes Weltbild dabei oder bestimmte Weltbilder verfügen über spirituelle Praktiken.
Spirituelle Selbsthilfe
Spirituelle Selbsthilfe beachtet vornehmlich diesen praktischen Anteil. Von der psychologischen Selbsthilfe unterscheidet sie sich in aller Regel durch eine langsamere Wirkung – auch wenn es Ausnahmen gibt – dafür können spirituelle Praktiken tiefer gehen und in der mittleren oder langen Distanz Änderungen hervorbringen und Menschen stabilisieren.
Auch wenn spirituelle Praktiken keinen Glauben voraussetzen, sind sie in ihrer Herangehensweise oft anders als das, was wir kennen. Das kann am Anfang ein Vor- oder Nachteil sein. Ein Vorteil, weil man sich viel davon verspricht, weil es irgendwie eine Zusatzoption ist. Man fünhlt sich angeschlossen an eine alte Weisheitstradition, denkt, man habe doch irgendwie ein Kontakt zu hilfreichen Kräften, ein Nachteil, wenn einem genau das fremd ist und suspekt erscheint.
Im Zuge einer längeren Praxis wird das weniger relevant, weil beide Vorurteile einfach von der Erfahrung aus der Praxis absorbiert werden. Die spirituelle Selbsthilfe eignet sich insbesondere für mittlere oder längere Distanzen und können in aller Regel problemlos mit einer Psychotherapie parallel laufen, dieser aber auch voraus gehen.
Es gibt reichlich spirituelle Techniken, solche, die das Bewusstsein öffnen und erweitern und mitunter eine völlig andere Sicht auf die gewohnten Dinge ermöglichen, da es hier aber um Hilfe in Krisen geht, beschränken wir uns auf erdende, strukturierende und stabilisierende Methoden. Denn sehr viele spirituelle Techniken holen uns zurück auf die Erde und sind darüber hinaus auch noch sehr gesund. Das sagen nicht nur irgendwelche Yoga Freaks, sondern wir können es auch von Karl Lauterbach hören, der zwar nicht meditiert, aber als bekannter ‚Studienfresser‘ sagt, dass die Wirkung der Meditation zig fach belegt sei oder von Herbert Grönemeyer, dessen Bruder Dietrich ein bekannter Arzt ist. Der Künstler redet (ab Minute 7:05) in Sternstunde Philosophie darüber, dass, gemäß einer Studie einer englischen Schulmedizinerin, sich bei einer täglichen Meditation von 20 Minuten, dass Angstzentrum binnen vier Monaten halbiert.
Spirituelle Praktiken
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Irgendwie ist und bleibt die Meditation vermutlich die spirituelle Kernpraxis, die eng auch mit weiteren Praktiken verwoben ist. Wie eben schon erwähnt, haben gerade die einfachsten meditativen Techniken eine oft erstaunlich breite, förderliche Wirkung auf Körper und Psyche, wenn man sie denn trennen will.
In Meditation (1) und Psychotherapie und Meditation – Meditation (2) haben wir das bereits breit ausgeführt und wir empfehlen hier nachzulesen. Der erste Teil beschäftigt sich mit den Problemen die man hat, wenn man mit der Meditation beginnt, im zweiten werden Überschneidungen, Ergänzungen, aber auch Unterschiede zur Psychotherapie dargestellt.
In Gibt es Hilfe, wenn unsere Welt in Trümmern liegt?# haben wir versucht, genau darauf einzugehen. Unsere Welt, damit ist die Welt des jeweils einzelnen Menschen gemeint, der gerade erlebt, wie ihm irgendwas den Teppich unter den Füßen wegzieht. Auch hier spielt Meditation eine große Rolle, allerdings schon eine etwas Fortgeschrittene.
Satsang: Die Gemeinschaft mit Heiligen
Damit ist um Grunde schon alles erklärt. Einer der simpelsten und nach Aussagen vieler profundeste Weg auch aus Verwirrung, Leid und Angst ist die Gemeinschaft mit Heiligen, oder Satsang. Das praktische Problem ist naheliegend: der nächste Heilige ist vermutlich schwieriger zu finden, als die nächste Pychotherapeutin und es ging ja um die überbrückende Selbsthilfe in Zeiten, wo diese rar geworden ist. Dennoch ist das Thema damit nicht abgefrühstückt.
Für den indischen Mystiker Ramana Maharshi war die Gemeinschaft mit Heiligen die beste Technik, ganz ohne Worte. Ramana wirkte oft, ohne zu sprechen, durch seine pure Präsenz. Doch er sagte auch immer wieder, dass Gott, Guru und Selbst dasselbe sind. Man findet in seiner Nähe über den Umweg des Guru zum Selbst oder Gott. Der Guru wird nur so lange gebraucht, wie man das Selbst noch nicht gefunden hat und allein um das Selbst geht es.
Ramana hat seinen heiligen Berg, den Arunachala, nie verlassen und da er offenbar eine immense spirituelle Kraft hat, wurde er gefragt, warum er nicht in die Welt geht und seine Lehren verbreitet. Er antwortete, sinngemäß: ‚Wer sagt, dass ich das nicht tue?‘ Damit ist keine Zauberei gemeint, sondern erneut, dass man die Kraft des Selbst in sich findet.
Selbstbefragung

Einer von Indiens großen Mystikern, Ramana Maharshi; G. G. Welling – Sri Ramanasramam, Tiruvannamalai, 606603, Tamil Nadu, India. gemeinfrei
Ramana sah zwar Satsang als den besten Weg an, aber er erkannte auch, dass es andere Zugänge gibt und nicht jeder von der reinen Gegenwart profitiert, wie er oder sie könnte. Für diese hatte er eine weitere einfache Methode parat, die Selbstbefragung. Die Frage lautete: ‚Wer bin ich?‘ oder, wenn er eine Frage gestellt bekam, war seine Antwort oft: ‚Wer ist es, der das wissen will?‘ Die erste Antwort würde stets lauten: ‚Na, ich natürlich‘ und auf die Frage wer man ist, würden die biografischen Daten kommen. Ich bin XY, soundso alt, jener Beruf, diese Freunde, Einstellungen und Hobbys. Ramanas Tipp war, das Ich von den Objekten zu lösen und zu schauen, was bleibt, wenn man von den eben genannten Zuschreibungen absieht.
Man kann sich aber auch selbst zum Objekt machen durch diese ‚technischen Daten‘, aber wer ist es nun wieder, der das tut? Ich kann meinen ganzen Körper durchgehen, ihn entspannen, mit ihm in Kontakt kommen und ihn genau spüren und dabei merken, dass ich nicht mein Körper bin, denn ich kann ihn ja wahrnehmen. Das hat auch einen sehr erdenden Effekt, um den es hier aber nur am Rande geht.
Ich kann auch meine Gedanken wahrnehmen, ebenso kann ich merken, was ich fühle, in welcher Stimmung ich bin. Aber wer ist dieses Ich, das dies merkt? Es kann ja all die genannten Aspekte: Körper, Empfindungen, Gefühle und Gedanken bezeugen, also ist dieses Ich nicht mit diesen identisch. Man könnte es als reflexive Instanz ansehen, aber auch, dass ich mich wahrnehme kann ich ja wiederum wahrnehmen und bin also auch das nicht. Dennoch ist dieser Teil immer da, denn er bezeugt ja alles was ich bewusst wahrnehme, auch noch meine Träume und dunkelsten Geheimnisse.
Ich kann feststellen, dass ich eine bestimmte Einstellung habe und mich dann fragen, warum ich die eigentlich habe und versuchen, das zu klären. Dass ich genau das tue, kann ich aber ebenfalls wahrnehmen auch das wird damit bezeugt. Dieser Zeuge ist das Selbst, es bleibt immer übrig, ist immer präsent, aber wer oder was ist es eigentlich? Was ist die Natur des Selbst? Wo ist es? Wer ist es? Der Frage kann man immer wieder nachgehen, auch im Alltag. Sie ist ungefährlich und sanft, sie kann zu meinem normalen Alltag parallel laufen und immer wenn man aufs Smartphone blickt, um Leerlauf und Langeweile zu überbrücken, könnte man auch dieser Frage nachgehen.
In der Meditation erlebt man immer wieder, dass einen die Gedanken entführen und wegtragen, die Spiritualität hat neben der Psychologie ebenfalls Antworten darauf.
Gedankenstopp mal anders
Bei belastenden und katastrophisierenden Gedanken hat es sich bewährt, diese mit einem bewussten ‚Stopp!‘ Signal zu unterbrechen und etwas anderes zu denken. Viele Techniken, die auch in psychologische Selbsthilfe# beschrieben wurden, vertiefen diese Unterbrechung und lenken die aufdringlichen Gedanken in eine andere Richtung, weiten den Blick, zeigen, dass man auch noch anderes wahrnehmen kann.
In der Meditation kann man diese Gedanken betrachten und sehen, dass sie sich auch austoben können. Indem man sie einfach anschaut, ohne ihnen nachzugehen. Man kann das kontrollieren, indem man seine Atemzüge zählt, beschrieben ist es im verlinkten Beitrag über Meditation.
Man kann die Gedanken oder ihren Strom aber auch bremsen oder für Momente gar nicht denken. Oder eben, wenn die Gedanken nicht zur Bewältigung konkreter Aufgaben in Arbeit oder Familie benötigt werden, zur Selbstbefragung zurück kehren und versuchen die Gedanken dorthin zu lenken und zu halten und das Selbst immer mehr zu erkennen.
Hier wird weniger eine Grenze gesetzt, die Gedanken werden eher auf eine immer weitere Lichtung geführt, eine grenzenlose, aber keine, die gefährlich ist und überfordert. Der Lohn ist Wohlbefinden. Das ist ungewohnt für uns, weil wir diese Denkweise und vor allem die Praktiken nicht kennen. Zudem haben wir im Westen eine grundsätzliche Skepsis gegenüber Gurus, auch das hat Vor- und Nachteile.
Die Inseln der Ruhe
Aber gänzlich fremd oder prinzipiell unzugänglich ist uns das, worum es geht, nicht. Kennen Sie das Gefühl, wenn Sie morgens ohne Wecker erwachen, irgendwie schon da sind, aber die Gedanken noch nicht geordnet haben? Am besten erkennt man das im Kontrast. Wenn man ein schlimmes Erlebnis hatte, wacht man am anderen Morgen auf, alles ist normal und mit einem Mal wird einem wieder klar, dass heute alles anders ist, weil sich gestern etwas ereignete.
Aber in dem Moment davor war man auch schon wach, bewusst und da, aber ohne dieses Wissen und die Phantasien um die Folgen. Man kann versuchen, in diesen offenen, weiten Zustand zu gelangen, man weiß ja in etwa, wie er sich anfühlt. Dafür ist die Erinnerung an schlechte Erlebnisse natürlich nicht nötig, sie diente nur zum aufzeigen des Unterschiedes.
Diese Offenheit findet man auch wenn man sich – wie ein Zen-Meister es lehrte – fragt, was genau in diesem Moment fehlt, um zufrieden zu sein. Das klingt verrückt, wenn man in einer echten Krise ist, weil man denkt: ‚Okay, wo soll ich anfangen und wie viel Zeit habe ich?‘ Aber wenn man auch diese Frage mal ernst nimmt und wirklich in den Moment, ins Jetzt geht und sei es nur für die Dauer eines Atemzuges, kann man vielleicht ein Gefühl dafür bekommen, dass es kein Unsinn ist, wenn man feststellen kann, dass genau jetzt … nichts fehlt. In dem Moment, wo man drüber nachdenkt, bricht wieder alles auf einen ein, das soll nicht geleugnet werden. Hier geht es nur darum, dass es auch anders herum geht: Man kann offen oder fokussiert sein um dieses Andere zu erlenen und wenn man noch genauer hinschaut ist beides kein Unterschied, sondern fließt zusammen.
Das ist uns kulturell eher fremd, aber inzwischen werden wir offener dafür, dass nicht alles was anders ist als unser Ansatz, gleich falsch oder dumm sein muss. Man kann es einfach probieren und schauen, wie es einem damit geht. Es spricht nichts dagegen, es geht ja um spirituelle Selbsthilfe, diese mit der psychologischen zu kombinieren, in Eigenverantwortung.
Informieren Sie sich und schauen Sie vor allem, was Ihnen gut tut, welcher der Weg ist, der Ihnen entspricht. Die Selbstkompetenz die man dafür entwickeln muss hilft einem auch später weiter, sie ist bereits Ausdruck der Selbstwirksamkeit.
Hingabe
Wem Selbstbefragung und Satsang nicht helfen, dem schlägt Ramana den Weg der Hingabe vor. Uns ist diese Demut ein wenig fremd geworden, sie entlastest psychologisch schon allein dadurch, dass man nicht mehr für alles in seinem Leben selbst verantwortlich ist. Wir wollen so oft, so vieles kontrollieren, natürlich stresst das auch, gerade in unseren komplexen Zeiten.
Hier verlangt uns Ramana zwar einerseits alles ab, wenn er sagt, dass Gott schon für alles sorgen wird, er knüpft damit aber exakt an unsere heimische Mystik eines Meister Eckhart an, der dasselbe sagt. Ramana sieht die Welt als Projektion des Ich-Gedankens und das ist für uns in mehrfacher Hinsicht eine Herausforderung. Aber erinnern wir uns, es ging ja um spirituelle Selbsthilfe und da ist die Frage, wie es den Betreffenden eigentlich geht. Selbst wenn man seine Sicht verrückt findet, diese Verrücktheit würden viele von uns vermutlich gerne haben.
Vertiefend kann man sich durch diesen sehr guten Yogawiki-Artikel über Ramana Maharshi graben, auch die Videos sind zu empfehlen. Selbst wenn man denkt, dass die gedanklichen Zumutungen zu groß sind.
Lassen Sie sich nach eventuellen Erfolgen durch gelegentliche Rückschläge nicht entmutigen. Erfahrene Praktiker sagen, dass sie durch diese Praktiken Momente und auch längeren Episoden tiefer Seligkeit und Erkenntnisse empfunden hätten und einen Tag später ihrer Praxis nachgegangen sind und sich fühlten, als hätten sie noch nie zuvor praktiziert. Auch diese Phasen gehen aber wieder vorbei.